Zum Girls’ Day „Ich werde Chefin“ erzählen drei Unternehmerinnen aus dem Handwerk ihre Geschichte. Diese Hürden mussten sie meistern.

Die Malermeisterin

Vivien Kleinau steht mit farbbefleckten Turnschuhen, weißer Arbeitshose und Kapuzenpulli bekleidet am Heck eines Kleintransporters und räumt Farbeimer, Pinsel und Folien um. Auf der Seite des Fahrzeugs steht deutlich sichtbar „Drei Pinsel“ bunt unterlegt. Drei Pinsel – das ist der Betrieb der Malermeisterin, mit dem sie sich 2017 in Dortmund selbstständig gemacht hat. Damit gehört die 30-Jährige zu den 27,3 Prozent der Frauen, die inzwischen im Handwerkskammerbezirk Dortmund einen Betrieb führen. Besonders auffällig dabei: Die meisten Unternehmen im Handwerk im Bezirk Dortmund, die 2022 von Frauen gegründet wurden, waren im Bereich Kosmetikhandwerk, Fotografie oder Gebäudereinigung. Dagegen sticht Vivien Kleinau mit ihrem Malerbetrieb heraus. Aber wieso hat sie sich überhaupt für einen handwerklichen Beruf entschieden? „Ich bin durch Zufall ins Handwerk gestolpert“, lacht sie. Eigentlich habe sie eine Ausbildung zur Floristin anfangen wollen, durch ein zufälliges Praktikum wurde es dann aber der Malerbetrieb.

In ihrem Team haben alle eine Chance

Trotz aller Leidenschaft für ihren Beruf erinnert sie sich aber nicht gerne an die Ausbildung zurück. „Die Zeit war nicht schön, aber da musste ich durch. Das hat mich stärker gemacht.“ Während ihrer Ausbildung habe sie viel mit Vorurteilen gegenüber Frauen im Handwerk zu kämpfen gehabt, sei schlecht behandelt und gedemütigt worden. Deshalb sei früh klar gewesen, dass ihr Weg in die Selbstständigkeit geht. „Ich wollte den Männern im Handwerk zeigen, dass wir auch was erreichen können“, sagt sie. Ihr sei es besonders wichtig, dass sich in ihrem Team alle Angestellten wohlfühlen und eine Chance haben, egal ob Frauen, Männer, Menschen mit Handicaps. „Ich will hier keinen 0815-Kerl. Wenn, dann soll der in mein Team passen, ich brauche etwas Außergewöhnliches“, stellt sie klar. „Es trauen sich aber Gott sei Dank auch immer mehr Frauen ins Handwerk. Es ist ein bisschen angekommen, dass Frauen keine Seltenheit mehr und wir auf Augenhöhe mit den Männern sind“. Um das auch der nächsten Generation zu zeigen, nimmt sie mit ihrem Betrieb bereits zum dritten Mal am Girls’ Day teil.

Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) lädt mit der Aktion „Ich werde Chefin“ Schülerinnen ab der achten Klasse ein, den Girls’ Day mit einer Unternehmerin aus der Region zu verbringen. „Schon seit 20 Jahren soll der Girls‘ Day Schülerinnen an Berufe heranführen, in denen Frauen bislang unterrepräsentiert sind“, erklärt die SIHK. Dabei gehe es darum, jungen Mädchen und Frauen Berufe näherzubringen, in denen Frauen mit weniger als 40 Prozent vertreten sind. „Ich möchte Frauen das Handwerk zeigen und, dass man sich nicht fürchten muss vor den großen, bösen Jungs auf der Baustelle. Die Mädels lernen was fürs Leben und ich kann ihnen meinen Beruf nahebringen“, sagt Vivien Kleinau.

Die Geschäftsführerin

Leidenschaft für den Beruf hat auch Kirsten Wolf. Gelegen in einem kleinen Industriegebiet in Lüdenscheid-Brügge befindet sich der Hauptsitz der DWL-WOLF GmbH, einem Zulieferer für die Stahl- und Gießereiindustrie, deren Geschäftsführerin sie seit 2022 ist. Gegründet wurde die Firma 1978 „von meinem Schwiegervater“, erklärt Wolf. Sie habe zwar Lehramt studiert, sei aber „früh in die Industrie gewechselt“ – zuerst mit Buchhaltung, dann sei Personalarbeit dazu gekommen. „Ich habe auch damals schon für DWL gearbeitet, später aber auch für andere Unternehmen. Ich bin vom 400-Euro-Job, über Teilzeit dann zur Vollzeit gekommen. Irgendwann habe ich gesagt: Ich will jetzt was Eigenes. Mein Mann hat dann vorgeschlagen, dass ich in seiner Firma mit einsteige.“

Kirsten Wolf ist Geschäftsführerin von DWL-Wolf, einem Zulieferer für die Stahl- und Gießereiindustrie, aus Lüdenscheid.
Kirsten Wolf ist Geschäftsführerin von DWL-Wolf, einem Zulieferer für die Stahl- und Gießereiindustrie, aus Lüdenscheid. © Unbekannt | Lara Förster

Dieser Schritt sei eine gute Entscheidung gewesen, sagt sie heute. Die Geschäftsführung teilt sie sich mit ihrem Mann Andreas. „Wir haben uns auch die Aufgaben etwas aufgeteilt. Ich mache die Buchhaltung, Personal und den Einkauf.“ Die Zusammenarbeit mit ihrem Mann funktioniere „noch besser als gedacht. Die gemeinsame Arbeit macht Spaß. “

Als Kirsten Wolf vom Konzept des diesjährigen Girls‘ Days „Ich werde Chefin“ erfuhr, war sie sofort begeistert. „Ich habe uns da sofort angemeldet“, erzählt sie. Zusammen mit ihrem Sohn habe sie auch ein Programm für die Mädchen erarbeitet, die den Betrieb besuchen werden. Was Kirsten Wolf jungen Frauen mitgeben möchte, die überlegen ins Handwerk zu gehen? „Das Leben ist nicht planbar und Chancen muss man ergreifen“, sagt sie. Obwohl sie in einer männerdominierten Branche arbeitet, habe sie sich immer wohl gefühlt. „Solche Kategorisierungen habe ich gar nicht im Kopf“, sagt Wolf. „Ich habe noch nie das Gefühl gehabt, dass ich anders behandelt werde, nur weil ich eine Frau bin.“

Die Bauingenieurin

Auch Merle Müller weiß, was es heißt, in einem handwerklichen Betrieb den Überblick zu bewahren. Denn sie ist seit 2016 geschäftsführende Gesellschafterin des Soester Familienbetriebs Zimmerei Müller, den es bereits in fünfter Generation gibt. „Ich war eigentlich immer mit dem Handwerk in Berührung, mir war das nie fremd“, erklärt sie ihre Berufswahl. „Schon in Kindertagen“ und auch in ihrer Jugend habe sie immer Kontakt zum Familienbetrieb gehabt und dort ausgeholfen. Daher war für die studierte Bauingenieurin und Architektin immer klar, in welche Richtung es beruflich gehen soll.

Zimmerei Müller in Soest mit Geschäftsführerin Merle Müller.
Zimmerei Müller in Soest mit Geschäftsführerin Merle Müller. © FUNKE Foto Services | Patricia Geisler

Und in dem Bereich fühlt sie sich pudelwohl, wie man ihr sofort anmerkt. „Für mich war immer klar, dass ich etwas Selbstbestimmtes machen möchte, ich hatte nie Angst vor den Pflichten und der Verantwortung“, erklärt sie. Dass sie ihren Platz in einer vermeintlichen Männerdomäne gefunden hat, damit hat Merle Müller nach eigener Aussage nie Probleme gehabt. „Ich habe das Gefühl, dass mit den männlichen Kollegen alles auf Augenhöhe ist“, stellt auch sie fest. Gerade in den letzten Jahren habe sie viele Geschäftsführer der nächsten Generation oder Firmengründungen mit jüngeren Kollegen in der Geschäftsführung wahrgenommen, die auch gerne Tipps einer weiblichen Kollegin annehmen. „Bei der älteren Generation ist das Schubladendenken noch eher verankert, auch wenn die das nicht böse meinen. Die stellen dann eher Fragen oder sind überrascht von meiner Fachkompetenz. Das macht die jüngere Generation aber gar nicht.“

Vorbilder schaffen

Grundsätzlich falle ihr aber eins auf: „Es verbessert sich alles, aber die Baubranche ist überhaupt nicht divers.“ Das Handwerk habe noch einen männlichen Stempel. Gerade im Nachwuchsbereich sei das auch deutlich spürbar. Denn für die Ausbildungsberufe Tischler, Maurer oder Zimmerer im Familienunternehmen bewerben sich fast ausschließlich Männer. Das belegen auch Zahlen der Handwerkskammer Dortmund, aus denen hervorgeht, dass in der Stadt Dortmund beispielsweise aktuell nur rund 15,2 Prozent Frauen eine Ausbildung im Handwerk absolvieren. Generell würden Frauen, die handwerkliche Berufe ergreifen möchten, noch viel mit Vorurteilen konfrontiert. Deshalb sei es wichtig, Vorbilder zu schaffen und Frauen den Rücken zu stärken. Denn Merle Müller weiß auch: „Wenn Frauen sich bewerben, dann haben die sich das wegen der ganzen Hürden und Vorurteile zehn Mal überlegt und wollen das wirklich machen.“

„Handwerk ist hier auch Frauensache“

Dieses Siegel soll Mädchen und Frauen den Einstieg ins Handwerk erleichtern. Betriebe, die Mitglied des Bundesverbands UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) sind, können an dessen Kampagne teilnehmen. „Das Siegel soll jungen Frauen zeigen, dass es im Unternehmen eine Ansprechpartnerin für sie gibt“, erklärt Tatjana Lanvermann, Bundesvorsitzende des UFH. „Außerdem zeigt der Betrieb so, dass er offen für Frauen ist und ausdrücklich sagt: ‚Wir möchten Frauen ausbilden und dass es mehr Frauen im Handwerk gibt.‘“ Das Siegel komme bei jungen Frauen gut an.
Bereits 100 Betriebe haben das Siegel in Deutschland erhalten, etwa 20 davon in NRW.