Siegen. Andriy Radyk ist Seelsorger für Ukrainer in Westfalen. Er sorgt sich um seine Familie in der Heimat und spricht gleichzeitig Mitchristen Mut zu.

Er hat mitten in der Nacht die ersten Nachrichten vom russischen Angriff auf die Ukraine erhalten. Gleich am frühen Morgen hat Pfarrer Andriy Radyk die Kirchentüren aufgeschlossen. „Damit meine Mitmenschen für einen Moment einen Ort der Ruhe finden und eine Kerze für den Frieden anzünden können“, sagt der 39-jährige Seelsorger, der für das Erzbistum Paderborn und das Bistum Münster die Gemeinden der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in Westfalen betreut.

Am kommenden Samstag will er mit den Christen der katholischen ukrainischen Gemeinde im Siegerland in der Weidenauer St. Joseph-Kirche für den Frieden beten. „Die Kriegsparteien müssen so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch“, sagt er, „ein Krieg kennt immer nur Verlierer.“

Verunsicherung und Hilflosigkeit

Andriy Radyk hat die Kirchentüren geöffnet, damit Mitmenschen aus der Ukraine eine Kerze für den Frieden anzünden können.
Andriy Radyk hat die Kirchentüren geöffnet, damit Mitmenschen aus der Ukraine eine Kerze für den Frieden anzünden können. © rd

Der Pfarrer spricht von „ganz starken Gefühlen“, als er die ersten Bilder von der russischen Militäraktion im TV sah. „Ich habe nicht geglaubt, dass es zum Krieg kommt“, sagt er, „ich spüre große Verunsicherung und Hilflosigkeit.“

Andriy Radyk hat mit den Eltern und seinem Bruder telefoniert. Sie leben westlich von Kiew: „Sie haben Angst, berichteten mir von zahlreichen Explosionen nach Luftangriffen.“

Sein Glaube hilft ihm

Er hat danach gebetet und versucht, durch seinen Glauben Antworten auf die alles entscheidende Fragen zu bekommen: „Warum dieser Krieg in Europa zu einer Zeit, wo die Welt durch die Pandemie ohnehin aus den Fugen geraten ist? Warum ist die friedliche Ordnung von einem Moment auf den anderen nicht mehr so wie vorher?“

Die Bilder aus seiner Heimat wühlen den 39-Jährigen auf. Er macht sich große Sorgen um seine Familie, um sein „friedliches Volk“, um Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in dem osteuropäischen Land: „Keiner weiß derzeit, was auf uns zukommt.“

Eine sehr belastende Situation

Gleichzeitig versucht er, seinen Landsleuten in Deutschland Mut zuzusprechen. „Es ist schwer, in diesen Stunden meine Arbeit als Seelsorger zu erledigen. Die Situation ist sehr belastend für mich.“

Wenn Andriy Radyk am Samstag in Siegen-Weidenau betet, wird er erzählen, wie existenziell das friedliche Zusammenleben aller Menschen ist. Zu den Gottesdiensten kommen üblicherweise nicht nur gebürtige Ukrainer, sondern auch russischstämmige Mitmenschen: „Es hat nie Konflikte gegeben.“

Viele Solidaritätsbekundungen

Als aber Russland 2014 die Krim annektierte, sei „leider“ mancher Kontakt abgebrochen. Bis heute, sagt Andriy Radyk, hätten die Ukrainer mit der russischen Propaganda in Deutschland zu kämpfen. „Es gab hier viele Putin-Versteher. Seine Maske ist jetzt gefallen.“

An Tag 1 des Krieges in der Ukraine hat Andriy Radyk viele Solidaritätsbekundungen am Telefon und per E-Mail erhalten. Das hat ihm gut getan. „Die Ukraine braucht jetzt dringend diese Unterstützung“, sagt der Pfarrer. Er betet für sein Land und die Menschen. „Das Gebet ist unsere Hilfe und gibt uns Halt“, sagt er, „es lehrt uns den Respekt vor anderen Menschen und die Erwartung eines friedlichen Miteinanders.“