Hagen. Keinen Plan B, aber Impfen auf dem Schulhof? Volker Clauberg, Vorstandsmitglied der Landeselternschaft, über Versäumnisse vor dem Schulstart.
Volker Clauberg (49) aus Iserlohn ist Vorstandsmitglied der Landeselternschaft in Nordrhein-Westfalen. Seine ältere Tochter hat gerade Abitur gemacht, die jüngere ist jetzt in die Oberstufe gekommen. Auch für sie geht in dieser Woche das neue Schuljahr los - erneut unter Corona-Bedingungen.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie als Vater und Elternvertreter auf den Schulstart?
Volker Clauberg: Ich freue mich für die Kinder, dass es wieder losgeht. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die Ferien von der Politik erneut nicht genutzt wurden, um die Schulen sicherer zu machen. Einen Plan B zu Lüften und Maske tragen scheint es nicht zu geben.
Das Ministerium sagt, dass alles getan worden sei.
Was bitte ist denn getan worden? Es gibt Gelder für Luftfilteranlagen, aber nur für Räume, die schwer oder nicht zu lüften sind. Ich wüsste keine Schule in Iserlohn, Hagen, Dortmund, in der die Luftfilter zahlreich aufgestellt worden wären.
Der Nutzen der Geräte wird angezweifelt.
Wenn die nichts bringen, dann frage ich mich, warum die in vielen Ämtern und den Büros der Landes- und Bundesregierung stehen. Wenn man sich nur ein bisschen Lüften sparen kann bei minus fünf Grad im Winter, wäre das ja schon hilfreich. Bildung scheint nichts kosten zu dürfen und das ist ein Unding. Das Problem ist, dass sich Schulministerium, Bezirksregierung, Kreise und Städte die Verantwortlichkeiten hin und her schieben.
Das Schulministerium hat am Freitag weitere Gelder in Aussicht gestellt für zusätzliches Schulpersonal und Nachhilfe. Gute Idee?
Ja, durchaus, sie kommt nur wie immer ein bisschen spät. Aber die Schulen sind ja gewohnt, etwas von jetzt auf gleich umsetzen zu müssen. Gut und richtig ist, dass im Infektionsfall nicht mehr die gesamte Klasse in Quarantäne muss, sondern lediglich direkte Sitznachbarn. Wünschenswert wäre zudem die Abkopplung vom Inzidenzwert. Die Schulen wieder zu schließen, muss um jeden Preis verhindert werden, denn die Schäden, die dann vor allem im psychologischen Bereich entstehen, sind kaum zu reparieren.
Die Politik will ebenfalls zurück zur Normalität und einen Lockdown vermeiden.
Es ist viel Vertrauen verloren gegangen. Gesagt wurde immer wieder, dass die Schulen als letzte schließen werden und als erste wieder öffnen. Tatsache aber war das Gegenteil. Mit Verlaub: Selbst der Frisör hatte früher wieder geöffnet. Frankreich, Spanien, Schweden und andere Länder haben es vorgemacht – diese Länder haben die Schulen, zumindest im zweiten Lockdown, geöffnet gelassen und sind damit auch nicht schlechter gefahren als Deutschland.
Haben Sie oder andere Eltern keine Sorge um die Kinder, die ja zu einem großen Teil noch nicht geimpft werden können und sollen.
In der Elternschaft gibt es natürlich gemischte Gefühle. Ich kenne keine einzige Schule, die als Hotspot und damit als Ort der massenhaften Verbreitung der Viren identifiziert worden wäre. Und wenn Kinder sich doch infizieren, dann in der Regel harmlos. Warum gibt es hierzu noch keine Studie?
In anderen Bundesländern hat es schon aufsuchende Impfangebote auf Schulhöfen gegeben. Die Stadt Düsseldorf hat angekündigt, dies bald an weiterführenden Schulen zu machen. Wie finden Sie das?
Das ist etwas fragwürdig, an Berufsbildenden Schulen finde ich es in Ordnung, da sind die Schüler meist volljährig. Es gibt Menschen, die sagen, dass Kinder ab 14 Jahren die Entscheidung, ob sie sich impfen lassen, selbst treffen können. Ich sehe das etwas anders und warne davor, Strukturen zu schaffen, in denen Eltern bei dieser Entscheidung so leicht übergangen werden können. Dieses Angebot setzt Schüler und Eltern unter Druck. Die Ständige Impfkommission empfiehlt nun auch ab 12 Jahren die Impfung, aber es sollten bitte die Eltern in die Entscheidung einbezogen werden. Wählen dürfen die Kinder und Jugendlichen ja auch erst ab 18 Jahren.
Wie hätte die Politik die Zeit besser nutzen können?
Neben der Versorgung mit Luftfiltern wäre eine Aufstockung des Personals hilfreich gewesen, um Klassengrößen verringern zu können, damit nicht mehr 30 oder mehr Schüler in einem Raum hocken müssen. Wer weiß, vielleicht haben wir in unserer globalisierten Welt bald alle zehn Jahre die Nöte wie derzeit. Dann wären kleinere Klassen hilfreich. Zudem sind nur ca. 30 Prozent der Schulen in NRW an schnelles Internet angeschlossen. Die digitalen Endgeräte, die angeschafft wurden, können deswegen manchmal nicht effektiv genutzt werden. Zudem sind noch immer keine Strukturen geschaffen worden, die die Wartung und den Support dieser Geräte sicherstellen.