Das Theater Hagen war immer eine Bühne mit traditionell guter Bindung zum Publikum. Die geht jetzt verloren. Wie konnte das passieren?
Der Hagener Intendant Francis Hüsers hat 2017/18 von seinem Vorgänger ein Haus übernommen, das mit rund 180.000 Besuchern jährlich und 8500 Abonnenten zu den Bühnen mit dem besten Publikumszuspruch in NRW gehörte. Schon vor Corona stürzten die Zahlen ab.
Dafür werden von der Direktion viele Erklärungen angeboten, der demographische Wandel, die Bevölkerungsstruktur in Hagen mit vielen Migranten und armutsgefährdeten Menschen, die Pandemie. Doch damit allein erklärt sich nicht, warum weit über 100.000 Hagenerinnen und Hagener aus Mittelschicht und Arbeiterklasse dem Theater in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben.
Es ist ja nicht das Problem, dass man die Migranten nicht erreicht, sondern, dass man die Nicht-Migranten nicht mehr erreicht. Das legt die Frage nach dem Programm nahe. In Hagen wird Theater auf hohem Niveau gemacht. Allerdings funktioniert die Ästhetik der Inszenierungen häufig nicht.
Ein gravierender Punkt dürfte sein, dass Theater in Städten wie Hagen sich über das Wir-Gefühl in der Stadtgesellschaft verankern. Diese Identifikation lässt man nun bewusst oder fahrlässig schleifen. Der Ballettdirektor war in Hagen lange eine öffentlich präsente Persönlichkeit. Das Weihnachtsmärchen war in Hagen personell eng mit dem Haus verbunden; Intendant Norbert Hilchenbach hat es sogar zur Chefsache erklärt. Nun inszeniert eine Gastregisseurin das Märchen. Das wird sicher hochklassig, schafft aber keine Bindung.
Intendant Hüsers bringt sein Haus positiv in die überregionalen Schlagzeilen, zuletzt mit dem 9-Euro-Ticket, das als Beleg dafür angeführt wird, dass in einer Stadt wie Hagen das verfügbare persönliche Budget den Kulturgenuss häufig nicht hergibt. Doch diese gute Presse verkauft in Stadt und Region keine einzige Eintrittskarte. Es gibt neuerdings sogar einen angestellten Theaterbotschafter, den aber keiner kennt. Ricardo Fernando, Werner Hahn, Marilyn Bennett, Edeltraud Kwiatkowski hingegen waren Theaterbotschafter im besten Sinne des Wortes. Weil sie für ein Theater standen, das weit und breit Menschen ansprach. Dahin müssen sie wieder kommen am Theater Hagen.