Hagen. Die Handwerker sollen ihre Prioritäten neu setzen und im Zweifel erst Aufträge von Flut-Opfern bearbeiten. Dabei sind viele selbst betroffen.

Handwerker sollen angesichts der Unwetter-Katastrophe ihren Aufträgen eine neuen Reihenfolge geben und im Zweifelsfalle erst den Flut-Opfern helfen. Diesen Appell richtet Jochen Renfordt, der Präsident der Handwerkskammer Südwestfalen, an seine Mitgliedsbetriebe. Gleichzeitig betont er aber – genauso wie sein Amtskollege Berthold Schröder von der Kammer in Dortmund –, dass auch viele Handwerker zu den Opfern der Fluten gehören.

„Wir haben ein eigenes Internetportal bei der Handwerkskammer Südwestfalen eingerichtet, wo Mitgliedsbetriebe Schäden melden können“, so Renfordt. Bislang habe ein Viertel der Mitglieder daran teilgenommen. „30 Prozent davon sind zum Teil schwer betroffen“, sagt Jochen Renfordt, und berichtet etwa von einem Elektrobetrieb in dem von der Flut besonders betroffenen Altena. „1,50 Meter hoch stand da das Wasser im Lager. 80 Prozent des Inventurbestands sind zerstört, darunter wertvolle Teile, die derzeit bei der allgemeinen Materialknappheit nur schwer zu bekommen sind. Deren Lager ist quasi vernichtet.“

Oder der Tischler Dirk Tabert aus Hagen-Hohenlimburg, durch dessen Betrieb im besonders betroffenen Nahmertal die Massen flossen. „Wenn ich die Maschinen neu kaufen müsste, müsste ich mehr als 100.000 Euro in die Hand nehmen“, so der 59-Jährige gegenüber unserer Zeitung. „Was soll ich machen? Ich werde versuchen, die Schreinerei wieder aufzubauen.“

Jochen Renfordt ist Präsidentn der Handwerkskammer Südwestfalen.
Jochen Renfordt ist Präsidentn der Handwerkskammer Südwestfalen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Um Betrieben wie diesen zu helfen, wollen die Kammern die Schäden erfassen, um in Verhandlungen mit dem Land zu Hilfen und Förderprogrammen zu gehen – ähnlich wie die Industrie und Handelsbetriebe (siehe Box). Und Jochen Renfordt hofft, dass der Staat dann aus den Corona-Hilfen gelernt haben wird. „Das war zunächst auch sehr unbürokratisch, aber dann wurden mittendrin die Regeln geändert. Das darf hier nicht passieren.“ Und Berthold Schröder von der Kammer in Dortmund verspricht: „Wer Hilfe benötigt, kann sich jederzeit an uns wenden.“

Sorge wegen Materialknappheit

Bei allen Handwerksbetrieben, die nicht von der Flut betroffen sind, hofft Malermeister Jochen Renfordt, der selbst in Iserlohn einen Betrieb hat, darauf, dass die Mitgliedsbetriebe flexibel sind: „Als Präsident der Handwerkskammer Südwestfalen bitte ich alle Handwerksbetriebe, die dazu in der Lage sind, Aufträge von vom Unwetter betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie von beschädigten oder zerstörten Betrieben zu priorisieren und ihren Beitrag zur Linderung der Not zu leisten.“

Die Handwerksbetriebe sollten mit ihren Kunden sprechen. Und er hofft dabei auch ganz klar auf das Verständnis anderer Kunden: „Das wird angesichts der schrecklichen Bilder jeder verstehen und zustimmen, dass ein nicht so dringender Auftrag verschoben wird. Den Kunden, der dafür kein Verständnis aufbringen wird, den kenne ich nicht“, so Renfordt. Er hoffe, dass jetzt die Materialknappheit in vielen Bereichen – sei es Holz, seien es Elektroinstallationen – , die schon vor der Flut dem Handwerk Probleme bereitet hatten, nicht die nötigen Arbeite behindere.

Aber auch an den Staat äußert er Erwartungen -- nicht nur für seine Betriebe, sondern für alle Betroffenen: Versorgungsleitungen müssten instandgesetzt und Straßen wiederhergestellt werden, Wohnraum wieder bewohnbar und Unternehmen wieder leistungsfähig gemacht werden. „Da ist auch die Politik gefordert, schnell zu handeln“, so Jochen Renfordt. „Mit Hilfsprogrammen und Finanzmitteln in erheblichem Umfang, die schnell bei den Opfern ankommen.“

>> INFO: Unternehmen sollen Flutschäden melden

  • Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) ruft jetzt alle von der Unwetter-Katastrophe betroffenen Unternehmen auf, ihre Schäden zentral auf www.sihk.de/hochwassermeldung zu melden.
  • „Damit das Land Programme und Hilfsmittel auf den Weg bringen kann, müssen diese Schäden gemeldet und aufgenommen werden“, so die SIHK. In den nächsten Tagen seien, basierend auf den Rückmeldungen , weitere Abstimmungsgespräche zu finanziellen Hilfsprogramme mit der Landespolitik geplant.