Hagen. Warum das Hörbuch wieder im Trend ist und auf TikTok physische Bücher boomen. Jahreskonferenz beim Buchhandelsfilialisten Thalia.
Gegen den Branchentrend verzeichnet der Buchhandelsfilialist Thalia eine deutliche Umsatzsteigerung und baut seine Marktführerschaft aus. Das sagte Ingo Kretzschmar als Vorsitzender der Geschäftsführung am Dienstag bei der Jahreskonferenz des Hagener Unternehmens. Thalia ist mit eigenbetriebenen 370 Buchhandlungen sowie Kooperationspartnern Marktführer im deutschsprachigen Raum. Auch beim Ergebnis erwartet Kretzschmar positive Zahlen. In den drei Corona-Jahren hatte Thalia laut Kretzschmar im Ergebnis 65 Millionen Euro verloren.
Ingo Kretzschmar (43) ist seit Mai Vorsitzender der Geschäftsführung, er löste Michael Busch ab, der seither für die Gesellschafter spricht. „Ich bin stolz und freue mich, als Hagener Vorsitzender eines Unternehmens zu sein, das aus Hagen kommt.“
Thalia wertet seinen Erfolg als Ergebnis der konsequenten Omni-Channel-Strategie. Den Kunden soll es stationär und digital so komfortabel wie möglich gemacht werden, Bücher zu kaufen. Nach den Einbrüchen durch die Ladenschließungen im Lockdown konnte das stationäre Geschäft um 33 Prozent zulegen, das sind auf vergleichbarer Fläche 3 Prozent minus gegenüber Vor-Corona. Der Umsatz von Thalia in Deutschland hat erstmals die Milliarden-Marke übersprungen und liegt bei 1,1 Milliarden Euro, ein Zugewinn von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 47 Prozent zur Vor-Coronazeit.
Enge Verzahnung
Die enge Verzahnung der stationären und digitalen Geschäftsfelder hilft, die Kunden zu halten und neu zu gewinnen, selbst wenn die Besucherfrequenz in den Innenstädten sinkt. Das Online-Geschäft ist entsprechend erneut gewachsen, um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr und im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit sogar um 137 Prozent. Immer wichtiger wird für den Filialisten das Plattform-Konzept. Thalia bietet anderen Buchhandlungen Branchenlösungen in den Bereichen IT, Webshop und Beschaffung an und knüpft damit ein Netzwerk von 450 Buchhandlungen, 20 mehr als im vergangenen Jahr. 370 Buchhandlungen davon sind eigenbetrieben, das sind zehn mehr als im vergangenen Jahr. „Unser Ziel ist es, die Kunden innerhalb von zehn bis 15 Minuten in Kontakt mit einer Buchhandlung zu bringen“, so Kretzschmar.
Kontakt zu neuen Zielgruppen erhofft man sich von der Kooperation mit anderen Einzelhandelsbranchen. Thalia erweitert seine Verkaufsflächen, zum Beispiel durch Aktionstische und Buchregale in Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Textileinzelhandel; Baumärkte und Gartenmärkte sollen folgen. Rund 200 neue Standorte sind im letzten Jahr hinzugekommen. „Hier erreichen wir Zielgruppen, die nicht in eine Buchhandlung gehen.“
Die Verknüpfung von digital und stationär soll Frequenz in alle Kanäle bringen. So wird bereits jeder vierte Onlinekauf physisch in einer Filiale abgeholt, in den Buchhandlungen wiederum erweitern digitale Tools das Sortiment, etwa indem QR-Codes auf speziell für diesen Bereich kuratierte Websites führen.
Auf TikTok wird das Buch modern
Hinsichtlich der Sortimente beobachtet Thalia ein starkes Wachstum in Warengruppen, die eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Auf TikTok wird das physische Buch wieder modern. Und Vinyl wird wieder wichtig. Gleichzeitig erlebt das Hörbuch einen unerwarteten Boom. „Das Hörbuch ist ein Riesen-Zukunftsthema, da werden wir weiter investieren“, so Kretzschmar. Eine wichtige Zielgruppe sind junge Familien. Dem soll der Ausbau des Sortiments in Richtung Kinderbuch und Jugendbuch Rechnung tragen. Auch Spiele und Spielwaren im Sortiment bewähren sich, vor allem, da immer mehr klassische Spielwarenhandlungen in den Innenstädten aufgeben.
Thalia ist der größte Ausbilder der Branche. 560 junge Frauen und Männer lernen derzeit bei dem Filialisten; demnächst können sie sich auch als E-Com-Kauffrau oder -Kaufmann spezialisieren. Mit Blick auf die Zukunft engagiert sich Thalia in der Leseförderung. Kretzschmar: „Es ist extrem wichtig, dass wir neben den harten Facts als größter Buchhändler in Europa gesellschaftsrelevante Aufgaben wahrnehmen. Das Buch muss noch einen anderen Stellenwert bekommen.“ 140.000 Lesestartersets stellt der Buchhändler zur Verfügung und fördert zusammen mit der Stiftung Lesen die Ausbildung von Vorleserinnen und Vorlesern. „Lesen ist einer, wenn nicht der wichtigste Grundpfeiler für ein erfolgreiches Leben.“