Schwelm. Katastrophenschutz-Experte Hartmut Ziebs, früherer Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, fordert eine verbesserte Warninfrastruktur.

Der ehemalige Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs aus Schwelm, hat sich einst auch in politischen Gremien einen Namen als Experte in Sachen Katastrophenschutz gemacht. Er kritisiert Versäumnisse beim Katastrophen- und Bevölkerungsschutz.

Der Präsident des Bundesamts für Katastrophenschutz hat gesagt, dass die „Warninfrastruktur vollständig funktioniert“ habe. Die örtlichen Behörden und die Bevölkerung hätten aber nicht sensibel genug reagiert. Teilen Sie diese Ansicht?

Hartmut Ziebs: Man macht es sich zu einfach, wenn man die Verantwortung auf die Kommunen abwälzt. Ich fordere schon seit langem, dass wieder mehr Sirenen in Betrieb genommen werden. Man kann sich auch im Digitalzeitalter nicht darauf verlassen, dass jeder Mensch ein Smartphone mit der Warn-App Nina besitzt. Uns fehlt ein flächendeckendes Warnsystem, das auch bei Stromausfällen wirkt.

Wie könnte dieses Warnsystem aussehen?

Der Schwelmer Hartmut Ziebs kandidiert bei der Bundestagswahl für die CDU im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Der Schwelmer Hartmut Ziebs kandidiert bei der Bundestagswahl für die CDU im Ennepe-Ruhr-Kreis. © rd

Sirenen und Warnapps sind enorm wichtig. Aber, uns das haben die jüngsten Ereignisse gezeigt, was nützen digitale Instrumente, wenn sie bei Stromausfällen nicht genutzt werden können, wenn Kommunikationsverbindungen in Krisengebiete unterbrochen werden? Man darf sich also nicht nur auf die Technik verlassen: Sie können mich für altmodisch halten: Aber in manchen Situationen funktioniert nur noch die Meldung mit Papier und Bleistift und zu Fuß.

Waren die jüngsten Überflutungen eine vermeidbare Katastrophe?

Vermeidbar nicht, weil solche Niederschlagsmengen nicht beeinflussbar sind. Aber man kann die Folgen solcher Ereignisse lindern, indem man die Bevölkerung vernünftig warnt und Vorsorgemaßnahmen trifft – und sei es, dass ausreichend Flutflächen und Rückhaltebecken vorgehalten werden. Das Problem ist, dass über Katastrophen- und Bevölkerungsschutz immer nur dann diskutiert ist, wenn etwas passiert ist. Es ist ein unbequemes Thema, für dessen Umsetzung man auch noch Geld in die Hand nehmen müsste.

Ist die Bevölkerung ausreichend vorbereitet auf solche Naturkatastrophen?

Nein, die Selbsthilfeausbildung der Bevölkerung ist mangelhaft. Viele wissen nicht, wie sie sich bei Hochwassergeschehen oder auch bei Bränden richtig verhalten. Hier müssen Bund und Länder dringend nachsteuern und es sich nicht so einfach machen, indem sie auf die Zuständigkeit der Kommunen verweisen. Die Menschen brauchen Handlungshinweise: zum Beispiel, dass sie für Krisen einen Vorrat an bestimmten Dingen zu Hause haben.

Vor fünf Jahren wurde der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière für seinen Hinweis belächelt, dass Trinkwasser, Nudeln und Kerzen für Notfälle in jeden Haushalt gehören. Wie stehen Sie dazu?

Er wurde verspottet. Dabei hatte er recht.

Scheitert der Bevölkerungsschutz bisweilen an Kompetenzgerangel zwischen Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen?

Leider ja. Oftmals verstecken sich Entscheidungsträger hinter dem Föderalismus. Nach meiner Ansicht müsste der Bund unter bestimmten Voraussetzungen eine koordinierende Rolle spielen können. Aber dazu fehlt bislang die gesetzliche Grundlage. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll dies sein kann.