Attendorn. Die Impfzentren in NRW stellen zum Ende des Monates ihren Betrieb ein. Wir haben uns noch einmal im Impfzentrum des Kreises Olpe umgeschaut.

Sie sind in Begleitung ihrer Mütter nach Attendorn-Ennest gekommen. Auf den letzten Drücker. Oder besser: auf den letzten Piks.

Noch bevor das Impfzentrum des Kreises Olpe – wie die anderen Impfzentren in NRW auch – am Donnerstagabend um 20 Uhr seinen Betrieb einstellt, sitzen Anna Christin Blöink und Julie Sophie Meye, beide 13, gemeinsam in einer Impfkabine und erhalten das Biontech-Vakzin.

Glücksgefühle bei Impflingen

Das Impfzentrum des Kreises Olpe wurde mitten in einem Industriegebiet eingerichtet.
Das Impfzentrum des Kreises Olpe wurde mitten in einem Industriegebiet eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Melanie Klötsch hat neben Anna Christin Platz genommen und führt die Spritze sanft in den Oberarm des Mädchens ein. Die Medizinische Fachangestellte und Koordinatorin im Impfzentrum hat in den vergangenen acht Monaten Glücksgefühle bei vielen Impflingen registriert.

Und Dankbarkeit: „Man musste nur in die Augen schauen“, sagt sie, „besonders am Anfang, als viele ältere Menschen nach langer Pandemie-Isolation wieder mit anderen ins Gespräch kamen.“

1700 Impfungen am Tag

Es hat sehr gemenschelt im Impfzentrum. Auch wenn in Spitzenzeiten am Tag 1700 Impflinge durchgeschleust wurden. Wiewohl: Durchgeschleust trifft die Sache nicht.

Stefan Spieren ist als ärztlicher Leiter ein Mann der ersten und letzten Stunde. Als Hausarzt in Wenden ist er jeder Form von Digitalisierung gegenüber aufgeschlossen, wie er sagt.

Ehemalige Industriehalle in einem Gewerbegebiet

Auch Fatmir Muja (vorne) und Malte Ackerschott (hinten, neben seiner Mutter Heike) suchten das Impfzentrum an den Schlusstagen noch auf.
Auch Fatmir Muja (vorne) und Malte Ackerschott (hinten, neben seiner Mutter Heike) suchten das Impfzentrum an den Schlusstagen noch auf. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Bei der Konzeption des Impfzentrums in einer ehemaligen Industriehalle in einem Gewerbegebiet haben er und seine Mitstreiter bewusst auf zu viel Hightech verzichtet. Keine digitalen Ampeln oder Aufrufanlagen: „Wir haben auf den Faktor Mensch gesetzt.“

An vielen Stellen wurden Helfer platziert, die den Weg von der Anmeldung über das Arztgespräch bis hin zu den Impfkabinen und den Warteraum gewiesen haben. „Der persönliche Kontakt hat auch vielen, die mit gemischten Gefühlen kamen, Sicherheit gegeben.“

Impfstoff nachgeordert

Spieren hat für den Schlusstag noch einmal Impfstoff nachgeordert. Als die Reporter das Impfzentrum besuchen, halten sich zeitweise bis zu 50 Impfwillige dort auf.

Zum Beispiel Fatmir Muja. Der Lennestädter sitzt in Arbeitskleidung auf einem Stuhl und hofft darauf, dass er auch die Zweitimpfung nahezu ohne Nebenwirkungen verträgt. Der Rest der Familie sei bereits durchgeimpft, erzählt Muja, er habe vorher „nicht so viel Zeit“ gehabt. „Heute habe ich mir gesagt: jetzt oder nie.“

Am Ende noch einmal ein Besucher-Aufschwung

Die Ärzte Stefan und Julia Spieren schwärmen von dem großen Zusammenhalt innerhalb des Impfzentrum-Teams.
Die Ärzte Stefan und Julia Spieren schwärmen von dem großen Zusammenhalt innerhalb des Impfzentrum-Teams. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Die Hälfte der Impflinge an den Schlusstagen erscheint ohne Termin. Die Diskussionen um den Ausfall von Lohnfortzahlungen für Ungeimpfte bei einer Quarantäne oder die künftig nicht mehr kostenlosen Corona-Tests haben den Impfzentren noch einmal einen Besucher-Aufschwung beschert.

Wie auch die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Impfungen für Jugendliche ab zwölf Jahren. „Ich habe darauf gewartet“, sagt Heike Ackerschott neben ihrem frisch geimpften Sohn Malte (12). Sie schwärmt von dem „super organisierten Impfzentrum und dem super-netten Personal“.

Ein halbes Jahr mitgeholfen

Einer vom Personal ist Johannes Walter Rosenthal, der gerade an einer Tür steht und darauf achtet, dass jeder die Kurve zur nächsten Station kriegt. Der 21-Jährige vom Deutschen Roten Kreuz hat ein halbes Jahr im Impfzentrum geholfen.

„Die Zeit war für mich sehr wichtig. Ich bin abends mit dem Gefühl nach Hause gegangen, etwas getan zu haben, was der Gesellschaft langfristig gut tut.“ Und jetzt? Heute startet er seinen Bundesfreiwilligendienst, danach beginnt seine Ausbildung zum Notfallsanitäter. Für ihn steht fest: „Ich werde viele von denen, mit denen ich hier zusammengearbeitet habe, wiedersehen.“

Großer Zusammenhalt

Viele Wegweiser - und viele Helfer - gaben den Impflingen im Impfzentrum Orientierung.
Viele Wegweiser - und viele Helfer - gaben den Impflingen im Impfzentrum Orientierung. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Es sei eine „klasse Truppe“ zusammengewachsen, sagt der organisatorische Leiter, Michael Schöler. Zahlreiche Freundschaften seien entstanden. „Alle Helfer wussten, dass in der Pandemie eine besondere Aufgabe zu erledigen ist. Alle waren mit Herz dabei.“

Auch für Julia Spieren wurde die Arbeit im Impfzentrum zur Herzensangelegenheit. „Es war wie unser fünftes Kind“, sagt die vierfache Mutter und Stellvertreterin ihres Ehemannes als ärztliche Leitung.

Infrastruktur bleibt zunächst bestehen

Ob im Impfzentrum oder in der Hausarztpraxis. Sie konnte im persönlichen Gespräch so manchem Hadernden Vorbehalte nehmen und davon überzeugen, dass jeder einzelne auch eine Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen hat. „Es ist viel Halbwissen aus dem Internet im Umlauf.“

Auch wenn seit gestern Abend der Betrieb im Impfzentrum eingestellt ist, bleibt die Infrastruktur bis Ende des Jahres in der ehemaligen Industriehalle bestehen. Für den Fall, der hoffentlich nicht eintritt.

Eine große Familie

Mit wem man von den Helden der Pandemie im Impfzentrum (medizinisches Personal, Mitarbeiter von Kreis, DRK und Kassenärztlicher Vereinigung sowie Sicherheitsleute) spricht, man hört Wehmut aus den Worten. „Wir waren eine große Familie“, sagt Koordinatorin Melanie Klötsch.

„Es haben sich viele Freundschaften entwickelt“, ergänzt Stefan Spieren. Nachdem gestern Abend die letzte Impfung durch war, sollte es noch ein gemütliches Beisammensein geben. Von Menschen, die in schwierigen Zeiten für andere Menschen einfach da waren. Sie haben es sich mehr als verdient.