Arnsberg. Friedrich Merz will zurück in den Bundestag. Bei einer Wahl würde er auf sämtliche Nebentätigkeiten verzichten, sagte er der WESTFALENPOST.

„100 Prozent für das Sauerland“, verspricht Friedrich Merz für den Fall, dass er im Herbst wieder in den Bundestag einziehen sollte. Zuvor muss er noch die Kampfkandidatur gegen den amtierenden CDU-Hochsauerland-Abgeordneten Patrick Sensburg gewinnen. Wir haben mit Merz gesprochen.

Sie wollen wieder für den Bundestag kandidieren. Warum?

Ich bin 2018 in die Politik zurückgekehrt, weil ich der tiefen Überzeugung war, dass es in dieser für uns alle schweren Zeit politische Erfahrung und Führung braucht. In den Wochen nach der verlorenen Wahl um den Parteivorsitz habe ich erst einmal etwas Zeit für mich gebraucht, viel nachgedacht und mich mit guten Freunden beraten. Ihr Zuspruch hat mich schließlich ermutigt, in meiner persönlichen und politischen Heimat noch einmal mit ins Rad zu greifen. Ich will ganz einfach der CDU im Hochsauerlandkreis und darüber hinaus helfen, die Wahlen im September zu gewinnen.

Aber es gibt dort schon einen CDU-Bundestagsabgeordneten. Hat Patrick Sensburg seine Arbeit schlecht gemacht?

Er hat selbst gesagt, dass ihn die Kandidatur anderer Bewerber nicht überrascht. Das Mandat wird alle vier Jahre neu besetzt. Zudem hatte die CDU in Meschede mit Bernd Schulte ja schon einen neuen Kandidaten nominiert. Er hat dann allerdings gesagt, er würde verzichten, wenn ich mich zur Wahl stelle. Patrick Sensburg und ich kennen uns gut, wir respektieren uns. Wir werden uns einen offenen und fairen Wettbewerb liefern.

„Vorwurf schlechter Stil ziemlich daneben“

Trotzdem ist die CDU im Sauerland für ihre Einigkeit bekannt. Was sagen Sie zum Vorwurf, die Kampfkandidatur sei Ausdruck eines schlechten politischen Stils?

Den Vorwurf kenne ich nicht. Und er wäre auch ziemlich daneben, schließlich leben wir in einer Demokratie. Die Initiative ging im Übrigen nicht von mir aus, sondern von zwei großen Stadtverbänden, die mich einstimmig vorgeschlagen haben.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen im HSK ein?

Sie sind gut, denke ich, aber die Delegierten entscheiden.

Warum haben Sie das Angebot, für den Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis anzutreten, nicht angenommen?

Weil das Hochsauerland meine Heimat ist, ich lebe hier und möchte die Menschen in meinem Wahlkreis in Berlin vertreten. Einen Wahlkreis sucht man sich auch nicht einfach aus, wir würden im Hochsauerland doch auch keinen Kandidaten von außerhalb wollen, wenn wir gute eigene Bewerber haben.

Kritiker glauben, Ihnen liegt die Bundespolitik mehr am Herzen als der Wahlkreis. Richtig?

Falsch. Ich habe hier meine Wahlkreisarbeit immer gern und mit Engagement gemacht – selbstverständlich auch dann, als ich in der Wahlperiode 2005 bis 2009 kein Amt mehr in Partei und Fraktion hatte. Das wird auch in Zukunft so sein. Ich werde auch keine beruflichen Tätigkeiten außerhalb der Politik ausüben, sollte ich gewählt werden. Ich habe mich in einer relativ späten Lebensphase entschieden, noch einmal für ein politisches Mandat zu kandidieren. Das ist eine Entscheidung zu 100 Prozent.

„Werde Vorsitz im Aufsichtsrat niederlegen“

Das heißt, Ihre Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzender des Arnsberger Unternehmens WEPA würden Sie dann auch beenden?

Ich habe dieses Unternehmen und die Inhaberfamilie über mehr als zwölf Jahre sehr eng beruflich begleitet. Im letzten Jahr habe ich bereits einige berufliche Tätigkeiten beendet, im Falle meiner Wahl in den Bundestag werde ich auch den Vorsitz im Aufsichtsrat und die Mitgliedschaft dort niederlegen und mich voll auf meine politische Arbeit konzentrieren.

Aber Sie werden sich im Bundestag doch nicht nach hinten setzen, oder?

Ich werde mich an den notwendigen politischen Diskussionen beteiligen und will im Falle meiner Wahl versuchen, der CDU die notwendige Unterstützung zu geben, insbesondere in den Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Da scheint mir in den letzten Jahren einiges zu kurz gekommen zu sein.

Also streben Sie kein Amt im Bund an?

Ich bewerbe mich um die Nominierung und um das Bundestagsmandat im Hochsauerlandkreis. Alles Weitere ist im Moment irrelevant. Von meinem Grundverständnis her bin ich in erster Linie immer Parlamentarier gewesen. Der Bundestag ist für mich kein Durchlauferhitzer und auch kein Abkühlbecken für Regierungskarrieren. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass das Parlament in den vergangenen Jahren eine zu geringe Rolle gespielt hat, vor allem in der Corona-Pandemie. Wir brauchen ein starkes Parlament, und das gibt es nur mit starken Parlamentariern.

Kritik an Bund-Länder-Konferenz

Der Bundestag hat nicht mehr genug Macht?

Dass die Kanzlerin sich mit den Ministerpräsidenten abstimmt, ist notwendig und im föderalen Staat unverzichtbar. Aber dass daraus eine stehende Einrichtung wird, die im Verordnungsstil Maßnahmen bis ins Detail beschließt, entspricht nicht dem Verfassungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat keine Entscheidungskompetenzen. Sie kann allenfalls versuchen, die Länder zu koordinieren. Das letzte Wort haben immer die Parlamente. Es kann nicht sein, dass der Bundestag am Tag nach den Entscheidungen lediglich unterrichtet wird. Die Diskussion muss in den Tagen vorher stattfinden, und der Bundestag sollte entscheiden, welchen Spielraum die Regierung hat.

Warum haben Sie beim Parteitag nicht für das Präsidium kandidiert?

Ich habe auf eine Bewerbung für das Amt eines stellvertretenden Parteivorsitzenden verzichtet in der Annahme, dass ich damit die Wahl der weiblichen Mitglieder oder die von Thomas Strobl in Baden-Württemberg gefährdet hätte. Das war eine Fehleinschätzung, die ich im Nachhinein sehr bereut habe.

Bei den jüngsten Landtagswahlen musste Ihre Partei derbe Niederlagen einstecken. Warum?

Es gibt aus meiner Sicht drei Gründe: In Demokratien werden nicht Oppositionsparteien gewählt, sondern Regierungen abgewählt. Es gab aber weder in Rheinland-Pfalz noch in Baden-Württemberg eine Wechselstimmung. Zweitens geben wir als CDU im Moment insgesamt kein gutes Bild ab. Das hängt natürlich mit den Managementfehlern bei der Bewältigung der Corona-Krise zusammen, die leider überwiegend der Union angelastet werden, obwohl auch die SPD in der Bundesregierung Verantwortung trägt. Dritter Grund ist das unsägliche Verhalten einer kleinen Zahl von Abgeordneten aus unserer Fraktion.

„Bundesregierung in erster Linie der eigenen Bevölkerung verpflichtet“

Was werfen Sie der Bundesregierung in der Corona-Krise konkret vor?

Das Verständnis in der Bevölkerung für harte Maßnahmen schwindet rapide. Die Menschen fühlen sich einsam, Unternehmer fürchten um ihre Betriebe, Arbeitnehmer haben Angst um ihren Job. Umso schwerer wiegen dann natürlich Fehler bei der Maskenbeschaffung und Rückstände beim Impfen, die eine Rückkehr in die ersehnte Normalität verzögern. Das Bild der Bundesrepublik Deutschland nach innen und nach außen als ein Land, das Krisen effizient bewältigt, das Verwaltung und Organisation gut kann, nimmt jetzt dauerhaft Schaden. Es ist wie beim Berliner Flughafen.

Wer trägt die Schuld?

Das kann man nicht an einzelnen Personen festmachen. Dahinter steckt vielmehr ein paternalistisches Grundverständnis von staatlichem Handeln. Die Bundesregierung hat zu viele Kompetenzen an sich gezogen und zu wenige Aufgaben delegiert. Jüngstes Beispiel: Astrazeneca. Warum hat die Bundesregierung diesen Impfstoff nach den Befürchtungen um die Nebenwirkungen nicht in die Verantwortung der Hausärzte gegeben? Die Hausärzte hätten ihn mit entsprechender Aufklärung und Beratung sofort an Freiwillige verimpfen können. So hätten wir allein in dieser Woche ein paar hunderttausend Menschen mehr impfen können.

Aber das Hauptproblem ist doch der Mangel an Impfstoff.

Das ist richtig. Im Prinzip ist es ja auch richtig und vernünftig, das Vorgehen in der EU zu koordinieren. Aber eine Bundesregierung ist in erster Linie der eigenen Bevölkerung verpflichtet und hätte alles tun müssen, um für die deutsche Bevölkerung genug Impfstoff zu besorgen. Dieses Problem war seit dem Sommer des vergangenen Jahres bekannt.

Keine Absprache mit Armin Laschet über Posten

Kann Jens Spahn sich bis zur Bundestagswahl im Amt des Bundesgesundheitsministers halten?

Das ist eine Entscheidung der Bundeskanzlerin. Die PR-Abteilung seines Hauses macht jedenfalls einen guten Job.

Die Werte-Union will Sie nach wie vor als Bundeskanzler.

Die Frage der Kanzlerkandidatur muss zwischen den beiden Parteivorsitzenden entschieden werden, und zwar bald, auch um solche überflüssigen Diskussionen zu vermeiden. Wir brauchen einen Kanzlerkandidaten, wir brauchen eine Mannschaft, und wir brauchen eine klare Vorstellung von der Zukunft dieses Landes, die die Menschen mitnimmt und auch wie-der ein bisschen begeistert.

Also ist das Thema Kanzlerkandidat für Sie durch?

Das Thema ist mit der Entscheidung auf dem Bundesparteitag erledigt.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Armin Laschet?

Wir haben ein gutes, freundschaftliches Miteinander. Selbstverständlich sind wir nicht in allen Dingen einer Meinung, aber wir diskutieren lebhaft die Frage, wie wir die Bundestagswahl im Herbst gewinnen können.

Also gibt es keine Absprache über mögliche Posten.

Nein. Denn es geht jetzt nicht um Posten, sondern um Ideen und Konzepte, wie wir im Herbst die Bundestagswahl gewinnen. Die Zeit drängt, wenn es gut werden soll.