Dortmund. Nachhaltigkeit kann man studieren. Prof Michael Knappstein (ISM Dortmund) erklärt, warum immer mehr Firmen in diesem Bereich auf Fachleute setzen
Montagmorgen, 9 Uhr, Hörsaal 2, das Seminar „Mal eben kurz die Erde retten“ ist gut besucht. Sogar auf den Treppen sitzen die Studierenden. Acht Semester plus Praktikum und Prüfung, dann haben sie den Master-Abschluss Weltverbesserer in der Tasche und können auf einen gut dotierten Job in der Wirtschaft hoffen.
Wirtschaften wir noch richtig?
Stopp! Das ist ein kleines Hirngespinst, ein Fantasiegebilde. Diesen Studiengang gibt es nicht, und „mal eben kurz“ geht da schon gar nichts. Doch ihre Fantasie setzen tatsächlich immer mehr junge Menschen ein, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Das können sie sogar akademisch an der Hochschule untermauern: Nachhaltiges Handeln wird zunehmend in Studiengänge integriert oder gar zum vollwertigen Fach. Nicht nur, weil die Studierenden das so wollen, sondern auch, weil die Wirtschaft diese Experten braucht: Immer mehr Unternehmen betrachten ihre ökonomische Entwicklung auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf Menschen und Umwelt. Sie fragen sich: Wirtschaften wir noch richtig?
Nicht nur Umwelt- und Klimaschutz
Selbstverständlich gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Sondern viele komplizierte. Nachhaltigkeit ist schließlich mehr als Umwelt- und Klimaschutz.
„Wir bilden Wirtschaftsfachleute aus und sensibilisieren sie für ökologische, soziale und wirtschaftliche Verantwortung“, sagt Prof. Dr. Michael Knappstein von der International School of Management (ISM) und nennt damit die inhaltlichen Schwerpunkte. Der Hochschullehrer aus Werdohl baut gerade den Studiengang Sustainability & Business Transformation an der ISM auf. Am Standort Berlin läuft die Ausbildung schon, in Dortmund soll sie im kommenden Wintersemester starten. Der Master-Studiengang dauert vier Semester, ein Bachelor-Abschluss mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt ist Zugangsvoraussetzung.
Trockenes BWL-Brot und Persönlichkeitsentwicklung
Auf dem Stundenplan steht ein bisschen trockenes BWL-Brot, zum Beispiel die Anfertigung eines ordnungsgemäßen Nachhaltigkeits-Reports für Firmen oder Unternehmenssteuerung. Doch Knappstein legt auch viel Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden. „Wer eine Organisation verändern möchte, der muss sich erst einmal selbst verändern“, sagt der 36-Jährige. Deshalb sollen die jungen Menschen an der Hochschule auch ihre emotionale Intelligenz entwickeln, die rhetorischen Fähigkeiten ausbauen und Konfliktmanagement lernen. Man will sich schließlich mit seinen Ideen auch durchsetzen. In Projekten lernen sie, das Erlernte umzusetzen, Praktiker aus Wirtschaft und Verwaltung halten Gastvorträge. Ein Auslandssemester ist in das Studium integriert.
Die Studierenden seien in der Regel keine Fridays-for-Future-Demonstranten oder Hambacher-Forst-Besetzer, sagt Knappstein. „Sondern ganz normale Menschen, die das Thema Nachhaltigkeit in Organisationen tragen wollen.“ Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien gut. Denn nicht nur in Unternehmen spiele Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle, sondern auch in der Verwaltung, bei Nichtregierungsorganisationen und in der Politik.
Die Erwartungen sind hoch
Aber geht es am Ende nicht doch nur um Geld und Gewinne? Rückt Nachhaltigkeit in die zweite Reihe, wenn sie unbequem, also zu teuer wird? „Nein“, sagt Knappstein. „Die Erwartungen der Stakeholder, also etwa der Kunden, der Anteilseigner und der Mitarbeiter, sind heute andere. Sie fordern nachhaltiges Handeln und wollen Belege dafür sehen.“
Als Beispiel nennt der Experte die Lebensmittel-Discounter, die ohne Bio-Produkte ihre Läden gar nicht mehr zu öffnen bräuchten. Klar, es bestehe die Gefahr des sogenannten Greenwashing, bei dem nicht nachhaltigen Produkten aus Marketinggründen ein grünes Mäntelchen umgehängt werden, „aber die Kunden erkennen das. Sie sind skeptischer als früher“. Nachhaltiges Denken werde sich durchsetzen, sagt Knappstein. „Das ist keine Modeerscheinung.“
Zum Studium
Das Studium an der International School of Management (ISM) ist nicht billig. Jedes Semester kostet 6100 Euro Gebühren. Die Hochschule hilft Studierenden jedoch mit Stipendien und bei der Finanzierung. Interessenten müssen sich unter anderem in einem Aufnahmegespräch qualifizieren. In die Beurteilung fließen unter anderem die BA-Note, Berufserfahrung und menschliche Komponenten ein. Nachhaltigkeits-Studiengänge werden auch von anderen Hochschulen angeboten.