Hagen. Sie sind zwischen 18 und 22 Jahre alt. Vier Angeklagte stehen in Hagen wegen einer Serie von teils gewaltsamen Überfällen vor Gericht.
Das Verlesen der umfassenden Anklageschrift war noch nicht ganz abgeschlossen, es lief die vorletzte Minute des über 15-minütigen Vortrags der Staatsanwaltschaft, da kam Unruhe im Gerichtssaal am Hagener Landgericht auf. Einer der vier Beschuldigten – mit Handschellen und Fußfesseln versehen, zusätzlich an einen Stuhl fixiert und mit Schutzhelm ausgerüstet – musste von drei der zwölf im Saal anwesenden Justizbeamten gebändigt werden. „Ganz ruhig, es ist alles gut“, rief der Vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz dem Angeklagten zu. Das half aber wenig.
Während die Wachtmeister den Angeklagten entschieden fixierten, kamen aus dem Zuschauerbereich Zwischenrufe, zwei Personen standen gar auf. Erst redeten Sicherheitsbeamten auf dieses Duo ein, dann ordnete Richter Weber-Schmitz an: „Ruhe da hinten!“
Kurze Zeit später war der erste Verhandlungstag in diesem Prozess, in dem es unter anderem um besonders schweren Raub in diversen Fällen geht, für die Öffentlichkeit beendet. Der Saal wurde geräumt, Gericht und Anwälte zogen sich zu Beratungen zurück. Und zu besprechen dürfte es einiges geben.
Vorwurf: Raubüberfälle mit Messern und Schusswaffen
Vier heute zwischen 18 und 22 Jahre alte Männer – drei Syrer und ein Marokkaner – müssen sich seit Mittwoch vor der 1. Großen Jugendstrafkammer am Landgericht Hagen verantworten, weil ihnen vorgeworfen wird, zwischen Januar und Juni 2022 in Lüdenscheid, Hagen und andernorts in unterschiedlicher Besetzung und teils mit unbekannten Mittätern Raubüberfälle begangen zu haben. In der Anklage ist von insgesamt neun Fällen die Rede, Beute: gut 16.000 Euro. Das klingt vergleichsweise bescheiden. Die Überfälle sollen aber zum Teil gewaltsam und bewaffnet über die Bühne gegangen sein.
So habe beispielsweise einer der Angeklagten, die in Untersuchungshaft in Wuppertal und Hagen sitzen und am Mittwoch vor Gericht von Arabisch-Dolmetschen unterstützt wurden, bei einem Überfall auf eine Spielhalle in Hagen einem Opfer ein Messer an den Hals gehalten. Auch von Schusswaffen ist in der Anklageschrift die Rede. Bei einer Kontrolle auf der A 40 an der deutsch-niederländischen Grenze sollen drei Angeklagte PTB-Waffen (Reizstoff-, Schreckschuss- oder Signalwaffen) mit sich geführt haben, ebenso einer ein anderes Mal in Lüdenscheid.
Zu den Tatorten gehören neben der Spielhalle in Hagen ein Juweliergeschäft, ein Schwimmbad, ein Paketshop, eine Tankstelle, ein Taxi oder ein Kiosk (alle in Lüdenscheid), zudem ein Fast-Food-Restaurant in Düsseldorf.
Psychiaterin beim Prozessauftakt dabei
Der zweite von insgesamt neun bis Februar angesetzten Verhandlungstagen ist für den 14. Dezember vorgesehen. Wie es dann insbesondere mit dem Angeklagten, der fixiert wurde und am Mittwoch die Unruhe im Gerichtssaal auslöste, weitergeht, ist eine der spannenden Fragen in diesem Prozess.
Der Beschuldigte soll dazu neigen, sich selber Schaden zuzufügen, während seiner Haft habe er seinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Dies seien Unmutsbekundungen gegen seine Inhaftierung. Wie das Landgericht Hagen erklärt, sei der Angeklagte aufgrund dieser Auffälligkeiten vorläufig begutachtet worden. Dabei seien keinerlei Anhaltspunkte entdeckt worden, die auf eine Schuldunfähigkeit oder eine Verhandlungsunfähigkeit deuten. Auch das könnte aber noch Gegenstand der Hauptverhandlung sein. Beim Prozessauftakt am Mittwoch war eine Psychiaterin anwesend.