Hagen. Melanie Schreiber spürt Dankbarkeit, wenn sie in einkommensschwachen Haushalten Tipps gibt, wie man Energie spart. Sie ist Stromsparhelferin.
Der große Duschkopf passt so eben in die Mess-Tüte. Ein Griff an den Hahn, und schon fließt das Wasser in Strömen. 8 Sekunden, 9, 10, stopp.
Melanie Schreiber (39) schaut auf die Markierungen: „8 Liter pro Minute“, sagt die Stromsparhelferin der Caritas in Hagen und blickt auf Robin Asbach, in dessen 70-Quadratmeter-Wohnung sie gerade einen Stromspar-Check durchführt. „Hier ist Sparpotenzial.“
Bei ihrem nächsten Besuch wird sie einen Sparduschkopf mitbringen, durch den nur 7 Liter pro Minute fließen. Kostenlos für den Mieter. Sie hat noch einen weiteren Tipp parat: „7 Minuten Duschen ist ok., fünf Minuten sind besser.“
Stromfresser Durchlauferhitzer
Robin Asbach (52) hört aufmerksam zu. Sein strombetriebener Durchlauferhitzer in der Küche sorgt für das heiße Wasser unter der Dusche. „Der Durchlauferhitzer ist die Hölle“, sagt er, „ein Stromfresser.“
Das bundesweite Projekt Stromspar-Check gilt für Haushalte mit geringem Einkommen. Berechtigt sind Bezieher von Sozialleistungen wie z.B. Hartz IV, Grundsicherung, Kinderzuschlag oder Wohngeld.
Das Konzept: Stromsparhelfer beraten Betroffene über das Energieverhalten und installieren ihnen kostenlos strom- und wassersparende Artikel („Soforthilfen“) wie LED-Lampen, schaltbare Steckerleisten für Computer und Fernseher, TV-Standby-Abschalter, Zeitschaltuhren, Thermostopps, Wasserstrahlregler und Spar-Duschköpfe im durchschnittlichen Wert von bis zu 70 Euro.
Als qualifizierte Stromsparhelfer fungieren frühere Langzeitarbeitslose. „Sie kommen bei den Mietern ehrlicher rüber“, erklärt Thomas Koslowski von der Hagener Caritas, „weil sie selbst schon die Erfahrung machen mussten, mit wenig Geld über die Runden zu kommen.“
Weniger Anfragen in der Pandemie
Einkommensschwache Haushalte in Hagen und im EN-Kreis können sich bei der Caritas in Hagen für einen Stromspar-Check melden. „Eigentlich müssten uns die Leute die Bude einrennen“, findet Thomas Koslowski.
Eigentlich. „So langsam erreichen uns wieder mehr Anfragen“, sagt Melanie Schreiber, „viele hatten in der Pandemie Angst, uns in die Wohnung zu lassen. Das wird sich ändern, wenn die Stromrechnungen kommen.“
Oft, ergänzt Koslowski, müssten zunächst Hürden überwunden werden. „Der eine oder andere hat Vorbehalte, einen Fremden in die Wohnung zu lassen, der dann auch noch kostenlose Einsparhilfen verspricht.“ Eine neue Erfahrung bei Menschen, denen im Leben nicht immer etwas geschenkt wurde.
Versteckter Stromfresser: Zu kalter Kühlschrank
Melanie Schreiber hat in Robin Asbachs Küche Platz genommen und drückt ihm ein Kühlschrankthermometer in die Hand. Ein zu kalt eingestelltes Gerät ist ein versteckter Stromfresser. Erhöht man die Temperatur von 7 auf 8 Grad, spart man schon erheblich.
Die ausgebildete Kindergärtnerin Melanie Schreiber erlebt häufig bei ihren Besuchen, wie sich ein Bewusstsein zum Energiesparen entwickelt. „Ich erinnere mich an eine Familie, die rund um die Uhr ihren Fernseher eingeschaltet hatte.“
Das Motiv: Angst vor Einbrechern. „Ich konnte vorrechnen, was das im Jahr kostet. Und sie davon überzeugen, dass eine Einbruchsicherung weitaus günstiger ist.“
Fernseher werden immer größer
Schon steht Melanie Schreiber in Robin Asbachs Wohnzimmer und misst den Energieverbrauch des Flachbild-Fernsehers. „Das Problem ist, dass die Elektrogeräte immer größer werden und sich die Fläche auf den Verbrauch auswirkt.“
Der oberste Wert auf ihrem Prüfgerät zeigt den Verbrauch in Kilowattstunden. Für viele Betroffene kein aussagekräftiger Wert. „Mit Euro-Angaben kann ich mehr anfangen“, sagt Asbach.
Neue Perspektive in der Arbeitswelt
Die Stromsparhelferin kann dann Modellrechnungen durch den Stromspar-Check präsentieren: Ein Haushalt kann im Schnitt 186 Euro pro Jahr (110 Euro Strom, 48 Euro Wasser, 28 Euro Heizenergie für Warmwasser) über die Lebensdauer der installierten Soforthilfen einsparen.
Melanie Schreiber war selbst langzeitarbeitslos und hat durch ihre Arbeit als Stromsparhelferin wieder eine Perspektive im Berufsleben bekommen. Sie weiß, dass sich die Lage vieler Haushalte angesichts der Preissprünge bei Strom und Lebensmitteln noch verschärfen wird.
„In manchen Wohnungen älterer Menschen finde ich noch Glühbirnen, weil sie sich kein LED leisten können“, erzählt sie. Dann tauscht sie die Leuchtmittel aus und spürt oft tiefe Dankbarkeit: „Manche sind zu Tränen gerührt.“
Info: stromspar-check.de