Breckerfeld/Hattingen. In einem Angelparadies im beschaulichen Breckerfeld soll Drogen-Geld der Mafia „gewaschen“ worden sein. Was man über den Besitzer weiß.

Es scheint viel Geld im Umlauf zu sein in so einem Angelparadies. Jedenfalls in der Anlage im beschaulichen Steinbachtal in Breckerfeld (knapp 9000 Einwohner) im Ennepe-Ruhr-Kreis. Zweistellige Millionenbeträge wurden in den vergangenen Jahren an Umsatz gemacht, in der Spitze bis zu 40 Millionen Euro. So jedenfalls die Zahlen der Online-Datenbank North Data. Der Gewinn war demgegenüber mit knapp 200.000 bis 600.000 Euro geradezu gering.

Doch wenn sich das als richtig erweist, was Ermittler im Vorfeld des europaweiten Schlags gegen die kalabrische Mafia-Organisation ‘Ndrangheta herausgefunden haben, dann sind die Geschäftszahlen ohnehin mehr als fragwürdig: Dann war das Angelparadies über Jahre hinweg eine große Geldwäsche-Maschine für illegale Einnahmen aus Straftaten, insbesondere aus Drogenhandel im großen Stil. Und damit scheint das idyllische Fleckchen in Breckerfeld neben der Eisdiele mitten in der Siegener Innenstadt, die von den Behörden am Mittwoch bei der Großrazzia geschlossen wurde, der zweite große Schmelztiegel krimineller Aktivitäten in der Region gewesen zu sein.

Schon einmal Vorwürfe wegen Tierquälerei

Das Angelparadies gerät damit nicht das erste Mal in die Schlagzeilen: Schon vor einigen Jahren waren es die Vorwürfe von radikalen Tierschützern der Organisation Peta gegen den damaligen Pächter. Um Verstöße gegen den Tierschutz beim Wettangeln ging es damals. Im Vergleich zu den jetzigen Vorwürfen eher kleine Fische. Denn nun steht der langjährige Besitzer der Anlage (also nicht der damalige Pächter) im Fokus der Ermittler: Ein 62-jähriger Deutscher aus Hattingen, den die Fahnder als „führenden Kopf eines professionell agierenden internationalen Betäubungsmittel-Netzwerks“ beschreiben, das insbesondere Kokain für hochrangige Mitglieder der ‘Ndrangheta geschmuggelt haben soll.

Hier wurde geangelt, aber mutmaßlich aucg Geld aus Straftaten gewaschen. .
Hier wurde geangelt, aber mutmaßlich aucg Geld aus Straftaten gewaschen. . © WP | Michael Kleinrensing

In den Niederlanden und Belgien sollen die Drogen beschafft und mit Fahrzeugen, die über ein spezielles Versteck verfügten, nach Italien gebracht worden sein. Mehr als 15 Jahre soll der Hattinger schon im kriminellen Geschäft sein – die Ermittler gehen heute davon aus, dass er schon 2008/09 mindestens eine Tonne Kokain nach Italien geschmuggelt haben soll. Trotzdem galt er bisher augenscheinlich als unbescholtener Bürger, der in der Hattinger Südstadt in einer hübschen Wohnsiedlung direkt am Wald lebte. Hier ist auch die Geschäftsadresse mehrerer Firmen, die ihm gehörten oder an denen er beteiligt war. Ein Vertrieb mit italienischen Lebensmitteln oder auch eine Firma aus dem Baubereich gehörten dazu. Zudem soll er ein Inkasso-Unternehmen betrieben haben, das laut dpa-Informationen auch einst für die rechtsextreme Partei „Die Republikaner“ ausstehende Mitgliedsbeiträge eingetrieben haben soll. Dem Düsseldorfer Staatsanwalt Julius Sterzel zufolge hatte der 62-Jährige aber bisher keinerlei Vorstrafen. „Er ist lange im Geschäft, aber bisher nicht aufgefallen.“

62-Jähriger und seine Ehefrau werden festgenommen

Seit Mittwochmorgen ist dieses beschauliche Leben vorbei. Spezialeinsatzkräfte stürmten in aller Frühe das Haus des 62-Jährigen, durchsuchten es, beschlagnahmten auch sein Auto. Und vor allem: Sie nahmen ihn fest, gleiches gilt nach Informationen dieser Redaktion für seine Ehefrau. Eine weitere Frau, die mal als Geschäftsführerin des Angelparadieses fungierte, sitzt zudem wohl schon länger in Untersuchungshaft, weil sie auch in die Drogengeschäfte verwickelt sein soll. Den 62-Jährigen selbst kann man zu all den Vorwürfen derzeit naturgemäß nicht befragen, auch alle Kontaktversuche zu seinen Firmen blieben am Donnerstag erfolglos. Rechtsanwälte, die ihn und seine Frau vertreten, sind noch nicht bekannt.

Das Angelparadies Steinbachtal war lange ein Anziehungspunkt für Angelfreunde. .
Das Angelparadies Steinbachtal war lange ein Anziehungspunkt für Angelfreunde. . © WP | Michael Kleinrensing

Ob die hohen Umsätze in dem Angelparadies in Breckerfeld Rückschlüsse darauf zulassen, wie viel Geld aus strafbaren Drogengeschäfte hier unter Umständen „weiß gewaschen“ wurden, dazu wollte Staatsanwalt Julius Sterzel noch keine Einschätzung abgeben: „Das ist nun Gegenstand der weiteren Ermittlungen.“ Aber dass diese angesichts des immensen Umfangs des Gesamtverfahrens – es gibt 35 Tatverdächtige, 17 davon sitzen nun in Untersuchungshaft – länger dauern werden, lässt der Staatsanwalt schon durchblicken.

Ob der 62-Jährige und seine Frau so lange in Untersuchungshaft bleiben werden, wird sich zeigen. Normalerweise darf die nur maximal sechs Monate bis zu einem Prozessstart dauern, bei einem umfangreichen Verfahren aber auch länger. Bislang, so Staatsanwalt Sterzel, sehe man die Verdunklungsgefahr als Haftgrund: „Es gibt die Befürchtung, dass auf Zeugen eingewirkt und Beweismittel vernichtet werden könnten.“

Vermögenswerte werden gesichert

Dass unter anderem das Fahrzeug des 62-Jährigen beschlagnahmt wurde, hat auch seinen Grund: So wollen die Behörden schon jetzt Vermögenswerte sichern, um die Gewinne aus dem illegalen Drogenhandel bei einer möglichen Verurteilung abschöpfen zu können. Aus dem Grund war in Siegen bei der Eisdiele, die ebenfalls eine Geldwäsche-Maschine gewesen sein soll, auch das gesamte Inventar samt Außenterrassen-Mobiliar gesichert worden.

Doch zurück zum Angelparadies: Geschlossen ist die Anlage schon seit einigen Monaten – das hatte die zuständige Bauverwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises nach Informationen unserer Zeitung verfügt. Grund sind offenbar bau- und wasserrechtliche Verfehlungen, die der Besitzer nicht beseitigt hatte. Am Tag nach der großen Razzia ist das Tor an der Zufahrt mit einem Schloss verriegelt. Ein paar Vögel haben sich entlang der Fischteiche niedergelassen, an denen das Wasser idyllisch vor sich hinplätschert. Das Gelände liegt so abgelegen an einem kleinen, holprigen Waldweg, dass es kaum verwundert, dass niemand in Breckerfeld etwas von der Mafia-Razzia der Spezialkräfte mitbekommen hat.