Kirchhundem. Frank Tauscher ist seit 25 Jahren der Wirt der Berghütte „Alpenhaus“ bei Kirchhundem. Er lebt dort alleine und fühlt sich pudelwohl.

Manchmal verirren sich Tiere aus Wald und Feld zu Frank Tauschers Refugium. Womöglich schätzen auch sie die Ruhe des Ortes, wo sich tatsächlich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. „Ich möchte hier nicht mehr weg“, sagt der Hausherr und öffnet die Tür zu seiner Berghütte „Alpenhaus“.

Der Gastraum mit seinen fünf Tischen und dem grünen Kachelofen ist Frank Tauschers Wohnzimmer.
Der Gastraum mit seinen fünf Tischen und dem grünen Kachelofen ist Frank Tauschers Wohnzimmer. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Dem Internet-Lexikon „Wikipedia“ zufolge handelt es sich um einen „Wohnplatz mit einem Einwohner im Nordosten der Gemeinde Kirchhundem“. Der eine Einwohner ist Frank Tauscher, gebürtiger Sachse und längst Sauerländer durch und durch.

Lange Anfahrt mit dem Pkw

Dass der 55-Jährige kein Eremitenleben führen muss, dafür sorgen Übernachtungsgäste und einkehrende Wanderer und Mountain Biker in der „wohl urigsten Hütte nördlich der Alpen“ (Eigenbeschreibung). Oder Pkw-Ausflügler, die die landschaftlich reizvolle Anfahrt über eine Schotterpiste gerne in Kauf nehmen.

Im kommenden November ist Tauscher ein Vierteljahrhundert Hüttenwirt im Sauerland. Wer ihm noch nicht begegnet ist, hat etwas verpasst.

Neben der eigentlichen Hütte werkelt Tauscher seit Jahren an einem Neubau. „Wenn man so will, wohne ich dort auf 180 Quadratmetern und nutze aber eigentlich nur das Bad und das Schlafzimmer.“ Die meiste Zeit ist er in der Gaststube: „Das ist mein Wohnzimmer“, sagt er und lässt die Besucher von der Zeitung in die heiligen Hallen.

Ein Gästezimmer mit Etagenbetten auf beiden Seiten. Es geht rustikal, aber heimelig zu in Frank Tauschers Alpenhaus.
Ein Gästezimmer mit Etagenbetten auf beiden Seiten. Es geht rustikal, aber heimelig zu in Frank Tauschers Alpenhaus. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Es geht zünftig, aber heimelig zu in der guten Stube des Alpenhauses. Von den fünf Tischen mit insgesamt 34 Sitzplätzen sticht besonders hinten links der große runde ins Auge. Eine Plastikpflanze steht auf dem rot-weiß karierten Tischläufer im Aussehen der Vorhänge. Gäste nehmen auf Sitzkissen Platz, auf denen Sterne, Eiskristalle und Herzen aufgenäht sind.

Schöne Aussicht in Vollendung

Das Herz geht einem über, wenn man durch das Fenster in die Ferne schaut. Schöne Aussicht in Vollendung. Der Blick reicht an klaren Tagen bis zur Nordhelle, hier findet sich die Antwort auf die Frage, warum das Sauerland das Land der tausend Berge ist. „Wenn Leute hier ankommen und von der Terrasse die Umgebung genießen, bekommen sie den Mund nicht mehr zu“, sagt Tauscher und zeigt auf die malerische Kulisse eines Prachtexemplars von Baum im Hintergrund, das schon „eine Million Mal fotografiert wurde“. Postkarten-Idylle.

Nach getaner Arbeit setzt sich Frank Tauscher gerne zu seinen Gästen und hält mit ihnen ein Pläuschchen, wie man in der Gegend sagt. Mit einem Vorstand eines Autokonzerns hat er am runden Tisch neben dem Kachelofen eine Runde Skat gespielt. „Seine Kollegen hatten ihm gesagt, er solle mal runterkommen.“ Wenn nicht hier, wo sonst?

Lieblingsplatz - für Hüttenwirt Frank Tauscher gilt dies allemal.
Lieblingsplatz - für Hüttenwirt Frank Tauscher gilt dies allemal. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Man schläft hier himmlisch“, sagt Frank Tauscher. Im Alpenhaus ist man tatsächlich dem Himmel ganz nah. „Man hört höchstens etwas Vogelgezwitscher“, so der Hüttenwirt, „aber das ist doch schöner Lärm.“

Beste Voraussetzung für einen ausgiebigen Schlaf. Was steht auf dem Aufkleber in der Küche? „Wenn allzu früh der Morgen graut, dann ist der ganze Tag versaut.“

Zwei Etagenbetten auf beiden Seiten

Wie es in einer urigen Berghütte Usus ist, sind die zwölf Gästezimmer eher rustikaler Art. Frank Tauscher ist die schmale Treppe nach oben gestiegen und öffnet nun die Tür zum ersten Zimmer links. Zwei Etagenbetten auf beiden Seiten, Bad und Toilette befinden sich auf dem Flur. Man hält sich ja die wenigste Zeit in den Schlafräumen auf.

Der Übernachtungspreis ist unschlagbar günstig: 20 Euro, inklusive Frühstück. Und tagsüber ist Hausmannskost angesagt. So lässt Tauscher, gelernter Metzger, seinen Koch Schnitzel („nur aus der Pfanne!“) zubereiten oder im Herbst auch schon einmal Wildschwein-Gulasch. Im Winter hat er „kesselweise“ Erbsensuppe durchs Hüttenfenster gereicht. Erbsensuppe to go.

Sehr beliebt bei den Gästen ist auch die Terrasse mit dem Traumblick auf die tausend Berge.
Sehr beliebt bei den Gästen ist auch die Terrasse mit dem Traumblick auf die tausend Berge. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

An Ruhetagen können sich Wanderer mit Getränken aus einem Kühlschrank mit Glastür bedienen. Bezahlt wird in die „Kasse des Vertrauens“, wie es Tauscher nennt. Auch im siebenmonatigen Lockdown bestand dieser Service.

Schwierige Pandemie-Zeit

Apropos Corona: „Wegen der fehlenden Einnahmen wurde es sehr knapp für mich“, sah Tauscher sein Lebenswerk, sein Zuhause in Frage gestellt. Er hat das Alpenhaus vor einem Vierteljahrhundert von seinen Eltern übernommen.

„So lange ich fit bin“, sagt er, „mache ich das weiter.“ Man solle einfach mal nach draußen schauen und die Bilder wirken lassen: „Es ist einmalig hier, einfach nur genial.“

Und doch: Ist es nicht manchmal arg einsam dort oben auf den Bergen­: „Och“, sagt Tauscher im Sauerländer Slang, „hier oben ist immer etwas zu tun.“ Sagt’s und gesteht­, dass die Winterabende schon einmal etwas lang werden können. Wenn es um 17 Uhr dunkel ist „und keiner mehr vorbeikommt“. Dann erledigt er den leidigen Bürokram oder schaut fern. Im vergangenen August hat er sich wieder ein TV-Gerät zugelegt. Nach fünf Jahren Pause.

Auf Wandertour in Österreich

Frank Tauscher lebt in einem anerkannten Wanderparadies. Und doch geht der 55-Jährige – wenn nicht gerade ein unbarmherziges Virus umherschwirrt – einmal im Jahr auf Wandertour in Österreich. „Eigentlich ist das bescheuert“, sagt er und blickt beseelt auf seine Gaststube, sein Wohnzimmer: „Ich mache eine Hütten-Tour, wo ich doch selbst die schönste Hütte der Welt habe.“

Hintergrund

Das Alpenhaus wurde 1934 erbaut. Als „Sauerlandhütte des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins der Sektion Essen“ - baugleich mit der Neuen Essener Hütte, einer Hochgebirgshütte in Osttirol.

Zur Hütte gehört eine Bio-Kläranlage. Für die Wasserversorgung steht ein 98 Meter tiefes Bohrloch parat.

Zum nächsten Supermarkt in Kirchhundem sind es elf Kilometer. „Da fährt man nicht mal eben wegen eines Stücks Butter hin“, so Frank Tauscher.

Das Alpenhaus wurde im Jahr 1934 erbaut. Als „Sauerlandhütte des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins der Sektion Essen“ – baugleich mit der Neuen Essener Hütte, einer Hochgebirgshütte in Osttirol.

Zur Hütte gehört eine Bio-Kläranlage. Für die Wasserversorgung sorgt ein 98 Meter tiefes Bohrloch.

Zum nächsten Supermarkt in Kirchhundem sind es elf Kilometer. „Da fährt man nicht mal eben wegen eines Stücks Butter hin“, so Frank Tauscher.