Hagen. Leitzinssenkung der EZB kommt bei Banken der Region an. Warum Minuszinsen wegfallen, die Baukreditnachfrage stockt – es aber auch Hoffnung gibt.
Knapp eine Woche ist es nun her, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 0,5 Prozent angehoben hat. Ein gutes Zeichen ist das vor allem für Anleger und Sparer: Minuszinsen auf hohe Guthaben gehören der Vergangenheit an. Auf der anderen Seite bedeutet die Zinserhöhung aber auch: Kredite – zum Beispiel für Immobilien – werden teurer. Doch wie wirkt sich die neue Situation auf die Arbeit von Banken und Sparkassen in Südwestfalen aus? Eine Momentaufnahme aus der Region.
Sparkasse Wittgenstein
Die Sparkasse Wittgenstein (Bad Berleburg, Bad Laasphe, Erndtebrück) begrüßt die Entscheidung der EZB: „Wir haben schon darauf gewartet, dass der Leitzins erhöht wird und sind froh, dass es nun soweit ist“, sagt Sprecher Eberhard Kießler. Durch die Zinserhöhung müsse man Kunden mit hohen Einlagen nun nicht mehr mit Minuszinsen belasten. „Wir geben die Änderung der EZB sofort an unsere Kunden weiter. Schon seit vergangenem Mittwoch werden keine Minuszinsen mehr auf Guthaben erhoben.“
+++ Lesen Sie auch: Warum sich die eigene Solaranlage immer mehr lohnt +++
Doch es gibt eben auch die negativen Auswirkungen der Leitzinserhöhung: „Das Kreditgeschäft hat sich verändert“, sagt der Wittgenst-einer. Wo der Baukredit vor einigen Monaten noch mit nur rund einem Prozent auf zehn Jahre Laufzeit verzinst wurde, hat sich der Zinssatz nun auf 2,5 bis 2,7 Prozent erhöht. „Wir können da von einer Verdreifachung über die vergangenen Monate sprechen“, sagt Kießler.
Volksbank Sauerland
Verdreifacht haben sich die Zinsen auf (Bau-) Kredite auch bei der Volksbank Sauerland, die weite Teile des Hochsauerlandkreises umfasst. Lars Glindmeyer, Leitung Privatkunden und Baufinanzierung, zählt neben den gestiegenen Kosten für die Finanzierung eines Eigenheims auch weitere Faktoren auf, die das Kreditgeschäft in den letzten Wochen einschränkt: „Daneben haben wir ja auch noch die gestiegenen Kosten für Baumaterialien und steigende Nebenkosten. Viele Menschen überlegen es sich aktuell dreimal, ob sie wirklich ein Haus bauen wollen oder nicht.“ Das mache sich auch im Arbeitsalltag der Volksbank im Sauerland bemerkbar. Glindmeyer erklärt: „Vor einigen Monaten fiel die Entscheidung für einen Hausbau noch leichter.“
Sparkasse mitten im Sauerland
Dem pflichtet auch Peter Schulte, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse mitten im Sauerland, bei: „Es gibt schon einen spürbaren Unterschied. Die Leute sind vorsichtiger, was die Baufinanzierung betrifft. Das ist aber nicht ganz neu, sondern deutet sich schon an, seitdem die Inflation sehr hoch ist.“ Froh ist der Leiter der Sauerländer Sparkasse (Meschede, Schmallenberg, Eslohe und Finnentrop), private Großkunden nicht mehr mit Minuszinsen belasten zu müssen. „Das Geschäft war dort schon sehr mühsam, weshalb wir jetzt froh sind, dass der Schritt der EZB kam.“ Zinsen soll es bei der Sparkasse mitten im Sauerland nun bald auch wieder auf Festgeld-Anlagen geben, die über acht bis zehn Jahre laufen. „Da können wir schon wieder etwa einen Prozent Zinsen anbieten“, sagt Schulte. Ob und wann das auch für Sparbücher und Tagesgeldkonten gilt, würde aber in den kommenden Wochen noch intern beraten.
+++ Lesen Sie auch: WP-Webinar: Expertentipps zur Grundsteuererklärung +++
Deutsche Bank
Entfallen werden die Verwahrentgelte, wie Minuszinsen auf höhere Guthaben auch genannt werden, ebenfalls bei der Deutschen Bank. Das erklärte ein Sprecher auf Nachfrage dieser Redaktion. Was Aspekte wie das Kreditgeschäft in den Filialen in Südwestfalen anbetrifft, möchte das Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt jedoch keine Angaben machen.
Volksbank Eslohe
Gute Nachrichten für alle Sparer hat auch die Volksbank Eslohe. Vorstandsvorsitzender Dirk Schulte kündigt ebenfalls den Abschied von Minuszinsen an. Darüber hinaus soll es für Anleger zeitnah auch wieder Zinsen auf langfristige Finanzeinlagen geben. „Wir können uns durchaus vorstellen, dass es bald wieder einen kleinen Zins auf langfristige Anlagen geben wird“, sagt Schulte.
Einen deutlichen Einfluss auf das Kreditgeschäft spürt aber auch Schulte bereits: „Klar, bei einer Verdreifachung des Zinssatzes überlegen sich viele noch mal, einen Kredit aufzunehmen. Das spüren wir aber schon seit einigen Wochen. Die Nachfrage ist nicht mehr so hoch.“
Was sagt eine Finanzexpertin?
Stephanie Heise, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale NRW, kann die Zurückhaltung am Kreditmarkt verstehen. „Wenn ich vor einem halben Jahr einen Kredit von 500.000 Euro aufgenommen habe, musste ich bei einem Zinssatz von einem Prozent und zwei Prozent Tilgung über 10 Jahre eine Rate von rund 1200 Euro im Monat zahlen. Wenn ich das aktuell mache, muss ich mit über 2000 Euro monatlicher Rate rechnen. Das ist ein unglaublicher Unterschied.“Froh sind viele Anleger der Expertin zufolge aber darüber, dass höhere Spargelder nun nicht mehr mit Negativzinsen belastet werden. „Da gab es in den vergangenen Jahren viele Beschwerden, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben“, erklärt Heise.
Nur Grund zur Freude gibt es angesichts steigender Zinsen jedoch aus Sicht der Expertin trotzdem nicht. Und das hängt vor allem mit der hohen Inflation zusammen: „Auch, wenn es jetzt wieder Zinsen auf fest angelegtes Guthaben und Tagesgeld gibt, ist der Realzins durch die Inflation immer negativ. Wer längerfristig Geld anlegen möchte, sollte sich genau informieren und kommt meist am Kauf von Aktienfonds nicht vorbei.“
>> INFO: Zinsen steigen weiter
- Experten gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins in den kommenden Monaten noch einmal erhöhen wird, um der derzeit hohen Inflation entgegenzuwirken.
- Wer sich über Geldanlagen in Form von Aktienkauf informieren möchte, empfiehlt Finanzexpertin Stephanie Heise von der Verbraucherzentrale die Internetseite „Pantoffel-Portfolio“ der Stiftung Warentest.
- Ihr Tipp zum Thema Aktien-Anlage: „Ein möglichst breitgefächertes Portfolio verspricht zur Altersvorsorge das solideste Wachstum.“