Olpe. Wahlkampf schweißt zusammen, sogar die Unions-Granden Hendrik Wüst, Friedrich Merz und Markus Söder, die in Olpe gegen die Störenfriede anreden.

Als alles vorbei war, als die Nationalhymne unfallfrei gemeinsam gesungen war und die drei Granden der Union den Olper Marktplatz schon verlassen hatten, da harrten einige Besucher am Montagabend noch aus. Zwei ältere Herren in Daunenjacken zum Beispiel. Wie ist das Votum des Volkes? Wer war am besten? „Unser Friedrich“, sagt der Mann in der roten Jacke und reckt den Daumen hoch für Friedrich Merz, den Bundesvorsitzenden der CDU aus dem Sauerland.

Rückhalt bröckelt selbst im Sauerland

Der ist an diesem Montag zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und seinem NRW-Pendant Hendrik Wüst ins Sauerland gekommen. CDU-Land, eigentlich. Aber der Rückhalt bröckelt. Deswegen bietet die Union knappe zwei Wochen vor der Landtagswahl alles auf, was Rang und Namen hat, um die Stammwähler zu mobilisieren.

In schwarzen Limousinen und Vans reisen die Herren aus Köln von einem Treffen der Präsidien an. Söder ist als erster vor Ort, Wüst folgt und wird schon verkabelt, während Merz vorfährt. Mit einigem Abstand zueinander bahnen sie sich den Weg zur Bühne, eskortiert von zahllosen riesigen, bärtigen Typen mit Nacken wie Sportwagenschnauzen.

Reise in die Ukraine muss warten: Merz erst im Sauerland

Wüsts Gesicht ist leicht gerötet, der Stress vielleicht. Söder winkt ins Publikum, Merz trägt Krawatte und schüttelt die Hand eines Mannes, der ihm zuruft: „Sie sind ja doch da.“ Merz lächelt. „Klar.“

Es schien Restzweifel zu geben, weil Merz in die Ukraine reisen will. Ein Trip, von dem ihm das Bundeskriminalamt wegen Sicherheitsbedenken abgeraten haben soll. Ein Trip, der politisch als eine Art Provokation gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz gewertet wird, der noch nicht im Kriegsgebiet war.

Störenfriede rufen „Lügner“

Wüst tritt als Erster ans orangefarbene Rednerpult, umfasst es an den Seiten mit den Händen, stützt sich ab. Eine Standard-Rede gegen den Tumult der Trillerpfeifen und Schreihälse, die die Veranstaltung stören, weil sie sich in einer Diktatur wähnen oder so ähnlich. Man versteht es ja schlecht. Was man versteht ist, dass sie stets und immer „Lügner“ brüllen.

Wüst muss gegen das Getöse anreden. Zunächst langsam, später kraftvoller, energischer. Mit der linken Hand führt er fast zu jedem Wort Peitschenhiebe aus, als er die Menschen abholen will: NRW sei auch deswegen stark, weil es ländliche Gebiete wie das Sauerland gebe: „Überall muss man gute Politik machen.“ Das will er. So steht es auf seinem Ungetüm von Wahlkampf-Bus, der vor der feinen St.-Martinus-Kirche geparkt ist: „Machen, worauf es ankommt.“

Merz attackiert Störenfriede

Söder und Merz stehen symbolträchtig hinter ihm, applaudieren zum Ende des Vortrags. Der Bayer hält die Hand hin, damit Wüst einschlägt, der übersieht das fast.

Merz tritt nach vorn, faltet die Hände auf dem Pult. Er macht sich kleiner als er ist, weil die Höhe des Mikrofons nicht richtig justiert ist. Ein Mann mit einem T-Shirt, auf dem „Team Wüst“ steht, richtet es, während Merz weiterspricht – und sich den 30, 40, 50 Verirrten zuwendet. „Vielleicht“, sagt er, „vielleicht denken Sie mal darüber nach, den Kehlkopf aus- und den Kopf einzuschalten.“

Applaus und zustimmendes Gejohle von den Menschen. Der gemeinsame Feind eint die Union in diesem Augenblick. „Sie beklagen, dass wir keine Meinungsfreiheit in Deutschland haben, zerstören aber mit diesem Auftreten jede politische Diskussion. Das ist der Unterschied zwischen Olpe und Moskau, wo Sie von der Sicherheitspolizei längst abgeführt worden wären.“ Inhaltlich Neues hat Merz nicht dabei. Aber er lächelt zufrieden mit sich und seiner Rede, als er das Wort weitergibt: „Lieber Markus Söder, du hast das Wort.“ Lieber Markus Söder? Der Wahlkampf schweißt zusammen.

Merz lacht über Söder-Pointen

„Einer, der läuft, ist ein Läufer“, beginnt Söder, „einer, der fährt, ist ein Fahrer. Was ist dann einer, der pfeift?“ Gelächter. Auch Söder hat es auf die Störenfriede abgesehen. Er streift das Thema „Genderwahn“ und möchte sich nicht vorschreiben lassen, was er zu essen habe. Bisschen polemisch, Applaus gibt’s trotzdem. Und als er Wüst den Ministerpräsidenten nennt, der in Deutschland am zweitbesten aussehe, lacht das Publikum – und auch Friedrich Merz über jede dieser Pointen.

Die drei Granden der Union vor rund 1000 Menschen in Olpe. Mission erfüllt? Trotz der Schreihälse? Vielleicht. „Wählen Sie die Zukunft“, ruft Söder zum Schluss. Dann fahren sie wieder weg in ihren schwarzen Limousinen.