Lennestadt. Maskenhersteller aus Deutschland fühlen sich von der Politik verraten. Ein Unternehmer aus dem Sauerland erzählt seine Geschichte.

Vor fünf Monaten berichteten wir über das Lennestädter Unternehmen „Schneider Technologies“, das zu Beginn der Pandemie auf den FFP2-Masken-Engpass reagierte und Millionen in eine eigene Produktion investierte. Es folgte dem Aufruf des damaligen Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU). Die Aufträge der öffentlichen Hand aber blieben aus, weil der Bund lieber kostengünstigere Masken in China einkaufte. Mittelständische Unternehmen wie die Firma aus dem Sauerland fühlten sich im Stich gelassen. Es gab einen Aufschrei, Appelle. Hat sich ihre Lage verbessert?

China wird bevorzugt

Masken am laufenden Band: Seit Ostern 2021 werden in Lennestadt FFP2-Masken produziert.
Masken am laufenden Band: Seit Ostern 2021 werden in Lennestadt FFP2-Masken produziert. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

„Nein, alle meine Versuche, in der Politik Gehör zu finden, sind ins Leere gegangen“, kritisiert Stephan Schneider, geschäftsführender Gesellschafter von Schneider Technologies. Auf die Abnahmezusagen der öffentlichen Hand warte er bis heute. Stattdessen kaufe der Bund weiter in China ein, wo eine Maske rund 15 Cent kostet. „Wir würden sie für 20 bis 25 Cent anbieten – je nach Menge“, so der 59-Jährige. Ein niedrigerer Preis rechne sich nicht.

Die Lage, sagt der Unternehmer aus dem Sauerland, habe sich in den letzten Tagen sogar verschlechtert: „Die Preise für FFP-2-Masken sind weiter gefallen.“ Schneider war vor zwei Wochen auf einer Medizinmesse in Dubai. „Dort boten türkische Firmen ihre Produkte für 13 bis 14 Cent an.“ Die zusätzliche internationale Konkurrenz mit ihren Billigangeboten erschwere den Markt.

Heikle Situation

Für Schneider fehlt es schlicht am politischen Willen, dem Hilferuf der 450 deutschen Firmen, die dem Appell der Merkel-Regierung gefolgt waren und ihre Produktion auf die Herstellung von Masken umgestellt hatten, zu folgen. Er selbst habe Dutzende von Politikern angeschrieben, um sie auf die heikle Situation hinzuweisen, in der sich viele mittelständische Unternehmen befänden. Auf eine Antwort aus Berlin warte er bis heute. Ein Fünkchen Hoffnung schöpft er aus einem Beitrag des Handelsblattes.

Lieferketten erneut in Gefahr?

Die Wirtschafts- und Finanzzeitung berichtet über die zunehmende Sorge von Experten und Politikern vor einem erneuten Masken-Engpass in Deutschland. Durch die rasante Ausbreitung von Omikron in Asien und vor allem in China seien Lieferketten erneut in Gefahr. In den Reihen von SPD und CDU nehmen der Veröffentlichung zufolge die Stimmen zu, die fordern, aus den Lehren der Pandemie zu lernen und unabhängiger von internationalen Lieferketten zu werden.

Tino Sorge, gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, berichtet der Finanzzeitung, dass die hohen Standards der Anbieter in Deutschland auch honoriert werden müssten und ein niedriger Stückpreis nicht das beste Kriterium sein müsse. Nur die FDP spricht sich vehement dagegen aus, EU-Recht auszuhebeln und deutsche Unternehmen bei der Vergabe zu bevorzugen.

Antwort des Ministeriums

„Es ist vergaberechtlich in keiner Weise vorgesehen, dass der Preis alleiniges Zuschlagskriterium sein muss oder nur ein bestimmtes Gewicht haben muss“, heißt es auf Anfrage vom Bundeswirtschaftsministerium. „Trotzdem“, klagt Schneider, „wird die Billigware aus Asien weiter bevorzugt.“ Fakt sei auch, dass die geltenden EU-Vergaberichtlinien deutsche Firmen benachteiligten. Vor allem mit Blick auf Qualität und Nachhaltigkeit sei das nicht zu verstehen. „Der Nachhaltigkeitsaspekt müsste die Politiker in Zeiten des Klimawandels doch überzeugen.“ Masken aus Lennestadt in eines der 19 in Deutschland verteilten Lager für die Notfallreserve zu transportieren, sei umweltfreundlicher, „als sie von China per Flugzeug oder auf Containerschiffen nach Europa zu bringen“.

Eine Ausschreibung

Ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums, das dieser Zeitung vorliegt, zeigt, dass der Bund zumindest Ende vergangenen Jahres noch im großen Stil Masken in China eingekauft hat: Es geht um 24.100 Paletten, die am 18. Oktober per Containerschiff nach Deutschland transportiert werden sollten. Aus dem Schreiben vom September 2021 wird auch ersichtlich, dass es große Vorratslager für den deutschen Markt in China geben muss. Bis Redaktionsschluss lag eine Stellungnahme des Ministeriums nicht vor.

Paris als Vorbild

In ihrer Not haben die mittelständischen Unternehmen 2021 den Maskenverband Deutschland gegründet. „Wir haben alle Bundestagsabgeordneten und Minister angeschrieben, auf eine autarke Produktion in Deutschland zu setzen“, erzählt der Sprecher des Maskenverbandes, Stefan Bergmann. Das trage erste Früchte: „Die im Handelsblatt erwähnte Initiative von CDU und FDP zugunsten heimischer Hersteller ist aus unserem Vorstoß erwachsen.“ Eine Maske „Made in Germany“, sagt Bergmann, stehe für hohe Qualität, gerechte Löhne und Einhaltung von Arbeitsstandards. Auch das sollte berücksichtigt werden. Das Vergaberecht müsse allgemein überdacht werden. „Frankreich zeigt, dass das geht: Dort spielt der Preis nach Vorgabe der Regierung in Paris nur noch zu 25 Prozent eine Rolle. Und der Preis darf nur noch zu diesem Prozentsatz bei der Vergabe berücksichtigt werden.“

Nur kleinere Aufträge

Zurzeit läuft in Lennestadt nur eine von drei Maskenproduktionsstraßen. „Es kommen nur kleinere Aufträge herein“, teilt Stephan Schneider mit. Von Kunden, die auf gute deutsche Wertarbeit setzten. Seine Firma sei „Gott sei Dank“ breit aufgestellt. Die von „Schneider Technologies“ gefertigten Sondermaschinen für die unterschiedlichsten Branchen verkauften sich gut. Langfristig aber müsse die Produktion von Masken finanzierbar sein.

Blick nach Finnland

Nach Ansicht Stephan Schneiders sind mit Blick auf des Verfallsdatums von FFP-2-Masken, die alle zwei Jahre ausgetauscht werden müssen, physische Lager überflüssig: „ Es muss nur eine Industrie aufgebaut werden, die schnell reagieren kann.“ Darin sollte die öffentliche Hand investieren. Das würde letztlich Steuergelder sparen, ist der Sauerländer von seinem Bereitstellungskonzept überzeugt. Das es geht, demonstriere Finnland. „Die Unternehmen dort garantieren eine Versorgung, dafür bekommen sie Geld vom Staat.“

Mittlerweile, sagt Schneider, gehe es bei den Masken-Herstellern um Existenzen. „Ich kenne Firmen in Nordrhein-Westfalen, die aufgeben und ihre Maschinen verkaufen wollen. „Da stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel.“ Wenn es zu keiner Wende bei der Vergabe öffentlicher Aufträge komme, werde ein Unternehmen nach dem anderen aufhören, Masken in Deutschland zu produzieren.