Hagen. Die Prognose von Virologe Ulf Dittmer ist eingetreten. Was er jetzt für Weihnachten rät, warum Singen Tabu sein sollte und Zahlen für die Kreise.

Er hat am Ende recht behalten. Vorerst zumindest. Professor Ulf Dittmer, Chef-Virologe des Uni-Klinikums Essen, hatte vorhergesagt, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW bei maximal 400 liegen werde. Eine Explosion der Werte wie in Sachsen, Thüringen oder Bayern hatte er ausgeschlossen. Erst knapp vier Wochen sind diese Prognose und die entsprechende Schlagzeile in der WESTFALENPOST nun alt – und trotzdem wirkten sie zwischenzeitlich mehr als kühn angesichts einer stark steigenden Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der in einer Woche neu Infizierten pro 100.000 Einwohner angibt.

Der Virologe Prof. Ulf Dittmer hat mit seiner Prognose Recht behalten.
Der Virologe Prof. Ulf Dittmer hat mit seiner Prognose Recht behalten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bewahrheitet hat sich Dittmers Vorhersage trotzdem: Die Corona-Inzidenzen sind vielerorts in der Region wieder gesunken oder haben sich auf hohem Niveau stabilisiert. Für ganz NRW liegt der Wert bei 268. Was bedeutet das für Weihnachten? Eine Bestandsaufnahme neun Tage vor Heiligabend...

… zu den Inzidenzen

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Eines zeigt der Blick auf die aktuellen Zahlen deutlich: Die am stärksten betroffenen Altersgruppe ist die der 5- bis 14-Jährigen, also der Mädchen und Jungen, die bislang meist noch nicht geimpft werden konnten. Die Inzidenzen sind hier überall im Regierungsbezirk Arnsberg mehr als doppelt so hoch wie die Gesamt-Inzidenz. Diese hat sich trotz der immensen Menge an Neuinfektionen bei den Kindern fast flächendeckend stabilisiert oder ist im Wochenvergleich sogar gesunken. Mal abgesehen vom Kreis Soest, der lange Zeit Inzidenz-Musterschüler war, in dem zuletzt die Werte aber stark gestiegen waren.

Generell gibt es aber eben die Entspannung kurz vor Weihnachten, die für Prof. Ulf Dittmer keine echte Überraschung ist: „Durch unsere bessere Impfrate im Vergleich zu den anderen Bundesländern.“ Es sei aber auch hilfreich gewesen, dass NRW klare Regeln auf den Weg gebracht habe, „vor allem auf 2G basierende“. Sprich: nur Geimpfte und Genesene haben etwa in Restaurants, in vielen Geschäfte oder auch auf Weihnachtsmärkten Zutritt. Auch das Testsystem in Schulen und Kitas sei gut.

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Das wichtigste Mittel, um diesen positiven Trend zu stabilisieren und ein ruhiges Weihnachten abzusichern, sei aber das Boostern, so Dittmer: „Wir müssen das Tempo der Boosterimpfungen hochhalten. Sonst geht der Impfschutz bei zu vielen zweifach Geimpften mit der Zeit weiter verloren. Dann würden die Inzidenzen wieder steigen.“

...zu den Krankenhäusern

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Die Inzidenzen, die sich einpendeln, sind der eine Faktor zu Bewertung der Lage vor Weihnachten, der andere ist die Situation in den Krankenhäusern. Auch hier – das zeigt die kleine Grafik – ist die Belastung hoch. Im Vergleich zum Sommer oder frühen Herbst ist sie erheblich gestiegen. Aber man ist weit entfernt von Teilen Sachsens, wo bis zu 70 Prozent aller Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt sind. Aber im Märkischen Kreis sind es immerhin schon 20 Prozent, im Hochsauerlandkreis trotz recht niedriger Inzidenzen mehr als 15 Prozent.

Die Kapazitäten seien noch nicht ausgeschöpft, aber dennoch sei die Belegung „sehr, sehr eng“, sagt Werner Kemper, Sprecher der Geschäftsführung des Klinikums Hochsauerland. 68 von 84 Intensivbetten sind im HSK derzeit belegt, 13 davon mit Covid-19-Patienten. Plätze werden aber nicht nur für Menschen aus dem HSK benötigt, „sondern wir bekommen ständig Anfragen aus anderen Regionen, das lässt nicht nach“, sagt Kemper. Die Situation habe sich noch nicht erholt, „man darf sich von den leicht sinkenden Inzidenzen nicht täuschen lassen – der Krankheitshöhepunkt kommt erst später“.

… zu den Gottesdiensten

Große Vorsicht ist also weiter geboten zum Weihnachtsfest. Bei den Familienfeiern, aber insbesondere auch bei den Gottesdiensten. Wie positionieren sich hier die Kirchen? Sehr individuell, muss die Antwort lauten, denn die Entscheidung delegieren die katholische und die evangelische Kirche an die Gemeinde vor Ort. Und so verlegen mache die Gottesdienste nach draußen, andere filmen fürs Internet oder bleiben ganz klassisch: „Die Weihnachtsgottesdienste werden in diesem Jahr auch wieder sehr bunt ausfallen“, sagt Benjamin Krysmann vom Erzbistum Paderborn.

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Auch wenn gewisse Regeln und Empfehlungen eingehalten werden müssten. „Derzeit gilt 3G für die Adventsgottesdienste“, sagt Andrea Rose von der evangelischen Landeskirche Westfalen. „Wir empfehlen unseren Gemeinden aber, zu Weihnachten auf 2G und eine Maskenpflicht zu setzen – am besten FFP2.“ Auch die Bistümer Essen und Paderborn raten dazu, an Weihnachten von 3G oder 2G-Regelungen Gebrauch zu machen. Allerdings: Wenn es irgendwie möglich sei, solle ruhig ein Angebot geschaffen werden, das allen zugänglich sei, sagt Krysmann.

Virologe Prof. Ulf Dittmer empfiehlt da sehr viel klarere Regeln: „Gottesdienste sollten nur in teilbelegten Kirchen mit ständigem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und ohne Singen stattfinden. Singen steigert erheblich die Gefahr eines Superspreading-Ereignisses. Auch unter Geimpften. Darauf müssen wir jetzt leider verzichten.“