Der Stoff aus dem die feuchten Träume sind: Der Ballermann-Schlager findet dafür Worte. Warum Frauen dabei nicht gut weg kommen.

Das sogenannte Stimmungslied ist eine Erfindung des deutschen Wirtschaftswunders. Die Texte spiegeln ein bis dahin nicht gekanntes pikantes Lebensgefühl, bleiben aber, „Bums Faldera“, vorerst sauber. Erst in den 1970ern kommen „1000 nackte Weiber“ auf die Männertoilette. Doch bei den neuen schlüpfrigen Liedern ist eines völlig klar: Sie haben ihren Ort. Man spielt sie auf Erwachsenenpartys, nicht auf Familienfesten. Entsprechende Schallplatten halten die Eltern unter Verschluss. Diese Dimension fehlt der Diskussion um den Ballermann-Schager „Layla“. Dabei wäre sie notwendig. Denn trotz eindeutiger Jugendschutz-Gesetze werden sogar auf Schulhöfen heute Lieder konsumiert, bei denen man nur hoffen kann, dass die Kinder sie nicht verstehen. Fast immer geht es darum, Frauen zu entwürdigen.

Bei „Layla“ diskutiert die Nation ein Verbot, das es gar nicht gibt. Drei Veranstalter von großen Volks- und Heimatfesten, die Stadt Würzburg, die St. Sebastianus-Schützen Düsseldorf und die Stadt Münster, haben ihre jeweiligen Schausteller gebeten, „Layla“ nicht zu spielen, weil sich der Text nicht mit ihren Werten vertrage und es sich um Familienveranstaltungen handele. Warum ist daraus ein so aufgeregter Kulturkampf geworden? Das liegt an dem Schlagwort „Verbot“. Auch wenn es nie ein Verbot gegeben hat, triggert alleine dieses Stichwort die Debatte derart, dass sich sogar der Bundesjustizminister einschaltet.

Texte nicht jugendfrei

Aber warum diskutiert die Gesellschaft nicht, ob Kinder und Jugendliche mehr Schutzzonen brauchen, in denen sie nicht von „10 nackten Friseusen mit feuchten Haaren“ belästigt werden oder von Texten, die vor Frauenhass und Gewaltverherrlichung nur so strotzen. In die Disco, dem natürlichen Habitat von Partyliedern, darf man ja auch erst ab 16, in Nachtbars, wo das passiert, was in „Layla“ besungen wird, sogar erst ab 18 Jahren.

Ballermann-Schlager beschreiben Männerphantasien. Sie wollen dezidiert unanständig sein, „versaut“ lautet das Fachwort in der Branche. Es geht darin um die willige Frau, gerne auch im Plural, und um Sexualpraktiken. Aber auch dem Trichtersäufer auf Mallorca ist klar, dass dies Phantasien sind. „Layla“ preist sich nicht selber an; ein Zuhälter ködert das erzählende Ich des Liedes mit seiner Sexarbeiterin, die natürlich schöner, jünger und g*ler sei als andere. Das Klischee von der Hure, die es nicht für Geld macht, sondern weil sie Spaß daran hat, ist so alt wie der käufliche Sex. Die Frau ist Objekt im Ballermann-Hit, ein Sexobjekt.

Aber Rosi?

Vielfach heißt es in der Debatte: Aber Rosi! Gemeint ist das Lied „Skandal im Sperrbezirk“ der Spider Murphy Gang von 1981. Der Textvergleich offenbart, dass beide Songs unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Spider Murphy Gang thematisiert Scheinheiligkeit und Doppelmoral, die unsichtbare Rosi mit der berühmten Telefonnummer ist kein Objekt, sondern das Subjekt der Erzählung. Im Liebeslied wird ebenfalls über Sex gesungen, teils sogar sehr direkt. Der Unterschied besteht immer in der Darstellung der Personen, von denen der Text handelt. Ist die Frau auf Augenhöhe? Ist sie Subjekt? Oder ist sie ein Stück Fleisch mit Geschlechtsmerkmalen?

Gewaltverherrlichung

Unter den singenden Frauen im Ballermann-Geschäft tummeln sich übrigens Pornodarstellerinnen. Die Lieder sind oft Pornos zum Hören. Manchmal und nur selten drehen Sängerinnen den Spieß aber um, so wie Möhre alias Mirja Boes mit ihren legendären „20 Zentimetern“.

Während am Ballermann über feuchte Träume gesungen wird, lassen Deutschlands Rapper alle Hemmungen fallen. Frauen sind hier grundsätzlich Huren, F*en oder Bitches (Miststücke). Als Mütter von anderen Männern gehören sie gef* - und als eigene Freundinnen gehören sie geschlagen und an den Herd. Rapper Finch (früher Finch Asozial) singt: „Eine Frau bleibt auf Ewigkeit ein Gegenstand.“ Selbiger Finch singt ebenfalls: „Trotz tausend Hämatome hast du Finchi noch nicht angezeigt. Es ist Kampfgeschrei, was nachts aus unserem Schlafzimmer dringt. Weil dank mir in deinem Gleitgel ein paar Glassplitter sind. Ach, du magst dit bestimmt, ja, ich kenn‘ doch meine Zaubermaus. Heulst ja auch vor Freude, wenn ich dir in deine Schnauze hau‘. Die Augen blau, kein Problem, dann schminkste dich halt.“ Diese Texte werden auf You Tube millionenfach geklickt. Finch selbst sagt in Interviews, es würde sich um Satire handeln.

Zum Glück geschlagen

Kinder haben problemlos Zugriff auf solche Titel. Wieso lässt unsere Gesellschaft sich ein Frauenbild bieten, das nicht nur unanständig ist, sondern zutiefst menschenverachtend? Was lernen junge Leute aus derartigen Texten? Dass Frauen zu ihrem Glück vergewaltigt und geschlagen werden müssen?

Zurecht mag man einwenden, dass „Layla“ in diesem Zusammenhang geradezu spießig anmutet. Weniger harmlos ist allerdings die daraus abgeleitete Frage: Warum verkaufen sich Lieder gut, in denen Frauen zu Objekten gemacht werden? Welche Bedürfnisse und Defizite bedienen sie?