Hagen. NRW-Ferienstart: Wie der Immunologe sich für Reisen schützt, warum der Sauerland-Hotelier freiwillig strenger ist. Und die Übersicht der Kreise.

Er ist der Mann, der der TV-Nation in den Tagesthemen oder bei „Hart aber fair“ die Folgen von Coronavirus und Impfungen erklärt. Doch auch ein Experte wie Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut der TU Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hat ein Privatleben. Und als Privatmann treiben den 51-Jährigen die gleichen Themen um wie Tausende andere Bürger, die derzeit mit Bangen auf die steigenden Corona-Inzidenzen schauen. „Meine Familie und ich wollen in zwei Wochen in Urlaub fahren“ sagt Watzl. „Wir verhalten uns derzeit sehr vorsichtig, damit wir nicht noch in den Tagen vor der Reise infiziert werden.“ Da tun auch viele andere. So kurz vor den Sommerferien ein Rundumblick. Was sagt ….

… die rechtliche Lage

Die ist aktuell eindeutig. Mindestens bis nächste Woche Donnerstag, 30. Juni, wird noch die derzeitige Corona-Testverordnung gelten. Und die besagt: Wer positiv getestet ist, muss zehn Tage in Quarantäne, kann sich aber nach fünf Tagen freitesten. In NRW ist hierfür weiterhin ein negativer offizieller Corona­schnelltest in einem Testcenter oder ein PCR-Test (negativ bzw. mit einem Ct-Wert kleiner als 30) erforderlich. „Ein Coronaselbsttest ist nicht ausreichend“, stellt das NRW-Gesundheitsministerium klar.

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... der Immunologe

Die Infektionszahlen steigen derzeit stark, analysiert Immunologe Carsten Watzl. „Es geht jetzt nicht mehr darum, Infektionen in der breiten Bevölkerung zu verhindern, sondern gezielt schwere Erkrankungen. Wer drei Mal geimpft ist und ein funktionierendes Immunsystem besitzt, braucht keine große Angst mehr vor diesem Virus zu haben.“ Es seien milde Verläufe zu erwarten. Gleichwohl: „Die grippeähnlichen Symptome können einen Erkrankten durchaus eine Woche ans Bett fesseln.“

Der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl im Labor. Er hat keine generellen Bedenken gegen Reisen, mahnt aber zur Vorsicht
Der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl im Labor. Er hat keine generellen Bedenken gegen Reisen, mahnt aber zur Vorsicht © dpa | Unbekannt

Ohnehin empfiehlt Watzl eindringlich: „Der Respekt vor dem Virus sollte weiter erhalten bleiben.“ Daher gelte es immer abzuwägen: „Wenn junge Leute im Urlaub eine Disco besuchen und sich infizieren, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht schwer an Covid 19 erkranken, allerdings sollten sie bei der Rückkehr an Risikogruppen in der Familie denken – also sich beispielsweise vor dem Besuch der Großeltern testen lassen.“

Und natürlich: Positiv Getestete sollten sich nicht in ein Flugzeug oder in eine Bahn setzen. Dass mit Blick auf die Ferien derzeit viele Familien verunsichert sind, ist für den Immunologen verständlich: „Die Gefahr ist aktuell groß, dass man wegen einer Corona-Infektion seine Urlaubsreise kurzfristig nicht antreten kann.“ Carsten Watzl und seine Familie wollen reisen, bleiben aber vorsichtig: „Bei größeren Menschenaufläufen oder beim Einkauf im Urlaub werden wir Masken tragen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Maske als Infektionsschutz sehr gut funktioniert.“

... der Sauerland-Hotelier

Edouard Leenaert war selbst schon betroffen. In den Osterferien musste der Hotelier sein Landhotel Grimmeblick im Winterberger Ortsteil Elkeringhausen zwei Wochen lang schließen, weil die Familie an Covid-19 erkrankte. Jetzt im Sommer kann der 61-Jährige die Verunsicherung der Urlauber am Buchungsverhalten ablesen: „Die Stornos nehmen kurz vor Ferien-Start zu. Angesichts der steigenden Infektionszahlen überwiegt bei vielen die Angst vor Ansteckung.“ Schuld daran seien auch die vielen „Spreader-Events wie Schützenfeste oder Festivals“, bei denen sämtliche Corona-Beschränkungen gefallen seien.

Edouard  Leenaert, Hotelier aus Winterberg gehört klar zum „Team Vorsicht“, in seinem Haus gelten weiter strenge Regeln
Edouard Leenaert, Hotelier aus Winterberg gehört klar zum „Team Vorsicht“, in seinem Haus gelten weiter strenge Regeln © WP | Marco Kraft

„Das Virus rast ungehindert herum, es breitet sich aus“, sagt der Belgier mit dem niederländischen Pass und kritisiert offen seine Branche: Zu viele Hoteliers gingen zu sorglos mit den steigenden Inzidenzen um. In seinem Hotel werde nach wie vor mit viel Vorsicht gearbeitet: „Das Personal trägt Maske, die Zimmer werden regelmäßig mit UV-Licht behandelt und erst nach 48 Stunden neu vermietet. Die sechs Angestellten werden alle drei Tage getestet.“ Viele Stammgäste goutieren laut Edouard Leenaert seine strengen Corona-Maßnahmen, die auf der Homepage des Hotels angesagt werden. „Für die Touristen, die vor allem aus dem Ruhrgebiet kommen und oft unaufgefordert ein Testergebnis vorlegen, spielt Sicherheit immer noch eine große Rolle.“

... der Reisebüro-Besitzer

Der Arnsberger Reisebürokaufmann Ernst Hochstein kann die Reiselust der Bürger ablesen – und zwar seit Monaten anhand der Buchungszahlen insbesondere für klassische Urlaubsziele am Mittelmeer, die fast schon wieder Vor-Corona-Niveau erreichten. Doch was der Geschäftsführende Gesellschafter der Reiseagentur El Mundo in Neheim aktuell auch bemerkt: „Mindestens ein Mal am Tag ruft ein Kunde an und erzählt, dass er seine Reise wegen einer Coronainfektion nicht antreten kann.“ Gut in einem solchen Fall, wenn der Kunde bei der Buchung eine Reiseversicherung mit Covid Zusatzschutz oder einen Flex-Tarif abgeschlossen hat. „Wir empfehlen dies sehr.“

... der Finca-Vermieter

Frank Gautzsch aus Wetter vermietet Fincas auf Mallorca.
Frank Gautzsch aus Wetter vermietet Fincas auf Mallorca. © WP - Wetter | Nadine Przystow

Mallorca ist bereits vor Jahren die neue Heimat des Wetteraners Frank Gautzsch geworden, der ländliche Fincas im Norden der Insel vermietet. Das Wort Corona ist dort aus dem Wortschatz gestrichen worden, seit Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez im März verkündet hat, fortan eine Coronainfektion wie eine Grippe zu behandeln und Schutzmaßnahmen aussetzte. Wenn viele Menschen zusammenkommen, trägt Gautzsch aber weiter eine Maske. „Auch wenn ich dann in der Minderheit bin.“ Was ihm zu schaffen macht: die Rückkehr des Ballermann-Tourismus: „Es ist traurig. Hoteliers und Gastronomen an der Playa de Palma hatten mehr Qualität versprochen. Seit drei, vier Wochen sind die Vorsätze dahin: Jetzt geht es so ungehemmt zu wie vor der Pandemie.“ Das Problem: Spätestens im Flugzeug sitzen die Partygänger zwischen anderen Urlaubern.

>> HINTERGRUND: Hoche Werte im Märkischen Kreis und Hochsauerland

  • Die Sieben-Tage-Inzidenz hat lange nicht mehr die Aussagekraft wie zu Pandemie-Beginn. Gezählt werden durch PCR-Tests bestätigte Fälle, wie hoch die Dunkelziffer derer ist, die sich nach positivem Schnelltest selbst in Quarantäne begeben, ist unklar.
  • Gleichwohl wird klar: Die Zahl der Infektionen ist im Regierungsbezirk Arnsberg (mit Ausnahme des Ennepe-Ruhr-Kreises) gestiegen – teils sogar sehr stark. Besonders betroffen: der Märkische Kreis und der Hochsauerlandkreis.
  • Aber auch dort ist die Lage auf den Intensivstationen relativ ruhig. Maximal zehn Prozent der Intensivbetten sind im Regierungsbezirk mit Covid-Patienten belegt, im Kreis Olpe und im EN-Kreis gibt es aktuell keine Covid-Intensivpatienten.