Hagen. Die katholischen Laien im Erzbistum Paderborn wollen das Veto des Vatikans zur Laienbeteiligung nicht hinnehmen.
Die Recherche führt tief in die labyrinthischen Strukturen der katholischen Kirche. Es geht eigentlich um nichts, und trotzdem ist niemand zuständig. Viele Katholiken im Erzbistum Paderborn sind enttäuscht, dass der Vatikan die Beteiligung von Laien an der Wahl des neuen Erzbischofs verbietet. Paderborn wäre das erste Bistum gewesen, dass bei einer Bischofswahl die Meinung der Laien berücksichtigt hätte, wie es der Synodale Weg empfiehlt. Osnabrück wollte folgen. Organisationen wie das mitgliederstarke Kolpingwerk akzeptieren das römische Veto nicht und fordern, nach Lösungen zu suchen. Aber wo liegt eigentlich der Konflikt und was ist überhaupt das päpstliche Geheimnis?
Ausnahmen von der Regel
Nur der Papst kann weltweit neue Bischöfe ernennen. Diese Regel hat in Deutschland Ausnahmen. In den Bistümern, wo bestimmte völkerrechtliche Verträge gelten, das Preußische oder das Badische Konkordat, hat der Papst zwar ein Vorschlagsrecht. Gewählt wird aber vom Domkapitel. In den Bistümern auf früherem preußischen Gebiet, darunter Paderborn und Essen, sendet das Domkapitel eine Liste mit Vorschlägen an den Nuntius, die dieser prüft und nach Rom weiterleitet. Der Papst schickt drei Namen zurück, die mit der Liste übereinstimmen können oder auch nicht. Aus diesen drei wählt das Domkapitel den neuen Erzbischof.
In Bayern entscheidet der Papst allein
Die Bayerischen Bistümer haben nur ein sehr eingeschränktes Vorschlags- und Wahlrecht, dort entscheidet alleine der Papst, wer Bischof wird. Die ehemals preußischen und badischen Gebiete können mehr Einfluss nehmen. Baden weist die Besonderheit auf, dass auf der von Rom erstellten Dreierliste immer mindestens ein Kandidat aus dem betreffenden Gebiet kommen muss. Der neue Bischof kann also tatsächlich aus dem eigenen Bistum stammen. Bei den früheren Preußen-Gebieten kann der Papst völlig frei drei Namen auf den Zettel setzen. Aber: In Paderborn stammen bisher alle Oberhirten seit Inkrafttreten des Konkordats 1929 aus dem eigenen Bistum.
Die Dreierliste des Papstes ist geheim. Das päpstliche Geheimnis verpflichtet die beteiligten Domherren unter Strafandrohung, die Inhalte der Wahl, also die Kandidaten und das Wahlergebnis, geheim zu halten. Auch in Paderborn hätten die 14 per Los bestimmten Laien den Erzbischof nicht tatsächlich wählen dürfen. Die Idee war, sie um ihre Meinung zu den vom Papst vorgeschlagenen drei Namen zu fragen, ebenso, wie sie bereits die Vorschlagsliste mit beraten haben.
Was das Bundesland damit zu tun hat
Dieses Prozedere lehnt das Vatikan unter Verweis auf das Preußenkonkordat und das päpstliche Geheimnis ab: „In der Antwort aus dem Vatikan werde darauf hingewiesen, dass diese Ausweitung nicht einseitig durch den Heiligen Stuhl erfolgen könne, vielmehr eine Abstimmung mit den Konkordatspartnern, somit den Bundesländern, erfolgen müsse. Wie diese Abstimmung aussehen könne, sei in weiteren Gesprächen durch die Deutsche Bischofskonferenz mit Rom zu klären“, heißt es in einer Mitteilung des Erzbistums Paderborn.
Das Problem sollte doch zu lösen sein, meint der interessierte Laie gutgläubig, denn offenbar blockieren ja demzufolge die Bundesländer den Prozess. Anfrage beim Land NRW: Gibt es bereits Anfragen seitens des Vatikans, des Erzbistums Paderborn oder der Deutschen Bischofskonferenz zum Thema? Ein Sprecher der Landesregierung antwortet postwendend: „Bisher sind weder die Deutsche Bischofskonferenz noch andere Vertreter der katholischen Seite mit einem entsprechenden Anliegen auf die Landesregierung zugekommen. Die Wahl eines (Erz-)Bischofs ist zunächst eine innerkirchliche Angelegenheit, die als solche den verfassungsrechtlich verbrieften Schutz vor staatlicher Einflussnahme genießt. Eine eigene Initiative der Landesregierung wäre deshalb nicht angebracht.“
Die Bischofskonferenz
Auf zur Bischofskonferenz: Deren Sprecher antwortet, dass die Bischofskonferenz nicht mit den Ländern spricht, die jeweiligen Bistümer sprechen mit den Ländern. „Wir sprechen mit dem Heiligen Stuhl. Dazu ist allerdings derzeit nichts zu sagen.“
Also noch einmal nach Paderborn. „Vertragspartner beim Preußenkonkordat sind der Heilige Stuhl und die heutigen Landesregierungen als Rechtsnachfolger des Freistaates Preußen. Somit verfügt das Erzbistum Paderborn in Fragen des Konkordates über keine unmittelbare Einflussmöglichkeit“, so lautet die Antwort der Pressestelle.
Letzte Hoffnung: Was sagt eigentlich der Nuntius in Berlin? Gar nichts. An die Nuntiatur in Berlin haben wir am 17. April folgende Fragen gestellt: Ist die Nuntiatur im Gespräch mit Bundesländern, welche Veränderungen des Preußenkonkordates wie die Ausweitung des päpstlichen Geheimnisses betreffen? Sind solche Gesprächswünsche seitens des Landes NRW bereits an Sie herangetragen worden? Welche Position haben Sie zum Thema Laienbeteiligung, gesetzt den Fall, dass die Länder den Wunsch nach entsprechender Änderung des Konkordats an Sie herantragen würden? Eine Antwort ist bisher nicht erfolgt.
Warum blockiert der Vatikan den Prozess?
Es geht doch nur darum, 14 rechtschaffenen Katholiken unter dem Siegel der Verschwiegenheit drei Namen zu nennen, von denen einer zum Bischof gewählt werden soll, und ihre Einschätzung zu den diesen Kandidaten zu erfragen. Mehr nicht. Es ist inzwischen in fast allen Lebensbereichen üblich, dass bei einer wichtigen Personalentscheidung auch jene gehört werden, die es betrifft, selbst wenn sie kein Stimmrecht haben. Warum ist das für den Vatikan ein derart unüberwindliches Problem? Will man in Rom selbst dieses winzige Häppchen klerikaler Macht nicht abtreten? Will Rom auf diesem Weg zeigen, was es vom Synodalen Weg hält? Wäre es wirklich nicht möglich, die bestehende Regel dahingehend zu auszulegen, dass die ausgewählten Laien vorübergehend in der päpstliche Geheimnis einbezogen werden?
Möglicherweise fürchtet der Papst, dass sich die wählenden Domkapitulare in ihrer Wahlfreiheit behindert oder beeinflusst sehen, wenn vorher Laien um ihre Einschätzung gebeten werden. Aber das sind Spekulationen, denn offiziell steht das Paderborner Domkapitel hinter der Laienbeteiligung. Eine Lösung könnte zum Beispiel darin bestehen, dass sich der Vatikan und die Preußenkonkordat-Länder darüber verständigen, was unter „geheimer Wahl“ zu verstehen ist und ob dazu das päpstliche Geheimnis einzuhalten ist. Dass die Länder Bedenken gegen eine Laienbeteiligung haben, scheint unwahrscheinlich.
Der Ball liegt beim Papst
Der Ball liegt also trotz aller Verweise auf die Länder im Spielfeld des Vatikans. Die Laien hingegen wollen sich nicht mehr abspeisen lassen und werden deutlich. „Wir erwarten von dem neuen Erzbischof in Paderborn und den Bischöfen in Deutschland, gemeinsam mit den Bundesländern nach Lösungen zu suchen“, fordert Diözesanvorsitzender des Paderborner Kolpingwerks Winfried Henke. „So muss der in Paderborn begonnene Beteiligungsprozess zukünftig weitergeführt werden und in anderen Bistümern zur einer stärken Beteiligung von Laien bei der Wahl des Diözesanbischofs beitragen.“