Intellektuell anstrengend und emotional herausfordernd: Nach zwei Pandemie-Jahren sehnen wir uns nach Handlungsfähigkeit und Unbeschwertheit.

Beginnen wir mit einem Rückblick. Einem Rückblick auf die Schlagzeilen, die uns genau vor einem Jahr, also zum Jahreswechsel 2020/21 begleiteten. Deutschland ausgebremst im Lockdown. Alle Hoffnung richtete sich auf den neuen Impfstoff, den einige ausgewählte Altenheimbewohner unter einer wohl-orchestrierten medialen Begleitung erhalten hatten. Und obgleich kein Zweifel bestand, dass es noch Monate dauern würde, bevor ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung stünde, keimte die Zuversicht, diese Pandemie im Laufe des Jahres vielleicht doch niederringen und dem Covid-Virus wie einem Grippe-Erreger begegnen zu können. Heute wissen wir, dass nach der zweiten Welle die dritte und die vierte kamen und wir aktuell vor der fünften, der Omikron-Welle, stehen. Hoffnung ist in Frust oder gar Wut umgeschlagen und doch wünschen wir uns so sehr die Unbeschwertheit zurück.

Immer neue Herausforderungen

Nach zwei Pandemie-Jahren haben wir gelernt, dass das Virus Wissenschaft und Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen stellt. Und dass wir uns fortwährend mit dynamischen Kennziffern sowie den daraus resultierenden Ansteckungsrisiken beschäftigen müssen. Weil eine Nachverfolgung von kompletten Infektionsketten in vielen Gesundheitsämtern nicht mehr möglich ist und politische Beschlüsse nur mit Verzögerung auf mathematische Simulationen reagieren, ist der Einzelne gefordert. Er entscheidet, wie bedrohlich die Lage für ihn persönlich ist und wie er darauf reagiert. Zum Beispiel, indem Begegnungen reduziert oder die individuelle Mobilität eingeschränkt wird.

Das ist intellektuell anstrengend und emotional zumindest herausfordernd – wenn nicht überfordernd. Die Leichtigkeit, mit der das mutierende Virus anscheinend die Expertise der Virologen und die Handlungsfähigkeit der Politik infrage stellt, führt zu Frustration – bisweilen zu Wut. Das ist nur zu verständlich, wenn wir an all die Ungerechtigkeiten denken. Also an diejenigen, die als Folge von Abstandsregeln einsam sterben mussten. Oder an die Schulkinder, die statt in der Gemeinschaft zu lernen, allein mit bisweilen unzulänglichen Geräten vor mehr oder weniger sinnvollen Aufgaben saßen. Oder an die Studenten, Azubis und Berufseinsteiger, die allzu oft analoge Lebensfreude in Diskotheken, Bars oder auf Festivals gegen sterile Video-Chats tauschen mussten. Und das, obwohl die meisten von uns zweimal geimpft und teilweise geboostert sind.

Hilft eine gesetzliche Pflicht?

Was, so kann man fragen, müssen wir denn noch tun, um endlich wieder unbeschwert zu sein? Die 2G-plus-Regel, also der zusätzliche, tagesaktuelle Test zum Beispiel im Sportstudio, trifft auch die, die verständig reagiert haben und den Impf-Aufrufen gefolgt sind. Daher sieht manch einer in der Impfpflicht einen Ausweg. Aber hilft tatsächlich eine gesetzliche Pflicht? Eine Pflicht, deren Durchsetzung die Behörden vor kaum lösbare Aufgaben stellen würde. Nicht umsonst fehlt bislang eine Antwort auf die Frage, wie die Behörden mit denjenigen Impf-Verweigerern umgehen, die entsprechende Bußgelder nicht zahlen wollen oder nicht zahlen können.

Wäre stattdessen die konsequente Anwendung einer 2G-Regel möglich und sinnvoll? Statt Impfgegner zu kriminalisieren, würde dieser Vorschlag der Idee einer gegenseitigen Fürsorge folgen. Nur wer geimpft oder genesen ist, schützt die anderen, die Mitmenschen. Dafür kann er oder sie uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wem derweil ohne medizinischen Grund die persönliche Freiheit in Form einer Verweigerung wichtiger ist als der gesellschaftliche Impf-Konsens, müsste massive Einschränkungen hinnehmen – in der Freizeit und am Arbeitsplatz.

Der Ohnmacht begegnen

Unter dem Strich geht es darum, der Ohnmacht zu begegnen, die das Covid-Virus uns seit zwei Jahren vor Augen führt. Wir wollen endlich das Gefühl loswerden, vorgeführt zu werden und stattdessen wieder handlungsfähig sein. Neue Medikamente und angepasste Impfstoffe sind wichtige Schritte auf diesem Weg, an dessen Ende wir einander wieder in den Arm nehmen, uns gegenseitig trösten oder gemeinsam freuen – ganz unbeschwert!