Hagen. Dieter Gutheil (86) versucht - wie Tausende andere - vergeblich einen Impftermin zu buchen. Vom großen Ärger und einer guten Nachricht.

Am liebsten hätte er sein Handy in die Ecke geworfen, sagt Dieter Gutheil (86). Und so ergehe es sicher vielen anderen auch, vermutet der Hagener. Denn er wollte sich gleich einen Termin für die Corona-Impfung sichern, nachdem am Montag der Startschuss für alle Menschen ab 80 Jahren gegeben wurde. Doch seine Mühen waren vergeblich. Wir haben ihn dabei begleitet.

Die telefonische Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung: überlastet. Am Vormittag ist dort kein Durchkommen. Immer wieder fliegt Dieter Gutheil aus der Telefonleitung. „Dann probieren wir es mal über die Internetseite“, sagt er schnaubend und zückt sein Smartphone. Denn mit diesen „Computersachen“ kenne er sich nicht so gut aus. „Normalerweise rufe ich bei sowas dann meinen Enkel an.“

„Alleine wüsste ich hier nicht weiter“

Doch heute ist unsere Zeitung dabei, unterstützt ihn bei den notwendigen Schritten mit der Anmeldung über das Handy. „Alleine wüsste ich hier nicht weiter“, gibt der 86-Jährige zu, dem der Umgang mit Smartphone und Laptop noch nicht einmal fremd sind. Auf dem Schreiben, das er für die Anmeldung bekommen hat, stehen die Nummer der Hotline und die Internetseite. Welche Schritte er dabei zu beachten hat? Das sollen ihm die Informationen auf der Internetseite www.116117.de - dem ärztlichen Notdienst - verraten.

Doch der Weg bis dahin ist steinig: Fast eine Stunde lang versucht Dieter Gutheil, die Webseite aufzurufen. Zwar sei die W-Lan-Verbindung bei ihm im Ortsteil Hagen-Helfe häufig sehr schlecht, doch daran liegt es an diesem Tag nicht: „Die Netzwerkverbindung wurde unterbrochen“, meldet sein Handy. Die Seite scheint überlastet zu sein. Nach vielen Versuchen endlich ein Durchbruch: Langsam baut sich die Internetseite auf, auf der man in wenigen Schritten zum Impfterminservice gelangt.

Die große Ernüchterung: Kein Termin mehr frei

„Die Seite fragt mich nach den Cookies, die akzeptiere ich mal - und dann kann ich das Impfzentrum auswählen“, geht der 86-Jährige die einzelnen Schritte durch. Inzwischen ist es 11.20 Uhr. Und nur wenige Stunden nach dem Start der Impfterminvergabe folgt die Ernüchterung. Ein Hinweisfenster ploppt auf: „Zurzeit sind alle Termine ausgebucht. Wir arbeiten daran, Ihnen bald neue Termine anbieten zu können.“ Und jetzt?

„Das gibt´s doch nicht“, sagt Dieter Gutheil. „Jetzt ist kein Termin mehr frei? Und ab wann soll man es wieder versuchen?“ Einen Hinweis dazu sucht er auf der Seite vergeblich. „Na toll, dann kann man´s ja nur immer wieder probieren in den nächsten Tagen. Aber das mache ich dann übers Festnetztelefon, hierbei geht ja wirklich unheimlich viel Zeit drauf.“ Mit der heutigen Technik müsste es doch möglich sein, das schneller und einfacher zu erledigen, sagt er. Naja, dann werde er das wohl verschieben müssen – „bis das erste Gedrubbel vorbei ist. Wann auch immer das sein wird“.

2,5 Millionen Zugriffe in einer Stunde: Da kollabiert das System

Das ist ganz im Sinne der Kassenärztlichen Vereinigung, die die Senioren dazu aufruft, später Termine zu vereinbaren. In den nächsten Wochen bleibe täglich die Möglichkeit bestehen, sich einen Termin geben zu lassen. Zum Auftakt seien Termine bis zum 21. März vergeben worden. Ab Dienstag komme dann der 22. März hinzu, ab Mittwoch der 23. März und so weiter. „Jeder wird einen Termin bekommen“, versichert die KVWL. Geplant sei, die Gruppe der Über-80-Jährigen bis in den April hinein zu impfen.

Und auch aktuell gebe es Termine, versichert KVWL-Sprecherin Vanessa Pudlo eindringlich. Die Anzeige auf der Seite www.impfterminservice.de, die etwas anderes behaupte, sei falsch und ein technisches Problem. Das ganze System sei allerdings aufgrund des Ansturms am Montag ausgefallen. Man habe deshalb phasenweise weder telefonisch noch im Internet Termine buchen können. Per Telefon sei das inzwischen wieder möglich, online solle das auch sehr bald wieder funktionieren.

Allerdings muss die KVWL einräumen: Die Verzögerungen seien erheblich gewesen. Grund dafür seien die extrem hohen Zugriffszahlen auf die Webseiten gewesen: und zwar pro Sekunde 700 Zugriffe, pro Stunde 2,5 Millionen. Man sei mit rund 800 gleichzeitig aktiven Mitarbeitern und den extra geschaffenen Online-Portalen auf einen großen Ansturm vorbereitet gewesen, aber nicht auf solch einen.

Problem mit Zweittermin

Die Technikprobleme verwirren die Menschen, so wie etwa Michael Rinke aus Hagen, der zwar online einen ersten Impftermin hatte ausmachen können, doch bei dem Termin für den notwendigen zweiten Schwierigkeiten hatte, weil das System zusammengebrochen war. Was muss er nun tun? Sich noch einmal anmelden? Nein, so die klare Aussage der KVWL: „Wenn Sie eine Bestätigungsmail für den ersten Termin erhalten haben, ist der auch im System gespeichert. Wir werden uns dann noch mal bei den Betroffenen melden und einen zweiten Termin machen.“ Den zweiten Termin gebe es spätestens bei der ersten Impfung. „Nehmen Sie“, sagt die KVWL-Sprecherin, „den ersten Termin deshalb auf jeden Fall wahr.“ mit lh und A.B.

>> HINTERGRUND: In drei Schritten zum Impftermin

Wer einen Impftermin online vereinbaren möchte, kann wie folgt vorgehen:

1. Über einen Computer oder das Smartphone die Internetseite www.116117.de aufrufen. Dort gibt es Informationen rund um die Impfung und die Terminvereinbarung.

2. Über das Feld „Infos zur Impfung und Terminvereinbarung“ gelangt man zur „Terminvergabe in Ihrem Bundesland“. Dieses anklicken und dann entsprechend „Nordrhein-Westfalen“ auswählen. Es öffnet sich ein weiterer Text: Hier für die Region Hagen beispielsweise auf den rot unterlegten Link „Terminbuchung in Westfalen-Lippe“ klicken. Erneut müssen die Felder „Bundesland“ und „Impfzentrum“ angeklickt und „Nordrhein-Westfalen“ und das entsprechende Impfzentrum für die Stadt – zum Beispiel „Hagen, Stadthalle“ ausgewählt werden.

3. Danach ist ein Code notwendig, der für die Terminvereinbarung notwendig ist. Dafür öffnet sich ein Feld, in das der Code eingetragen werden soll. Wer diesen noch nicht erhalten hat, aber 80 Jahre und älter ist, kann vorher auf „Nein, Anspruch prüfen“ klicken. Der Code wird einem dann zugeschickt. Achtung: Notwendig sind dafür eine E-Mailadresse und eine Handynummer, um den Vermittlungscode zu erhalten.