Brilon. Die Hausarztpraxen erhalten überwiegend Astrazeneca. So mancher angerufene Patient sagt ab und will erst einmal „googeln“.
Durch den Wegfall der Priorisierung verzeichnen die Praxisärzte in der Region eine noch größere Impf-Nachfrage. Die Telefone stehen nicht mehr still. Eine organisatorische Herausforderung für die Hausärzte, weil sie zu großen Teilen mit Astrazeneca beliefert werden. Da nicht alle angerufenen Patienten mit dem britisch-schwedischen Vakzin behandelt werden wollen, geht viel Zeit verloren.
Nervenzerrende Herausforderung
Dr. Thomas Kretzschmar (Foto) führt seine Arztpraxis in Brilon in dritter Generation. Vor 100 Jahren wurde sie eröffnet. Seine Mitarbeiter, so der 68-Jährige, arbeiteten zurzeit am Limit: „Zweieinhalb Tage sind sie damit beschäftigt, telefonisch Impftermine zu verteilen.“ In dieser Woche 80. Das zerre nicht selten an den Nerven. „Wenn sie ein intensives Impfgespräch führen, dann drehe ich schon mal auf den Absatz um. Da will ich auf keinen Fall stören.“
Kretzschmar ist froh, über die Entscheidung, die Impfpriorisierung für die Hausärzte fallenzulassen und Astrazeneca für unter 60-Jährige freizugeben. „Auf diese Ansage haben wir gewartet“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn jemand 58 Jahre alt war und es brauchte, dann bekam er Astrazeneca auch vor dem Laumann-Brief aus Düsseldorf.“ Es sei ja auch nicht verboten gewesen. Selbst bei Frauen unter 60 Jahren nicht, die über die Risiken aufgeklärt wurden und es wollten.
Enormer Zeitaufwand
Biontech/Pfitzer, erzählt der Arzt, sei bei allen angerufenen Patienten willkommen: „Das geht weg wie warme Semmel.“ Nach wie vor bekommen die Hausarztpraxen aber überwiegend Astrazeneca. Leider lehne jeder Zehnte dieses Vakzin ab, berichtet der 68-jährige Arzt. „Das bedeutet zehn Prozent mehr Zeitaufwand.“ Es komme nicht selten vor, dass am anderen Ende der Telefonleitung um Bedenkzeit gebeten werde. Manche wollten „erst einmal googeln“, andere sich am nächsten Tag noch einmal melden. „Das hält natürlich auf.“
Kritik an negativer Berichterstattung
Eine Mitschuld, so der Hausarzt, trügen auch die Medien, die eine negative Berichterstattung über Astrazeneca übertrieben hätten. „Angesichts der vernichtend geringen Zahl an Komplikationen, ist es kaum zu verstehen, dass da immer noch nachgelegt wird.“ Besser hätte man ein Medikament nicht schlecht reden können.
Diese Woche wurden in der Briloner Praxis 88 Patienten geimpft. „Nach einem Telefonmarathon“, wie Kretzschmar sagt. Am nächsten Montag werde wieder geliefert. Voraussichtlich ein Drittel Biontech/Pfitzer, zwei Drittel Astrazeneca. Er selbst, er impfe alles, nur „Sputnik V“ nicht.