Iserlohn. Angela Merkel kommt für einen Abstecher zum Pharmaunternehmen Medice nach Iserlohn. Die Bürgerinnen und Bürger bekommen den Gast kaum zu sehen.

Unten an der Zufahrt zum Betriebsgelände stehen ein paar Wutbürger. Sie pfeifen, als Angela Merkel in ihrer gepanzerten Limousine und Polizei-Eskorte vorbeieilt. Einer hat das Wort „Volksverräterin“ auf ein Stück Pappe gemalt. Oben am Zaun wollen vier, fünf Passanten einen Blick auf die prominente Politikerin aus Berlin werfen; viel zu sehen bekommen sie nicht. Angela Merkel wird bei ihrem Besuch des Iserlohner Pharma-Unternehmens Medice von der Öffentlichkeit weitgehend abgeschirmt.

Und das heißt in diesem Fall auch: von der Presse. Teilnahme an der Betriebsbesichtigung? Nicht gestattet. Fragen stellen im Anschluss? Auf keinen Fall. Sogar der Livestream aus dem Unternehmen wird abgeschaltet. Und gut 15 Meter Abstand zwischen Merkel und Medien müssen beim kurzen Abschiedsstatement schon sein.

Der eine schiebt das auf die Vorgaben des Kanzleramts, der andere auf das Bundeskriminalamt, der dritte auf Corona. Noch am Vorabend hat Merkel in München vor mehreren hundert Zuschauern die Internationale Automobil-Ausstellung eröffnet.

„Dafür zahlen wir gern unsere Steuern.“

In Iserlohn übersteigt die Zahl der Polizisten und BKA-Beamten die der Neugierigen bei weitem. Die Bundeskanzlerin besucht ein Unternehmen im Sauerland – und fast niemand kriegt es mit. Wahlkampf ohne Wähler. Irgendwie absurd.

Sogar der Landrat des Märkischen Kreises Marco Voge (CDU) und der Iserlohner Bürgermeister Michael Joithe werden nur fürs Bild gebraucht, als sich Merkel ins Goldene Buch der Stadt einträgt. Statisten ohne Sprechrolle. Sie nehmen es locker.

Angela Merkel ist nach Iserlohn gekommen, auch weil dort das Herz des Wahlkreises von Paul Ziemiak schlägt. Kein Wunder, dass die Kanzlerin den CDU-Generalsekretär am Ende „für seinen Einsatz in seiner Heimat“ lobt. Ein bisschen Wahlkampf-Medizin. Gelobt wird sowieso ziemlich viel. Merkel schmeichelt dem Familienunternehmen, das den Wandel der Gesundheitsbranche „mutig und aktiv“ gestalte. Und Medice-Geschäftsführerin Dr. Katja Pütter-Ammer sagt zur Besucherin: „Sie waren mir in Ihrer Führungsstärke als Frau immer ein Vorbild und Inspiration zugleich.“

Unternehmen stellt sich neu auf

Die Chefin ist Merkel-Fan, daraus macht sie keinen Hehl, als sie die „geschickte Art“ der Politikerin rühmt, „mit dem ein oder anderen dominanten Mann umzugehen“. Merkel habe in 16 Jahren ideale Rahmenbedingungen für einen prosperierenden Mittelstand in Deutschland geschaffen. „Dafür zahlen wir gern unsere Steuern.“ Merkel freut’s; das hört sie sicher selten von Unternehmern.

Durchaus möglich, dass Medice in Zukunft noch mehr Steuern zahlen wird. Nicht etwa, weil die Abgabenlast steigen könnte, sondern weil das Unternehmen expandiert und sich neu aufstellt. Die Öffentlichkeit kennt die Firma vor allem wegen ihres Erkältungsmedikaments Meditonsin. Nun setzt Medice auch auf die Digitalisierung und arbeitet etwa an Gesundheits-Apps.

Im Unternehmens-Sprech heißt das: Man entwickele sich „vom reinen Arzneimittelhersteller hin zu einem deutlich breiter aufgestellten, holistisch agierenden Gesundheitsunternehmen, das sich neben der pharmazeutischen Medizin (...) zunehmend mit innovativen Konzepten in den von der Regierung politisch geförderten Bereichen Digital Health und Nachhaltigkeit engagiert“. Der Kanzlerin gefällt’s. Damit könne man sich zukünftig vielleicht vor allem im ländlichen Raum so manchen Gang zum Arzt ersparen, sagt sie. Und eilt davon.