Hagen/Arnsberg. Nach monatelanger Schließung wegen Corona sollen Clubs und Diskotheken in NRW am 4. März wieder öffnen können. Was zwei Betreiber sagen.

Das Video von der Landtagsrede des NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst hat Stephan Ley auf seinem Handy gespeichert. „An erster Stelle“, sagt der Geschäftsführer der Hagener Diskothek „Capitol“.

Wüst verkündet in dem Clip, dass Diskotheken und Clubs am 4. März wieder öffnen dürfen. „Endlich“, sagt Stephan Ley, „in meinem Business wird man zu dem Job nicht gezwungen, man macht ihn aus Leidenschaft. Es trifft einen, wenn man mit Ausnahme von drei Monaten im Herbst 2021 zu einem zweijährigen Berufsverbot verdonnert ist.“

Stephan Ley ist seit drei Jahrzehnten in der Event-Branche tätig.
Stephan Ley ist seit drei Jahrzehnten in der Event-Branche tätig. © WP | Michael Kleinrensing

Unter dem Motto „Bye Bye Corona“ feiert das Capitol am 4. und 5. März ab 22 Uhr das „Re-Opening“. Der Einlass gilt für Geimpfte und Genesene mit tagesaktuellem Test oder mit dritter Impfung (2G plus).

Unter dem Social Distancing gelitten

Eine Woche später heißt es: „Scheiß auf Zuhause. Endlich wieder feiern! Und das so richtig!!!“ Der Vorverkauf, erzählt Stephan Ley, laufe riesig. „Die Euphorie ist groß. Jugendliche und junge Erwachsene haben unter dem Social Distancing in der Pandemie gelitten. Auch die Disco hat ihnen gefehlt. Das spürt man.“

Man werde, so erzählt der Unternehmer weiter, dann auch junge Leute begrüßen, die noch nie in einer Disco waren – weil alle Tanztempel geschlossen waren: „Ihnen fehlen zwei Jahre Lebens-Zeit, die nicht wiederkommen.“

Stephan Ley ist seit drei Jahrzehnten in der Diskotheken-Branche tätig. Er hat alles erlebt, auch schwierige Zeiten rund ums Rauchverbot. „Discos sind ein knallhartes Business geworden“, sagt er mit Blick auf bange Fragen, was nach der Pandemie von der Clubkultur noch übrig bleibt. „Die Guten sind noch da“, sagt er, „der Kampf um die Gäste funktioniert nur, wenn der Betreiber seriös ist.“

Alternativen gesucht

Auch für ihn war es eine Herausforderung, mental zu verarbeiten, dass er fast zwei Jahre lang seiner beruf- lichen­ Leidenschaft nicht nach- gehen­ konnte. Er bekam zwar durch staatliche Überbrückungshilfen 90 Prozent der Fixkosten erstattet – aber: „Rechnen Sie mal aus, auf welche Beträge Sie kommen, wenn Sie 10 Prozent im Monat drauflegen.“

Also hat Ley Testzentren betrieben und ein Restaurant in Hagen eröffnet. „Wir hatten keine Langeweile“, sagt er und freut sich dennoch wie Bolle, dass sein Capitol wieder aufmachen darf.

Viele Diskotheken haben ihr Personal verloren

Übrigens mit 90 Prozent des Vor-Corona-Personals, was in der Branche ein sensationeller Wert ist. Denn viele Diskotheken mussten in der Pandemie damit leben, dass ein Großteil ihrer 450-Euro-Minijobber das Gewerbe wechselte.

Jonathan Mink mit seiner Partnerin Filipa Marques. Sie betreiben die Diskothek
Jonathan Mink mit seiner Partnerin Filipa Marques. Sie betreiben die Diskothek "Herr Nilsson" in Arnsberg. © Nicolas Stange

So war es auch in der Arnsberger Eventlocation „Herr Nilsson“. „Für die meisten unserer 20 Mitarbeiter ist die Wiedereröffnung am 5. März der erste Arbeitstag“, sagt Betreiber Jonathan Mink.

Ihm ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, dass die Disco-freie Zeit bald ein Ende hat. In der Hoffnung, dass es nicht wieder ein Corona-Auf und Ab (oder besser: Zu) gibt: „Das darf keine Eintagsfliege sein.“

Riesige Nachfrage

Die ersten drei Events sind bereits ausverkauft. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt er, „die jungen Leute haben etwas nachzuholen. Der erste Disco-Besuch gehört zum Erwachsenwerden dazu.“ Und überhaupt: „Die Disco ist für viele ein Ventil. Man kann abschalten von beruflichem oder privatem Stress und einfach nur Spaß haben. Das hat gefehlt.“

In der ab Montag, 28. Februar, geltenden neuen Corona-Schutzverordnung des Landes NRW ist der „Betrieb von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen“ noch untersagt. Das soll sich ab kommendem Freitag ändern.

Online-Umfrage gestartet

Bevor sich Jonathan Mink und seine Partnerin Filipa Marques entschieden haben, am Samstag, 5. März, wiederzueröffnen, haben sie eine Online-Umfrage bei potenziellen Gästen gestartet: „5000 haben mitgemacht. 85 Prozent von ihnen sind geboostert. Also können wir es riskieren.“

Vor dem „Herr Nilsson“ werden Mitarbeiter die 2G-Regel penibel kontrollieren (Mink: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst“). Wegen des zusätzlich benötigten Personals werden die Eintrittspreise von 8 auf 10 Euro erhöht – „das ist keine Summe zum Bereichern.“

Hoffen auf das Ende einer langen Durststrecke

In der Disco mit Kapazitäten für 700 Gäste sollen Abstandsregeln und Maskenpflicht aufgehoben sein. „Insbesondere das Tragen einer Maske macht in einem Club keinen Sinn“, sagt Mink, „die Leute schwitzen beim Tanzen und kippen uns dann um.“

Der gebürtige Schwabe hofft auf das Ende einer langen Durststrecke. „Wir konnten nur überleben, weil der Vermieter uns die Miete erlassen hat“, sagt er.

Ganz normale Jobs in der Zwischenzeit

In der Zwischenzeit haben der Diskotheken-Betreiber und seine Partnerin „ganz normale Jobs“ gemacht. Er in einer Behinderten-Einrichtung, sie in einer Versicherungsagentur. „Das werden wir auch nach der Wiedereröffnung beibehalten“, sagt Mink. „Wir gehen auf Nummer sicher. In diesen Zeiten weiß man nicht, wohin die Reise geht.“