Menden. Sechs NRW-Mannschaften spielen in der bundesweit einmaligen Liga für Übergewichtige. Darunter eine aus dem Sauerland. Was die Kicker motiviert

Die Mannschaftskameraden feixen, als Andreas Werner das Vereinsheim von DJK Grün-Weiß Menden 1931 betritt. „Da kommt ja Dr. Chancentod“, sagen sie und locken bei dem 40-Jährigen ein herzhaftes Lachen hervor: „Das wird sich jetzt ändern. Ich habe mir neue Fußballschuhe gekauft.“

Werner will es wissen. Der Saisonauftakt der „Pfundskerle Menden“ ist mit einer 3:8-Schlappe gegen die „Big Boys“ aus Oberhausen-Buschhausen in die Hose gegangen. Werner hat offenbar einige Hochkaräter ausgelassen.

Zweites Saisonspiel unter Flutlicht

Am Montagabend (24. April) soll es anders sein. Unter Flutlicht empfangen die Sauerländer die „Heavy Kickers“ aus Selm-Bork. In einem Testspiel vor Wochen hagelte es eine 1:12-Niederlage.

Lukas Mackenbruck auf dem Sportplatz von DJK Grün-Weiß Menden im Stadtteil Schwitten.
Lukas Mackenbruck auf dem Sportplatz von DJK Grün-Weiß Menden im Stadtteil Schwitten. © FUNKE Foto Services | simon thon

„Wir wollen am Montag ein Tor schießen“, sagt Andreas Werner vor dem Abschlusstraining augenzwinkernd. Wenn nicht, wird für das Team die Welt nicht untergehen. „Wir haben seit unserer Gründung vor einigen Monaten so viel Spaß gehabt“, sagt Werner.

Sechs Mannschaften in der Liga

Die „Pfundskerle Menden“ ist eine von sechs Mannschaften der „1. Übergewichtigen Fußball-Liga NRW“ (ÜFL). Voraussetzung, um mitzumachen: Body-Mass-Index ab um die 30.

Was soll das? Diese Frage ist Nils Kalthoff ein ums andere Mal entgegengeschlagen, nachdem die Gründung der bundesweit einmaligen Spielklasse bekannt gegeben wurde. Neben den Pfundskerlen, den Big Boys und Heavy Kickers sind die „Schweren Schwerter“, die „Borussia-Fans im Training“ (Dortmund) und die „Teutonia Vikings“ aus Waltrop dabei. Letztere werben online so: „Fußball ist für alle da. Bei uns kicken die Dicken!“

Von wegen Standfußball

„Die Liga ist eine ganz seriöse Sache“, sagt Kalthoff, Betreuer, Übungsleiter und Spieler bei den Pfundskerlen. Position: „Da, wo man mich braucht“. Bei den Zuschauern, die das erste Saisonspiel verfolgt hatten, sei schnell die Skepsis verflogen: „Es ging spielerisch und läuferisch ganz schön zur Sache. Von wegen Standfußball.“

Nils Kalthoff ist Betreuer bei den Pfundskerlen. Der Kader umfasst um die 20 Kicker aus den Mendener Stadtteilen zwischen 23 und 41 Jahren.
Nils Kalthoff ist Betreuer bei den Pfundskerlen. Der Kader umfasst um die 20 Kicker aus den Mendener Stadtteilen zwischen 23 und 41 Jahren. © FUNKE Foto Services | simon thon

Was unterscheidet eine Mannschaft von Übergewichtigen von einem „normalen“ Fußball-Team? Nils Kalthoff ganz trocken: „Bei uns brauchen wir nicht den Quoten-Dicken, der ins Tor geht.“

Sieben Feldspieler plus Torwart

Der Mendener prustet los und schildert die Regeln in der Schwergewichtsklasse: „Wir kicken mit sieben Feldspielern und einem Torwart pro Team zweimal 35 Minuten auf einem Halbfeld mit kleineren Toren und fliegenden Wechseln. Abseits gibt es nicht. Aber einen Schiedsrichter.“

Muss der denn häufig eingreifen? „Weil wir mehr Gewicht haben, sind wir schneller auf dem Boden“, lacht Lukas Mackenbruck (29), der wie Nils Kalthoff und Andreas Werner ein Mann der ersten Pfundskerle-Stunde ist. Er hat sich ebenfalls wie Torjäger in spe Andreas Werner neue Fußballschuhe gekauft. „Die musste ich mir in England besorgen“, sagt er, macht eine Kunstpause und erklärt: „Schuhgröße 50.“

Starker Zusammenhalt in der Truppe

Und wieder wird gefeixt in der munteren Runde im DJK-Grün-Weiß-Vereinsheim. „Es ist toll, dass ich die Typen kennengelernt habe“, schwärmt Mackenbruck von der Super-Stimmung und dem starken Zusammenhalt in der Truppe.

Der Mendener hatte den Aufruf zu einem Fußball-Team von Übergewichtigen bei Facebook gelesen („Du hast ein paar Kilo zu viel? Du möchtest mal wieder Fußball spielen?“). Ja, sagt der Familienvater, während der Pandemie habe das gesellschaftliche Leben gelitten. „Ich bin froh, hier wieder unter Leuten zu sein.“ Ein neuer Kick sozusagen.

Mit den neuen Fußballschuhen geht es nochmal so gut: Andreas Werner (40) in Aktion.
Mit den neuen Fußballschuhen geht es nochmal so gut: Andreas Werner (40) in Aktion. © FUNKE Foto Services | simon Thon

Das Training am Montag von 19.45 bis 21.30 Uhr ist zu einem Muss in seinem Wochenplan geworden. Die Ernsthaftigkeit zeigt sich auch daran, dass die Übungsstunden den Winter über stattfanden. Unter Flutlicht auf dem Kunstrasenplatz in Schwitten.

Mackenbruck hatte zuvor versucht, in einer Seniorenmannschaft Fuß zu fassen. „Es war schwierig, in die eingeschworene Gemeinschaft reinzukommen“, sagt er und berichtet vom Frust über lange Verweilzeiten auf der Ersatzbank.

Keiner wird ausgeschlossen

„Bei uns spielt jeder“, betont Betreuer Nils Kalthoff, „egal, wie der Leistungsstand ist.“ Das kommt auch Andreas Werner sehr entgegen – der mit den neuen Fußballschuhen. Er hatte 15 Jahre nicht mehr in einem Team gespielt und wollte bei den Alten Herren durchstarten. „Es war schwierig: Die etablierten Spieler wollten ihr Fußball-Leben langsam ausklingen lassen, ich wollte wieder anfangen.“

Bei den Pfundskerlen habe er die „perfekte Umgebung“ gefunden, schwärmt er. Und kann körperlich fitter werden – sein großes Ziel.

Seit Werner auf dem Sportplatz trainiert, stellt er sich auch wieder auf seine „intelligente Waage“ mit Body-Mass-Index-Angabe: „Ich habe bereits abgenommen und Muskelmasse aufgebaut“, sagt er, „ich merke deutlich: Der Einsatz bei den Pfundskerlen bringt etwas.“

Abnehmen durch mehr Bewegung

Sich mehr zu bewegen und gemeinsam abzunehmen: Das gehört zur Philosophie der 1. Fußball-Liga für Übergewichtige in NRW. „Es wird aber kein Mitspieler ausgeschlossen, wenn er zu viel Gewicht verliert und unter einen Body-Mass-Index von um die 29, 30 kommt“, erklärt Betreuer Kalthoff.

Den Statuten zufolge darf jedes Team zwei Normalgewichtige haben. „Die nennen wir Drahtis“, flachst Kalthoff einmal mehr, „bei uns werden die Dünnen gemobbt, nicht die Dicken.“

Anderer Name stand im Raum

Apropos „Dicke“: Fast wären die Pfundskerle jetzt „Dicke Sauerländer“. „Der Name stand im Raum“, sagt Kalthoff, „er ist lustig und schafft Aufmerksamkeit. Aber er könnte negative Assoziationen wecken.“

Also hat man Pfundskerle gewählt: „Der Begriff ist doppeldeutig. Neben der Anspielung aufs Gewicht bezeichnet er großartige Menschen, auf die man sich verlassen kann.“ Kalthoff schaut in die Runde, es folgt kollektives Gelächter. Echt pfundig, diese Pfundskerle.