Hagen. Macht, Sex und Gleichberechtigung: Das sind strittige Themen beim Reformprozess der katholischen Kirche. Was die Reformgruppen fordern.
Die 5. und letzte Vollversammlung des Synodalen Wegs beginnt am Donnerstag in Frankfurt. Dann entscheidet sich, ob der Reformprozess der Katholischen Kirche in Deutschland zukunftsfähig wird oder scheitert. Im Vorfeld gab es heftige Störfeuer aus Rom; die Deutsche Bischofskonferenz ist in der Frage uneins. Am Dienstag stellten Vertreter der kirchlichen Reformkräfte ihre Erwartungen an die Synodalversammlung vor.
Die Kritik der konservativen Kirchenmächte entzündet sich an drei Baustellen: Der Mitbestimmung von Laien, konkret der Gründung von synodalen Räten auf Bundesebene, Diözesanebene und Gemeindeebene. Obwohl diese Form der Beteiligung in einigen Bistümern bereits seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird, will Rom ihr in allen Erscheinungsformen einen Riegel vorschieben.
Zölibat und queere Ehen
Zweiter Stolperstein ist das weite Feld der menschlichen Sexualität, das vom vorehelichen Geschlechtsverkehr über die Segnung von homosexuellen und nicht binären Paaren bis zum Priesterzölibat viel Sprengstoff birgt.
Noch mehr Musik ist in den Diskussionen zu Frauen in Diensten und Ämtern. Die CDU-Politikerin Dr. Maria Flachsbarth erinnert für den Katholischen Deutschen Frauenbund und die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands daran, dass nicht die Reformgruppen den Synodalen Weg ins Leben gerufen hätten, sondern umgekehrt die Bischöfe selbst. In tiefer Not seien sie nach dem Schock der ersten Missbrauchsstudie um Hilfe bittend auf die Katholischen Laien zugegangen. Flachsbarth: „Wir akzeptieren nicht länger die bestehenden Machtverhältnisse, in denen Frauen nur, weil sie Frauen sind, von allen geistlichen Ämtern ausgeschlossen sind. Wir wehren uns gegen die strukturelle Misogynie der Kirche, die so viel Leid mit sich gebracht hat.“
Frauen haben es satt
Monika Humpert verweist für die Initiative Maria 2.0 darauf, dass „die derzeitige hierarchisch, monarchisch, klerikal verfasste Struktur der Kirche schlimme Formen von Machtmissbrauch, Verbrechen, Leid und Beschädigung bis zur Zerstörung von Leben“ ermögliche. „Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass sexueller, geistlicher und physischer Machtmissbrauch an allen Orten der Erde unter dem Dach und Mantel der aktuellen Kirchenstruktur stattfindet,“ sagt Monika Humpert.
Weiterhin sündig
Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initiative „Out in Church“ begrüßt das inzwischen geänderte kirchliche Arbeitsrecht, verweist aber darauf, dass kirchliche Angestellte sich seither in einer paradoxen Situation befinden: Als queere Mitarbeiter seien sie nun willkommen, „als queere Katholiken und Katholikinnen werden ihre Identitäten und Lebensformen aber weiterhin abgewertet und als sündig diffamiert. Wir sehen daher dringenden Änderungsbedarf in der Lehre.“
Die Missbrauchsverbrechen waren Anlass für den Synodalen Weg; mit dem Reformprozess sollten solche Taten für die Zukunft verhindert werden. Doch Johannes Norpoth sieht als Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz noch viel Lernresistenz bei den Oberhirten, trotz der großen Erkenntnisse der jüngeren Zeit zum Thema. Als Beleg führt Norpoth die Reaktionen der Bischöfe auf die jüngsten Rücktritte von konservativen Klerikern aus der Synodalversammlung an: „So lagen der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz vier Personalvorschläge zur Nachbesetzung vor, darunter zwei Mitglieder des Betroffenenbeirates bei der DBK. In geheimer Abstimmung und in Kenntnis der vorliegenden Personalvorschläge entschied sich eine – wenn auch knappe – Mehrheit der deutschen Bischöfe, die Plätze nicht nachzubesetzen.“
Dr. Edgar Büttner ist verheirateter Priester. Er kritisiert den „teilweise menschenunwürdigen“ kirchenamtlichen Umgang mit Priestern, die wegen einer Beziehung und/oder Vaterschaft aus dem Dienst ausscheiden müssen. „Mindestens ein Viertel der Priester in Deutschland würde den Zölibat nicht mehr wählen. Zwei Drittel der Priesteramtskandidaten verlassen das Seminar wegen des Zölibats. Gut 2000 Priester – nicht die schlechtesten – erhielten seit dem Konzil die Kündigung vom Bischof, zumeist, weil sie heiraten wollten.“
Dämme sind gebrochen
Für den Fundamentaltheologen Prof. Dr. Magnus Striet sind die Dämme, welche die Konservativen halten wollen, längst gebrochen. „Außerhalb von kirchlichen Mitarbeitern ist die katholische Sexualmoral völlig unbedeutend geworden. Interessanter ist die Frauenfrage. Wie lange fügen sich die Frauen noch?“. Striet konstatiert einen gravierenden Autoritätsverlust des Amtes, auch als Folge des Missbrauchsskandals. „Es wird jetzt transparent, dass eine Systemkollision stattfindet. Auch die Reformgruppen haben noch eine Bischofsanhänglichkeit. Aber das wird nicht funktionieren. Es braucht ein anderes, nicht so hierarchisch strukturiertes System von Kirche.“