Dortmund. Der Dortmunder Chico (42) gewann fast zehn Millionen Euro bei dem Lotto-Gewinnspiel „6 aus 49“. Warum er seinen Neureichtum zur Schau stellt.
Chico hat nur Zeit für ein Telefongespräch. Er ist unterwegs, ein vielbeschäftigter Mann, seit er zum Glückspilz der Nation wurde. Der 42-Jährige aus Dortmund meldet sich mit „Chico“, sein bürgerlicher Name spielt keine Rolle mehr, seit er alle Welt wissen lässt, dass er beim Lotto fast 10 Millionen Euro (exakt: 9.927.511,60 Euro) gewonnen hat. Seinen Neureichtum stellt er bereitwillig öffentlich zur Schau. Aus einem Kranführer mit Knast- und Kokainerfahrung wurde Lotto-König Chico. „Ich bin so berühmt wie Marco Reus und Cristiano Ronaldo“, sagt der Mann, der die Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte neu geschrieben hat.
Chicos Vater hat ihn aus der Türkei nach Deutschland geholt, als er zwölf war. Die Dortmunder Nordstadt wurde zu seiner neuen Heimat, hier in dem Problemviertel kam er diverse Male mit dem Gesetz in Konflikt und träumte davon, eines Tages ein besseres Leben führen zu können.
„Ich grüße jeden Menschen“
Dass sein Traum nach dem Lottogewinn in Erfüllung gegangen ist, davon erzählt Chico am Telefon ohne Punkt und Komma. Immer mal wieder muss er das Gespräch kurz unterbrechen („einen Moment mal bitte!“), weil Passanten ein Selfie mit ihm machen möchten. „Ich grüße jeden Menschen“, sagt er, „es soll keiner denken: ,der trägt jetzt aber die Nase hoch‘.“
Natürlich hat der Gewinnberater der Lottogesellschaft Westlotto im vergangenen Herbst lange auf ihn eingeredet, dass er um Himmels Willen seinen Lottogewinn für sich behalten solle. „Ich habe anschließend vier, fünf Tage darüber nachgedacht“, sagt Chico, und hat die eindringlichen Warnungen in den Wind geschossen.
Leben in der Dortmunder Nordstadt
Warum? „Ich hatte eine schlechte Vergangenheit“, sagt der 42-Jährige, „ich habe 15 Jahre meines Lebens mit Drogen weggeworfen.“ In der Nordstadt musste er sich täglich behaupten. Mehr als vier Jahre verbrachte er im Knast, auch weil er mit Diebstählen seinen Kokainkonsum finanzierte. „Ich war nie ein Krimineller“, sagt er, „habe nur unter Drogen Mist gebaut.“
Er muss viele Kränkungen in seinem Leben erfahren haben. „Beste Freunde haben mich als Junkie abgestempelt, als Bettler, der ich nie war“, sagt er und seine Stimme gewinnt an Lautstärke. „Die haben mich ausgelacht. Ich habe so eine Wut in mir. Denen zeige ich es jetzt.“
Ferrari und Luxusuhren
Vielleicht kann man es als eine Demonstration der Stärke bezeichnen, dass er einen Teil seines Gewinns schon auf den Kopf gehauen hat: 750.000 Euro für einen Ferrari, 300.000 für einen Porsche, heißt es, eine halbe Million für Schmuck- und Luxusuhren sowie mehr als 100.000 für Designer-Kleidung. Hinzu kommen kostspielige Fahrzeuge für Vater und Bruder. Einer TV-Doku zufolge könnte Chico in drei Monaten bereits 4 Millionen Euro verjubelt haben.
Gerade sucht er eine Penthouse-Wohnung am Phoenix-See, beste und teuerste Wohngegend in Dortmund. Für ihn ist es eine Herzensangelegenheit. In Sichtweite, in den Hallen von Hoesch, hat er einst als Kranführer gearbeitet. „Erst die Wohnung, dann will ich eine Familie gründen“, sagt er. Wir werden es erfahren, wie Chico sein Glück sucht.
Große Wut
Schon wird in Boulevardmedien spekuliert, wie lange noch das Geld vom Lottogewinn reicht. „Ich habe viele Neider“, sagt er, „die warten doch nur darauf, dass ich auf die Nase falle.“ Es brodelt wieder in ihm. „Den Gefallen tu ich denen nicht. Mein Lottogewinn hat mich stabil gemacht.“ Es sollen bloß alle wissen.
Und überhaupt: Er habe investiert, verdiene gutes Geld und habe viele Pläne, über die er aber wegen seines Exklusiv-Vertrages mit Stern-TV jetzt nicht am Telefon reden dürfe. Nur so viel: Der neue Held des Privatfernsehens hat eine Managerin und eine Assistentin an der Seite, die ihm dabei helfen sollen, Chico als Marke zu etablieren. Der Anfang ist gemacht: „Im Oktober hatte ich 40 Follower bei Instagram, jetzt sind es über eine Million.“ Und dann? „Mein großer Traum ist, ein Werbegesicht zu werden.“
Der Held der Straße
Hat ihn sein neues Leben verändert? Der Dortmunder Junge mit türkischem Pass muss nicht lange überlegen: „Nein“, schwört er, „ich bin immer noch ich. Und das bleibt auch so.“ Seine Stimme stockt für einen kurzen Moment: „Nur die Leute haben sich verändert.“ Es habe so manche Mitmenschen gegeben, die ihn vorher nicht mit dem Allerwertesten angeschaut hätten und jetzt auf einmal einen auf dicke Freunde machten, schildert er. „Ich durchschaue das“, sagt Chico. Der Held der Nordstadt ist auf der Straße durch die harte Schule des Lebens gegangen.
Bis er eine Penthouse-Wohnung am Phoenix-See gekauft hat, wohnt der Multimillionär weiter im Kinderzimmer der elterlichen Wohnung. „Es ist ganz klein“, sagt er, „ein Bett, ein Schrank. Das war’s.“ Und doch sei er bei seinen Eltern „der glücklichste Mensch“. Als Lottogewinner könne er ihnen ein bisschen zurückgeben: „Sie haben immer zu mir gestanden, obwohl sie mitansehen mussten, wie ihr Sohn kaputtgeht.“
Die Sonnenseite des Lebens
Kurz vor dem Abgrund hat sein trostloses Leben noch die entscheidende Wendung gemacht. „Es ist wie im Märchen“, sagt er, „vor eineinhalb Jahren saß ich noch im Knast und mir wurde mit Abschiebung gedroht.“
An seinem neuen Glück als Multimillionär will er auch Menschen teilhaben lassen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. „Solange ich Geld habe, werde ich helfen“, sagt er. Er spendet an Tafeln, Obdachlose, Erdbebenopfer und auch an Tierheime. Er tut Gutes und redet darüber: „Ich habe ein großes Herz und werde nie vergessen, dass ich früher selbst kein Geld hatte.“
So schnell, wie er am Telefon spricht, so rastlos scheint auch sein neues Leben zu sein. Er schlafe nachts wenig, sagt er, „ich will raus, draußen sein“. Dort kann er sich zumindest zu später Stunde kaum noch mit einem seiner flotten Flitzer sehen lassen, wie er erzählt: „Wenn ich über den Dortmunder Wall fahre, halten mich die Leute an und wollen ein Foto mit mir.“
Ein gelassenes Dankeschön
Die Luxusautos, die Rolex-Uhren, die Designer-Kleidung und der geplante Dubai-Urlaub: „Das ist nichts für jedermann“, sagt Chico und erzählt von dem Rentner, der ihn kürzlich unflätig beschimpft habe. „Früher hätte ich nach dem Gesetz der Straße gekontert“, sagt der 42-Jährige, jetzt hat er dem Mann ein gelassenes „Dankeschön“ hinterhergerufen. „Ich will ein Vorbild sein und möchte in Erinnerung bleiben als toller Mensch.“ Dann beendet er das Telefongespräch. Er muss wieder los. Bloß nichts verpassen.