Hagen. Janne Rosenbaum gehört der Hagener „Fridays for Future“-Bewegung an. Wir begleiten sie seit zwei Jahren. Ob sich ihre Ansichten verändert haben?

Wenn man bei der Frage wer man ist, schon ein ganzes Stückchen vorangekommen ist, dann stellen sich jungen Menschen gleich die nächsten drängenden Fragen. Zum Beispiel: Wo will man hin? Und was erreichen? Das vergangene Jahr hat Janne Rosenbaum dabei neue Einsichten beschert. Sie will Teil der Lösung sein – und nun weiß die 19-Jährige auch wie.

Fridays for Future: Schulschwänzer oder Weltretter?

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Sie gehört seit den ersten Stunden zu den Frontfiguren der „Fridays for Future“-Bewegung in Hagen und Umgebung. Noch immer polarisieren die jungen Klimaschutzaktivisten die Gesellschaft. Schulschwänzer schimpfen sie die einen, weil Demonstrationen oft zu Unterrichtszeiten stattfanden. Doch sind sie das? Oder sind sie die Weltretter? Wir begleiten Janne Rosenbaum seit 2019. Was hat sich in ihrem Leben verändert? Welche Ansichten hat sie heute? Teil drei unserer Langzeitbeobachtung.

Mit Nordseekrabben hatte die Hagenerin in den vergangenen Monaten viel zu tun. Unter dem Dach des renommierten Alfred-Wegener-Instituts der Helmholtz-Gesellschaft absolvierte sie bis August ein Freiwilligen-Jahr für Wissenschaft, Nachhaltigkeit und Technik auf Helgoland. „Das hat mir viel gebracht“, sagt sie: „Ich durfte mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeiten.“ Experten aus Uruguay und Südafrika waren darunter.

Auswirkungen der steigenden Temperaturen auf die Nahrungskette der Nordsee

Nicht selbstverständlich für ­jemanden, der gerade erst sein ­Abitur in der Tasche hat. Sie arbeitete in der Werkstatt mit, las sich auf englisch so gut es ging in die ­bevorstehenden Themen ein, betreute ihr eigenes Experiment: Welche Auswirkungen haben klimabedingte Temperaturveränderungen auf die Entwicklung von Krabbenlarven? Sie zählte und vermaß die Larven jeden Tag und trug so einen Teil zu der Frage bei, wie sich die Nahrungskette in der Nordsee verändern könnte.

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Die Wissenschaft sei wichtig, sagt sie. Man solle auf sie hören. Aber derlei Forschung brauche ihre Zeit. Zeit, die Janne Rosenbaum nicht hat. Auch in der Politik gingen die Dinge zu langsam. „Seit mehr als zwei Jahren gehen wir mit Fridays for Future auf die Straßen – aber das hat uns dem 1,5-Grad-Ziel kein Stück näher gebracht.“ Für einen Moment scheint das nach Frustration, nach Kapitulation zu klingen.

Studium der Energie- und Umwelttechnik

Aber natürlich will sie weitermachen. Sie ist zurück in Hagen und engagiert sich wieder in der Bewegung. Und weil ihr die wissenschaftliche Arbeit und technische Umsetzung Freude bereitete, hat sie sich zurück aus Helgoland direkt an der Universität Bottrop eingeschrieben: für Energie- und Umwelttechnik. Semesterbeginn im September, Sie pendelt mit dem Zug. Fast zwei Stunden von Tür zu Tür.

„Ich habe in dem Jahr auf Helgoland viele Sichtweisen kennengelernt und viel reflektieren können, ob das sinnvoll ist, was ich erreichen und tun möchte“, sagt sie. Sie will Veränderung schaffen. Die Dimension sei erstmal egal. „Ich setze mir keine zu hohen Ziele. Wenn ich bei nur einer Person für mehr Klimabewusstsein sorgen kann, ist das schon eine Veränderung.“

Janne Rosenbaum hat Angst vor der Zukunft

Aber sie weiß auch, dass das nicht ausreichen wird, dass es politische und technische Lösungen braucht. Angst habe sie, sagt sie. Nicht so, dass das Gefühl sie in der Gegenwart lähme. Aber doch so, dass sie sorgenvoll in die Zukunft blickt. Wenn sich das Klima weiter erwärme und Menschen aus gefährdeten in gemäßigtere Regionen flüchteten, dann drohten schwere Konflikte. Es müsse nun schnell gehandelt werden. Sie wird weiter auf die Straße gehen und sich auch politisch weiter engagieren.

„Natürlich würde ich gern etwas bewirken“, sagt sie. Ingenieurswissen wird gefragter denn je sein, wenn es darum geht, zum Beispiel Energie effizienter zu nutzen. Es ist der Weg, von dem sie glaubt, dass er am schnellsten dazu führt, dass sich ihr Einflussbereich in diesem so wichtigen Thema vergrößert. Ihr Weg. „Ich möchte sehen, ob ich etwas verändern kann.“

<<< HINTERGRUND >>>

Im Sommer 2019 – kurz nach dem Ende unserer Nachhaltigkeitsserie „Bin eben kurz die Welt retten“ – begannen wir u.a. mit der Beobachtung von Janne Rosenbaum.

Wir wollten wissen: Wie nachhaltig leben die, die bei Fridays for Future (FFF) auf die Straße gehen? Wie denken sie? Welche Veränderungen wollen sie bei sich und in ihrem Umfeld herbeiführen, um das Klima zu schützen?

Um das Thema Nachhaltigkeit nachhaltig zu behandeln, wollen wir auch in Zukunft in einer Art Langzeitbegleitung berichten. Wie entwickeln sich die jungen Menschen, die sich dem Klima verschrieben haben. Ändern sich Meinungen und Perspektiven?