Herdecke. Mehr als 1 Milliarde Menschen weltweit werden König Charles’ Krönung verfolgen - darunter auch Menschen in der Region mit britischen Wurzeln.
Das ist ja wohl die Krönung: Nathaniel Stott öffnet am Samstag, 6. Mai, schon am frühen Nachmittag seinen englischen Pub „The Shakespeare“ in der Herdecker City. „Das mache ich immer zu besonderen Gelegenheiten“, sagt der 54 Jahre alte Gastronom und lächelt verschmitzt: „Ich öffne nicht wegen der Krönung von King Charles III., sondern wegen des 18. Herdecker Citylaufs.“ Dennoch will er immer mal wieder in die BBC-Übertragung reinschauen.
Mr. Stott ist einer von zahlreichen Mitbürgern in der Region mit britischen Wurzeln, die die Feierlichkeiten verfolgen wollen. Auf der Theke seines Wirtshauses befindet sich Queen Elizabeth II. als Quietsche-Ente, mit einer Krone auf dem Haupt. Keine Spur von Charles dem Großen. Wie kommt’s? „Die Enten-Version mit ihm ist noch nicht im Verkauf“, sagt Stott, „sobald es die gibt, greife ich zu.“
Einer Prognose der „British Beer and Pub Association“ zufolge werden die Briten an diesem Samstag 62 Millionen Pints trinken. Dem gepflegten Pilstrinker sei gesagt: 1 Pint entspricht 0,568261 Litern.
Bier mit (Schaum-)Krone
„Die 62 Millionen sind durchaus realistisch“, findet Mr. Stott, „die Briten feiern eben gerne.“ In seinem Pub fließen unter anderem Guinness und ein würziges India Pale Ale aus den Zapfhähnen. Wird der Wirt zur Feier des Tages britisches Bier ausnahmsweise mit (Schaum-) Krone servieren? „Das machen wir sowieso“, sagt er, „wir sind hier nicht so englisch“.
Nathaniel Stotts Humor ist britisch trocken. Auf die Frage, wie er einst nach Deutschland gekommen ist, sagt er: „mit dem Zug“. Dann erzählt er, dass es ihn 1992 eigentlich zum Studieren nach Westfalen verschlagen hatte. Im September 2015 hat er „The Shakespeare“ zum „Wohnzimmer vieler Menschen aus Herdecke und der Umgebung gemacht“, die übrigens zunehmend die Fish and Chips von der Speisekarte bestellten.
Auf ein Getränk mit King Charles
„Ich würde gerne Charles kennenlernen“, sagt Mr. Stott, während er very British einen Cappuccino mit Milchschaum und Honig trinkt. „Ich kann mir vorstellen, dass man mit ihm in meinem Pub ein tiefgründiges Gespräch führen könnte.“ Mit einem Kaltgetränk britischer Brauart? „Als guter Brite trinkt King Charles bestimmt auch Bier.“
Üblicherweise erinnern eine Mini-Version des Union Jacks an der Wand hinter der Theke sowie zwei mit der Nationalflagge bedruckte Kissen auf einer Sitzbank an die Herkunft des Wirtes. Am Samstag will Mr. Stott womöglich seinen Gastraum mit weiteren britischen Fähnchen dekorieren.
Jetzt wird „God save the king“ gesungen
Beim Kneipen-Konzert am Abend will er den Musiker aus Wales noch kurz an den richtigen Text erinnern, sagt er ein weiteres Mal augenzwinkernd: „Es heißt jetzt ,God save the king‘“.
Ja, so glaubt er, der ewige Kronprinz Charles werde ein guter König, „auch wenn ihm nicht so die Herzen zufliegen werden wie seiner Mutter“. Aber: „Er ist zuletzt locker aufgetreten, er wird die britische Monarchie modernisieren.“
Knapp 60 Kilometer entfernt von Herdecke übernimmt Kelsey Klamath die Worte von Mr. Stott eins zu eins: „Er wird ein guter König“, sagt die Musikerin aus Soest, „die meisten Briten mögen ihn, er ist ein Gentleman.“
Nationalflagge auf dem Balkon
Pünktlich zur Krönung wird die Nationalflagge auf ihrem Balkon gehisst. Die Liveübertragung wird sie zusammen mit ihrem Ehemann verfolgen. Das Paar lässt sich dann britischen Tee und Plätzchen schmecken. Die Dose mit dem Gebäck, bedruckt mit Krone und Flagge, hat sie sich aus der Heimat kommen lassen. Sie sollen länger haltbar sein. Apropos: „Charles hat gute Gene. Er wird so alt werden wie seine Mutter.“
Die Reise durchs britische Sauerland geht in Menden weiter. Dort lebt der Künstler Martin Smith. „Natürlich schaue ich mir die Krönung an“, sagt er und erzählt, dass er sich dann ein „kühles Ale“ aus dem Keller holen werde. „Aber nur eins“, beteuert er, schließlich feiere sein neues Bühnenprogramm „Brits 66“ – in Anlehnung an sein Alter – in Kürze Premiere. „Ich muss proben.“
Er hofft auf zahlreiches Publikum, auch wenn er nicht ganz in die Dimensionen des Monarchen vordringen wird. Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit werden sich die Krönung nicht entgehen lassen. Was fasziniert die Menschen so sehr daran? „Ich glaube, es sind Neugier und Interesse“, sagt Smith. Und: „Eine Krönung kommt nicht alle Tage vor.“
Eine Mischung aus Komödie und Tragödie
So geht es zurück nach Herdecke ins „The Shakespeare“. Wie würde der Dichter die Krönung literarisch verarbeiten? Mr. Stott muss nicht lange überlegen: „Die Royals sind eine bunte Familie. Mit Elementen von Gut und Böse, geradezu geeignet für eine Mischung aus Komödie und Tragödie.“