Hagen. Die Impfempfehlung von Bund und Ländern für Schüler ab 12 Jahren spaltet die Elternschaft. Eine Mutter sagt, warum sie ihre Kinder impfen lässt.

Eltern fühlen sich nach der Entscheidung von Bund und Ländern, allen Schülern ab 12 Jahren ein Impfangebot zu machen, unter Druck gesetzt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte eine generelle Impfung gegen das Virus für Minderjährige nicht befürwortet.

Volker Clauberg, zweifacher Vater, gehört zur Gruppe der Mütter und Väter, die ihre Kinder derzeit nicht impfen lassen wollen. Er kritisiert die Entscheidung: „Zu Beginn der Pandemie hat die Politik gesagt, dass man auf Experten hören wolle. Und was ist jetzt?“

Elternschaft ist verunsichert und gespalten

Wieder einmal, so der Vorsitzende der Schulpflegschaft am Gymnasium in Iserlohn-Letmathe, würden Eltern im Regen stehen gelassen – „und wieder einmal sind die Kinder die Verlierer“.

Dass sich die Politik gegen die Stiko stellt, habe die Elternschaft „verunsichert und gespalten“, so Clauberg. Er ist bereits geimpft, kein Impfskeptiker oder gar -gegner, wie er betont. Er möchte allerdings derzeit nicht, dass seine 16-jährige Tochter ein Vakzin erhält: „Es sind zu viele Fragezeichen. Und es sieht so aus, dass eine Covid-19-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen weniger Risiken birgt als eine Impfung.“

Eine Form der Erpressung

Clauberg wirft der Politik vor, dass sie mit ihrer Impfempfehlung für Heranwachsende ab 12 Jahren von der stotternden Impfkampagne ablenken und den Streit um Freiheiten für Geimpfte und Nichtgeimpfte ins Klassenzimmer verlegen wolle. „Kinder und Eltern werden erpresst. Es ist fatal, wenn der ausschlaggebende Grund für eine Impfung nicht mehr der Schutz vor einer Erkrankung ist, sondern die Hoffnung, schneller Freiheiten zurückzubekommen.“

Silke Cielaszyk aus Hallenberg hingegen steht voll und ganz hinter Bundesgesundheitsminister Spahn und Landesgesundheitsminister Laumann (beide CDU): „Für mich als dreifache Mutter war es keine Frage, ob ich meine Kinder impfen lasse“, berichtet die 41-Jährige. Sie arbeitet als Krankenschwester in einer Reha-Einrichtung, wo viele Menschen mit Covid-Langzeitfolgen zu kämpfen hätten. „Die meisten davon sind mittleren Alters, ab 40.“ Sie will nicht, dass ihre Kinder der Grund dafür sind, dass andere Menschen schwer erkranken.

Lange Schlange am Impfzentrum

Ihre 17 Jahre alte Tochter wurde bereits im Juni durchgeimpft. „Letzten Samstag waren wir spontan im Impfzentrum Olsberg. Dort sind mein 12-jähriger Sohn und meine 14-jährige Tochter geimpft worden.“ Sie hätten Geduld aufbringen müssen. „In der Schlange standen Eltern mit 53 angemeldeten Kindern und Jugendlichen und 50 unangemeldete. Nach zweieinhalb Stunden waren wir an der Reihe.“

Mit Blick auf den Präsenzunterricht ist Silke Cielaszyk froh, dass ihre Kinder diesen Schritt gegangen sind. Sie sollten nicht zur verlorenen Generation gehören. Die Folgen des Schulausfalls beurteilt die Sauerländerin als eines der größten gesellschaftlichen Probleme, „die es zu lösen gibt“.

Warten auf aussagekräftigere Studien

Stefan Dreisbach aus Bad Berleburg ist dagegen froh, dass seine Kinder zu jung für den Piks sind: „Meine Tochter ist 8, mein Sohn 10.“ Er werde zwei Jahre abwarten, ob es Langzeitfolgen gibt, erzählt der 41-Jährige: „Bis dahin wird es aussagekräftigere Studien geben.“ Zum jetzigen Zeitpunkt würde er seinen Nachwuchs nicht impfen lassen. „Da bin ich mit meiner Frau – wir beide sind übrigens geimpft – einer Meinung.“ Seine Tochter würde sich sofort impfen lassen. Sie habe nur einen Wunsch: endlich wieder die Freiheiten zu genießen, die sie vor der Pandemie gehabt habe.

Viele Nachfragen von Eltern

Dr. Herbert Vitt ist Kinder- und Jugendarzt in Siegen und hat zuletzt viele Nachfragen von Eltern entgegennehmen müssen, sagt er. „Es kommen viele Eltern, die ihre Kinder impfen lassen wollen.“ Die Praxis habe sich immer an die Empfehlungen gehalten und nur vorerkrankte Kinder und Jugendliche geimpft, als der Impfstoff knapp war. „Jetzt ist die Situation eine andere“, macht Vitt klar. „Es gibt genug.“

Medizinisch spreche aus seiner Sicht nichts gegen eine Impfung für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. „Häufig kommt der Impf-Wunsch auch ihnen selbst. Denn sie wollen auch wieder mehr Freiheiten haben und nicht immer auf Tests angewiesen sein“, erzählt der Arzt.

Gute Erfahrungen mit Impfungen gemacht

Gerade bei den Eltern spüre er teilweise aber schon eine Verunsicherung: „Hier setzt dann die Beratung über mögliche Risiken an, die bei einer Corona-Impfung relativ gering sind.“ Viele Eltern wollten ihre Kinder aber auch impfen lassen, weil sie selbst schon gegen Corona geimpft sind und „damit gute Erfahrungen gemacht haben“.