Hagen. . Edith Bärmann wird am Sonntag wohl zu den ersten gehören, die geimpft werden. Ein Stimmungsbild aus den Seniorenheimen.
Edith Bärmann ist erleichtert. Denn am Sonntag soll sie gegen das Coronavirus geimpft werden. Die 85-Jährige lebt in dem Hagener Pflegeheim Wohlbehagen im Hochschulviertel, das zu den ersten Einrichtungen gehört, in denen der Impfstoff an Bewohner und Mitarbeiter verabreicht werden soll. Edith Bärmann ist schwer herzkrank, wie sie sagt, habe bereits mehrere Operationen hinter sich und große Sorgen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Mehr als wegen möglicher Nebenwirkungen, vor denen sich manche ihrer Bekannten fürchteten, wie sie sagt. „Aber die Nebenwirkungen können nicht schlimmer sein als die Krankheit. Und ich möchte noch eine Weile hier auf der Erde bleiben.“
Die Impf-Bereitschaft im Pflegeheim Wohlbehagen sei groß, sagt Personalchef Carsten Kunz: 79 Menschen werden dort betreut, 74 von ihnen wollen sich impfen lassen. „Fünf überlegen noch, das ist eine wirklich gute Quote.“ Doch dafür sei auch viel Aufklärungsarbeit nötig gewesen und werde es in den anderen Einrichtungen auch noch sein. Denn je nach Verfügbarkeit des Impfstoffes entscheiden Kreise, Ämter und Einrichtungen, wo wann geimpft werden kann - einige Einrichtungen sind also erst in den nächsten Wochen dran.
Bei Mitarbeitern ist Skepsis gegenüber Impfstoff größer
Bis dahin gelte es, Gespräche zu führen, Aufklärungsarbeit zu leisten, denn: „Einige sind noch zurückhaltend, die schnelle Entwicklung des Impfstoffes verunsichert sie noch immer. Ebenso, dass es keine Langzeiterfahrung gibt. Aber: Unsere Bewohner wissen, dass sie eher am Ende ihres Lebens stehen. Der Altersdurchschnitt liegt bei 85 Jahren“, sagt Carsten Kunz. Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, sei daher groß - sowohl bei den Bewohnern selbst als auch den Angehörigen, die in manchen Fällen die Entscheidung für sie treffen müssten.
Größer jedenfalls als bei einigen Mitarbeiterin, wie Kunze sagt: Knapp über die Hälfte wolle sich impfen lassen, rund 40 Prozent bislang nicht. „Einige Pflegekräfte sind noch relativ jung, in dem Alter sind die meisten Verläufe eher mild. Die Angst vor dem Virus ist bei ihnen entsprechend nicht so groß.“
Viel Aufklärungsarbeit ist wohl noch nötig
Die Unsicherheiten müssten langfristig ausgeräumt werden. Immerhin gebe es keine Alternative, sagt Kunz. „Wir kriegen das nur so in den Griff.“ Immer wieder sehe er, wie schwer die Verläufe sein können. „Auch bei jüngeren Mitarbeitern. Der Zustand kann sich innerhalb einer Stunde, von jetzt auf gleich, dramatisch verändern. Ich habe deshalb keine Zweifel, mich impfen zu lassen. Das ist eine ganz bedrückende Zeit und eine große Herausforderung für uns alle.“
Das sieht auch Andrea Hohenhausen so: Die 60-Jährige arbeitet als Betreuungskraft im Pflegeheim Wohlbehagen. Und sie ist anfangs sehr skeptisch gewesen, wie sie erzählt. „Aber ich habe mich dazu entschlossen, wir alle hoffen, den Alltag wiederzubekommen. Hier ist jetzt Erleichterung zu spüren, weil etwas passiert. Je mehr sich impfen lassen, desto größer ist der Schutz. Klar, es wird sich nicht gleich etwas verändern, aber so können wir zuversichtlich ins neue Jahr gehen.“
Das Schmallenbachhaus hat schon viele Tote zu beklagen
Das will auch Heinz Fleck: Der Geschäftsführer des Schmallenbach-Hauses in Fröndenberg ist „froh, dass es endlich losgeht“. Nach einem Coronavirus-Ausbrauch im April verstarben dort mehr als 20 Bewohner und Mitarbeiter. Wann es mit den Impfungen losgehen kann, sei aber noch nicht sicher, sagt Fleck. „Wir hoffen auf Januar.“
250 Bewohner leben in den Häusern. „Das gesamte Stimmungsbild kenne ich zwar nicht, aber die erste, mit der ich heute früh gesprochen habe, sagte: Ich bin dabei!“, erzählt Fleck. Nötig seien aber auch hier noch Aufklärungsgespräche, „und das sollte meiner Meinung nach auch ein Arzt machen", sagt Fleck. Das Thema sei sehr sensibel, weiß auch Carsten Kunz. Dafür müsse noch eine Menge getan werden.
>> INFO: Die Impfstoffaufbereitung und die Reihenfolge
Wenn ab dem kommenden Sonntag die Corona-Impfungen in den Alten- und Pflegheimen der Region starten, dann wird der Impfstoff dort direkt vor Ort aufbereitet. Der Impfstoff soll vom Land direkt an die Einrichtungen geliefert, wo er mit einer isotonischen Kochsalzlösung gemischt und dann binnen sechs Stunden verarbeitet werden kann. Und zwar von dem medizinischen Fachpersonal der mobilen Impfteams, die in den Einrichtungen unterwegs sein werden.
In welcher Reihenfolge die verschiedenen Pflege- und Seniorenheime bedacht werden, wird von der Koordinierungseinheit im Impfzentrum entschieden, in der Fachleute der Kreise oder kreisfreien Städte und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) vertreten sind. Am Beispiel Hochsauerlandkreis verdeutlich dessen Sprecher Martin Reuter: „In den Pflege- und Senioreneinrichtungen sind Einverständniserklärungen der Bewohner eingeholt worden. Anhand dieser Rückläufe erkennen dann die Experten, wie viele Menschen sich tatsächlich impfen lassen wollen. Dann wird geschaut, wie viele Impfdosen es tatsächlich gibt und wo dann eine ganze Einrichtung geimpft werden kann. Denn sonst müsste das Team ja zweimal kommen.“
Die Priorisierung erfolge also klar nach der Datenlage. Und auch ein möglicher Corona-Ausbruch in einer Einrichtung könne den Impfplan durcheinander werfen, so Martin Reuter. „Dann können wir dort natürlich nicht hin.“ Für den Hochsauerlandkreis sind bei der ersten Lieferung 370 Einheiten vorgesehen.