Werl. Pilgern verliert nicht an Attraktivität. Bei der Wallfahrt Werl gibt es viele neue Angebote, darunter eine Wallfahrt für Häftlinge.
Die Kirchenkrise scheint einen weiten Bogen um die Wallfahrt Werl zu machen. Mit vielen besonderen Ideen startet das Team von Wallfahrtsleiter Monsignore Dr. Gerhard Best in die erste Nach-Corona-Saison. Selbst Bischöfe wie Georg Bätzing pilgern nach Werl, um dort Kraft zu tanken. Das Pilgerkloster, vor einem Jahr eröffnet, bringt zusätzliche eine neue Dynamik in den Wallfahrtsbetrieb.
Dr. Gerhard Best und Wallfahrtsseelsorgerin Ursula Altehenger wollen möglichst viele verschiedene Pilger einladen, sich auf den Weg zu machen und entwickeln Angebote, die Spiritualität mit Gemeinschaftserfahrung verbinden. Dabei ist es unerheblich, ob dieser Weg nur einige Schritte beträgt, wie bei Angeboten für Senioren oder Menschen mit Einschränkungen, oder ob die Wallfahrer wie jene aus Much 125 Kilometer in drei Tagen zu Fuß zurücklegen. Traditionelle Prozessionen mit den Fahnen der Bruderschaften, Einzelpilger auf dem westfälischen Jakobsweg, Busgruppen, Pilger zu Fahrrad, ökumenische Motorradwallfahrer, Oldtimerpilger und Treckerpilger existieren in friedlicher Koexistenz. Dazu kommen Angebote für Kommunionkinder, die Großeltern-Enkel-Wallfahrt und die nächtliche Jugendwallfahrt mit Startpunkt unter anderem in Neheim. „Der Gedanke der Einheit in der Vielfalt geht jetzt häufiger durch die Medien, und ich freue mich, dass wir das in Werl leben können“, schildert Gerhard Best das gastfreundliche Prinzip. „Wir versuchen, die ganze Bandbreite darzustellen, von der klassischen Andacht mit Lichterprozession bis zum Taizé-Gebet und neuen Formaten.“
„Segen to go“
Zu den neuen Formaten gehört zum Beispiel der „Segen to go“, der bei der Velo Maria an diesem Wochenende erteilt wird. Ursula Altehenger: „Wir stehen den ganzen Nachmittag bis 17 Uhr auf dem Kreuzwegplatz, da kann man immer kommen, auch wenn man es zur Andacht um 14 Uhr nicht schafft. Am Sonntag spenden wir von nach dem Hochamt bis um 17 Uhr den Segen.“
Die aktuelle Kirchenkrise mit ihren Diskussionen macht natürlich vor der Wallfahrt Werl nicht Halt, viele Pilger bringen ihre Sorgen und Fragen mit. „Man braucht einen Ort, wo man den Streit und die Konflikte nicht hat“, schildert Ursula Altehenger die neue Rolle der Wallfahrt als Vertrauenszentrum. „Wir bekommen die Krise der Kirche schon deutlich mit und gleichzeitig versuchen wir, den Menschen das Positive zu geben, wir sehen auch Menschen, die den Glauben für ihr Leben brauchen.“ Und Pastor Best ergänzt: „Es kommen Fragen, aber es kommt auch der nächste Schritt, die Rückmeldungen, zum Beispiel: Wie schön ist es, dass wir uns hier Zuhause fühlen, wie schön, dass das hier erfahrbar ist, auch ganz praktisch, indem wir die Gemeinschaft aus der Liturgie mit in die Welt nehmen.“
Wallfahrt der Häftlinge
Erstmals wird es in diesem Jahr zudem eine Wallfahrt der Häftlinge im Erzbistum Paderborn geben, angeregt von den Gefängnisseelsorgern. „Mir persönlich ist noch ein anderer Aspekt wichtig: Wir werden wieder verschiedene kleine Gruppen von Menschen mit Behinderung begrüßen, das sind Mitbürger, die in unserer Gesellschaft oft vergessen werden. Gerade diese Gruppen liegen uns besonders am Herzen.“
Pilgern ist nichts, was sich von oben verordnen lässt. Das wird am Beispiel der Arper Wallfahrt besonders deutlich, die ihr 40-Jahr-Jubiläum feiert. „Hier ist bemerkenswert, dass die Leute aus dem Ort die Wallfahrt auf den Weg gebracht haben. Das ist für unsere Zeit ein wunderbares Beispiel, wie sogenannte Laien das Heft in die Hand nehmen und etwas Großes machen“, so Best. Ein weiteres wichtiges Jubiläum ist der 300. Geburtstag der traditionsreichen Sunderner Wallfahrt.
Trösterin der Betrübten
Im Mittelpunkt der Wallfahrt Werl steht das Gnadenbild der Muttergottes, eine Skulptur aus dem 12. Jahrhundert. Die Madonna mit Jesuskind trägt den Ehrentitel „Trösterin der Betrübten“, das ist eine Anrufung aus der Lauretanischen Litanei. „Der Titel Trösterin der Betrübten ist relativ abstrakt“, so Gerhard Best. Damit die Anrufung nahbarer wird, planen die Werler derzeit einen Trostweg im Klostergarten, mit Glasstelen der Künstlerin Martina Dörfler. Thema des Weges ist der Trauerprozess von der Klage bis zur Akzeptanz.
Pilgern ist immer Aufbruch. Bei der Wallfahrt Werl ist das vor einem Jahr eingeweihte Pilgerkloster ein Bild dafür, dass die Dinge in Bewegung kommen. Denn auch das Pilgerkloster im Gebäude des früheren Franziskanerklosters scheint ein Bedürfnis zu erfüllen: nach Spiritualität und nach Begegnung. Best: „Es hat mich auch ein bisschen überrascht, wie gut das angenommen wird, das ist ein Format, das für viele passt.“
Großes Interesse am Pilgerkloster
Nicht zuletzt deswegen weitet sich die Wallfahrt Werl inzwischen auf das Winterhalbjahr aus. Die tägliche Messe um 10 Uhr und die werktäglichen Beichtangebote garantieren ohnehin eine Verstetigung. Bischof Wiesemann aus Speyer besuchte vor einigen Tagen mit Seminaristen Werl und einer der Studenten fragte verblüfft: „Ist das hier immer so voll?“ Die Besucher aus Speyer forderten vom Wallfahrtsleiter drei Schlagworte. Die hatte Pastor Best mühelos parat: „Heimat. Trost. Gemeinschaft.“