Arnsberg. Alpakas sind die Trend-Tiere schlechthin. Auch im Sauerland sind die süßen Südamerikaner mit der großen Ausstrahlung zu finden.

Cosmos Welt ist eine große Weide mitten im Sauerland. Wenn Lena Schulte-Stiefermann zu ihm geht, gibt es eine Extraportion Streicheleinheiten. „Er ist so verschmust und lässt gerne Fotos von sich machen“, sagt sein Frauchen vom Ennerthof im Arnsberger Ortsteil Wennigloh. Wenn es ein echtes Kuscheltier aus Fleisch und Blut gibt, dann Cosmo.

Ein Puschel über den dunklen Kulleraugen

Das „mindestens 13 Jahre alte“ strohweiße Tier mit dem Puschel über den dunklen Kulleraugen ist der Senior auf dem Alpaka-Hof und stammt wie seine Söhne Pepino, Christo und Diego aus einer Zucht in Sundern-Westendorf. Ein echter Sauerländer Exot und lebender Beweis, warum die einstigen Andenbewohner solch eine starke Anziehungskraft auf Menschen ausüben.

Bitte recht freundlich! Alpakas mit ihren langen Hälsen und den flauschigen Fellen eignen sich geradezu als Fotomotiv.
Bitte recht freundlich! Alpakas mit ihren langen Hälsen und den flauschigen Fellen eignen sich geradezu als Fotomotiv. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Im Bundesgebiet sind Alpakas zu regelrechten Trend-Tieren geworden. Beim Alpaka-Zucht-Verband Deutschland sind gut 15.000 Tiere registriert. Tendenz: stetig steigend. Vor zehn Jahren waren es 6500 gemeldete Alpakas. Entsprechend steigt auch hierzulande die Zahl der Züchter und der Alpaka-Farmen, die in ihren Hofläden Produkte aus Alpaka-Wolle wie Bettdecken, Socken oder Pullover verkaufen – oder auch Übernachtungen in Wohlfühl-Umgebung anbieten.

Zurück zu Cosmo: Aufmerksam und aus nächster Nähe verfolgt er, was denn dieser Besucher von der Zeitung so in seinen Notizblock schreibt (nur Gutes über ihn). Selbst jemand, der Tieren mit Respekt begegnet, verliert sofort jede Scheu.

Wiewohl Cosmo und seine 19 ebenfalls männlichen Artgenossen auf dem Ennerthof vom Wesen her „neugierig, aber zunächst vorsichtig“ sind, so Lena Schulte-Stiefermann. „Es handelt sich schließlich um Flucht- und Distanztiere.“

Grundnahrungsmittel: Gras und Heu

Es sei denn, die 36-jährige Logopädin oder Ehemann Roland, Landwirt, kommen mit Futtereimern. Mit Alpaka-Müsli zum Beispiel, Ergänzung zu den Grundnahrungsmitteln Heu und Gras. Wie eine Rasselbande im Kindergarten stürmen die Alpakas an – aber immer so tänzelnd, dass man nie befürchten muss, umgerannt zu werden.

Mit der flachen Hand wie bei einem Pferd hält Lena Schulte-Stiefermann die Mahlzeit entgegen. Selbst der braune Kalimero, mit satten 99 Kilo der schwerste unter den 20 Alpakas, gesellt sich zu der Futtergeberin. Er sei derzeit nicht so gut auf sie zu sprechen, lächelt „Frauchen“: „Der Schlingel ist eigentlich nicht aus der Ruhe zu bringen. Aber wenn er routinemäßig ein Milben-Mittel auf die Ohren bekommt, wie jetzt wieder, ist er zunächst einmal beleidigt.“

Alpaka-Wanderungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch der Ennerthof bietet normalerweise ein- bis dreistündige Ausflüge an. Im Lockdown sind diese derzeit untersagt.
Alpaka-Wanderungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch der Ennerthof bietet normalerweise ein- bis dreistündige Ausflüge an. Im Lockdown sind diese derzeit untersagt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Lena Schulte-Stiefermann kennt ihre Pappenheimer, die zwischen 20 und 25 Jahre alt werden können, aus dem Eff-Eff. Jeder der 13 Hengste und sieben Wallache (männlich, kastriert) trägt einen Namen, der mit einem „o“ endet.

Jeder ist auf seine Art einzigartig, sagt die Hochsauerländerin. „Einige sind besonders neugierig, andere stören sich an nichts, einige sind schnell nervös, andere bleiben in allen Situationen cool.“ Allen gemeinsam sei, dass sie sanft und lieb („die würden nie beißen“) und sehr empfindsam sind („sie merken sofort, wenn man angespannt ist“). Die Wollknäuel auf vier Beinen sind die Sympathieträger schlechthin.

Sympathieträger, die in diesen Tagen merken, dass Frühling in der Luft liegt. Lena Schulte-Stiefermann: „Die Tiere werden nach dem Winter wieder agiler.“ Und sie sehnten sich doch sehr nach den so beliebten Alpaka-Wanderungen in der Sauerländer Natur, die der Ennerthof seit dreieinhalb Monaten corona-bedingt nicht anbieten kann.

Entschleunigung, Entspannung und Zerstreuung

Dabei wäre es womöglich derzeit für viele so wichtig, Entschleunigung, Entspannung und Zerstreuung am Halfter eines Alpakas zu finden. Für ein bis drei Stunden den Ballast des Alltags abzuwerfen. Herunterzukommen bei gemächlichem Tempo an der Seite des süßen Südamerikaners mit dem flauschigen Fell, dem langen Hals und dem Mund, der aussieht, als lächele er.

Auch für Lena Schulte-Stiefermann sind ihre 20 Tiere im Alter zwischen zweieinhalb (Nacho, karamellfarben) und „mindestens 13 Jahren“ (Cosmo, weiß) das beste Anti-Stress-Programm. „Sie sind ein wunderbarer Ausgleich zu meinem Beruf.“ Als Ehemann Roland vor Jahren von Alpakas schwärmte, musste sie erst einmal „googeln“. Als die beiden die ersten Alpakas in natura sahen, ging es ihnen wie vielen anderen Mitmenschen: „Wenn man den Tieren einmal in die Augen schaut, ist man hin und weg. Sie sind so niedlich und putzig.“

„Das tägliche Training ist wie ein Überraschungs-Ei“

2011 kamen die ersten beiden Lebewesen dieser Art auf den Ennerthof. In einem Online-Kurs lernte die 36-Jährige das Einmaleins des Umgangs mit den schlauen und so friedlichen Tieren. Der Rest ist „Learning by doing“ (Lernen durch Tun): „Das tägliche Training mit Jung-Tieren ist wie ein Überraschungs-Ei. Man weiß nicht, was rauskommt.“

Zum Beispiel ein kleiner Raufbold wie Valentino, ein Frechdachs wie Pepino, der wie ein Pudel aussieht, oder ein Chef im Ring wie Apollo, der einzige Alpaka auf dem Hof mit blauen Augen. Jeder für sich ein Ausbund an Friedfertigkeit und Liebenswürdigkeit.

Gut zu wissen, dass sich die freundlichen Hinweise vor dem Besuch – „lass Dich nicht anspucken“ – dankenswerterweise jeglicher Grundlage entbehrten. „Alpakas können spucken“, bestätigt zwar Lena Schulte-Stiefermann, „aber in erster Linie gegenüber Artgenossen bei Rangkämpfen oder in für sie bedrohlicher Situationen.“

Hintergrund:

Alpaka-Wanderungen im Sauerland

Das Alpaka ist eine aus den südamerikanischen Anden stammende, domestizierte Kamelform. In Deutschland sind Alpakas seit 1996 als landwirtschaftliche Nutztiere anerkannt und damit beispielsweise mit Schafen oder Pferden gleichgesetzt.

Alpaka-Wanderungen in Gruppen sind derzeit wegen der Corona-Pandemie nicht erlaubt. Alpaka-Höfe im Sauerland sind: Ennerthof in Arnsberg-Wennigloh (ennerthof. de); Alpaka-Trekking in Lennestadt (alpaka-trekking.de); Hochsauerland Alpakas in Winterberg (hochsauerlandalpakas.de); Filuschs Farm in Schmallenberg (filuschsfarm.de); Alpakahof Blomberg in Meinerzhagen (alpakahof-meinerzhagen.de); Hof Hegemann in Nachrodt-Wiblingwerde (hof-hegemann.de); Alpaka-Farm Inti in Kierspe (alpaka-farm-inti).