Unna/Berlin. Happy End im Bundestag: Der Grüne Michael Sacher (Unna) zog ins Parlament ein, musste wieder Platz machen – und ist jetzt endlich doch dabei.

Man könnte in diesen Tagen Michael Sacher mit jedem Kalauer über Buchhändler kommen. In seiner derzeitigen Hochstimmung würde der 57 Jahre alte Buchhändler aus Unna nicht gequält lächeln, wenn man ihm sagte, dass ja wohl jetzt ein neues Kapitel in seinem Leben aufgeschlagen wird. Die Geschichte des grünen Kommunalpolitikers als verhinderter Bundestagsabgeordneter findet gerade ihr Happy End.

Nach der Bundestagswahl am 26. September 2021 schien der Kandidat Sacher einen Parlamentssitz sicher zu haben. Dann, nach drei Wochen, riss ihn eine Nachzählung aus allen Träumen – statt seiner durfte eine bayerische Parteifreundin nach Berlin. Doch jetzt profitiert der Westfale vom Wechsel des grünen Bundestagsabgeordneten Oliver Krischer an die Spitze des NRW-Umwelt- und Verkehrsministeriums. Als verbliebene Nr. 1 auf der Landesliste seiner Partei darf Sacher nachrücken. Für den Einzelhandelskaufmann sozusagen ein Märchen, wie es im Buche steht.

Letzte Sitzungswoche

Entsprechend vergnügt hat sich Michael Sacher am Montagmorgen in den Zug nach Berlin gesetzt. Die letzte Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause ist die erste Sitzungswoche für das bundespolitische Greenhorn aus Unna, das an seinem Wohnort zuletzt als grüner Ratsherr und Vizebürgermeister wirkte.

„So macht es mehr Spaß als im vergangenen Herbst“, sagt der einst verhinderte Parlamentarier, der nach dem amtlichen Endergebnis am 15. Oktober „zwei, drei schlimme Tage“ hatte. Er stürzte sich damals wieder in die Arbeit in seiner Buchhandlung („die ich gerne mache“) und hatte immer im Hinterkopf – „sehr spekulativ“, wie er gesteht –, dass es nach der NRW-Landtagswahl zu Personalverschiebungen von Berlin nach Düsseldorf kommen könnte. „Aber richtig gedämmert hat es erst bei mir, als am Freitag vorvergangener Woche die neuen NRW-Minister der Grünen bekannt wurden.“

Es geht Knall auf Fall

Seitdem ging es nach Sachers Worten „Knall auf Fall“: In seiner Buchhandlung musste quasi Plan B für Abwesenheiten des Chefs wiederaufgelegt werden, der bereits vor der Bundestagswahl für den Fall der Fälle kreiert wurde. Am vergangenen Donnerstag musste Sacher beim Landeswahlleiter in Düsseldorf erklären, dass er das Mandat annimmt. „Der Landeswahlleiter wiederum meldet der Bundestagsverwaltung: ,Passt auf, der Sacher kommt!‘“, schmunzelt der sehr aufgeräumte Neu-Parlamentarier, der am Dienstag an der Fraktionssitzung der Grünen teilnehmen will.

Am Mittwoch steht seine erste Bundestagsdebatte an. Der Neue als Hinterbänkler? „Ich weiß noch nicht, wo ich sitze“, sagt Sacher, „aber Sie können sicher sein, dass es für jeden Abgeordneten genug zu tun gibt.“

Sachers „Herzensthema“ ist die Kultur. Der gebürtige Dortmunder hofft, dass er sich in der grünen Bundestagsfraktion intensiv damit beschäftigen kann. Ob es klappt, wird sich in dieser Woche zeigen. „Als Nachzügler muss ich mir natürlich Themenbereiche suchen, in denen noch personell Platz ist.“

Bald auf Wohnungssuche

Apropos suchen: In der Kürze der Zeit hat Sacher noch nicht in die einschlägigen Immobilienportale wegen einer Wohnung in Berlin geschaut. Einen Vorgeschmack bekam er bereits bei der Hotelsuche für die erste Sitzungswoche. „In meiner Naivität haben mich die Preise durchaus überrascht. Als ich mich im vergangenen Herbst in Berlin aufhielt, waren die Hotels noch halbwegs günstig. Doch jetzt hat der Städtetourismus wieder Fahrt aufgenommen, und es ist Ferienzeit.“ Sagt’s und grinst: „Im Adlon ist wohl noch eine Suite frei.“

Wie ein König

Wenn man so will, fühlt sich Sacher in diesen Tagen wie ein König. Er will sich einbringen im politischen Berlin, will mitgestalten und Dinge für die Menschen bewegen. Sein Zug aus Westfalen ist nach dreieinhalb Stunden Fahrt in der Hauptstadt angekommen. Selbstverständlich hat der Buchhändler in der Bahn ein Buch gelesen. Irgendwie passt der Titel für einen Neu-Parlamentarier: „Von einem Sohn dieses Landes.“

Es sei die Neuausgabe von Essays des US-Schriftstellers James Baldwin, erklärt Michael Sacher: „Er ist immer noch einer der spannendsten Autoren zum Thema Antirassismus.“