Iserlohn. In Iserlohn entsteht binnen weniger Wochen ein großes Corona-Analyselabor. Wie das ging und wie sehr die Arbeit dort unseren Alltag bestimmt.

Die Zeit läuft. Auf dem Display der schwarzen Stoppuhr rasen die Zahlen wie zuletzt Infektionsquoten davon. Ein junger Mann, dessen Schutzkleidung fast nur Augen übrig lässt, sitzt an einer Sicherheitswerkbank. Die Abluftanlage saugt die möglichen Virusbestandteile ab, eine Glasscheibe schützt das Gesicht vor dem, was die Hände tun: Speichelproben mit einer Lösung zu vermischen. 30 Sekunden lang. Rechts neben dem Mann sitzen weitere Augen an einer Sicherheitswerkbank, links auch. Hinter ihm – ein vierter junger Mann – werden die neu angekommenen Proben registriert und in den Analyseprozess geschickt.

Corona-Zentrum in Iserlohn

Arbeiten im Akkord. Arbeiten im Corona-Labor in Iserlohn . Arbeiten dort, wo sonst Erkenntnisse in aller Stille gesammelt werden und jetzt die ganze Welt auf die plastikbehandschuhten Finger schaut. Die Corona-Pandemie spült jene, deren Welt Pipetten und Petrischalen sind, ins allgemeine Bewusstsein. Ihre Präzision, ihre Geschwindigkeit ist es, auf die die Menschen angewiesen sind.

„Die Mitarbeiter spüren und wissen: Wir schauen jetzt nicht, wie viel Zucker ist in der Cola, sondern da steckt ein Mensch dahinter“, sagt Marcus Cholewa. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung von ­GeLa­Med, einem Unternehmen mit Laboren in Gelsenkirchen, Dortmund, Siegen und eben Iserlohn . Der Sauerland-Standort wird derzeit zum Corona-Zentrum in NRW hochgerüstet. Seit 2017 gehört GeLaMed zum international tätigen Konzern Eurofins .

Ziel: 5000 Tests am Tag

Dort, wo die arbeiten, auf die es ankommt, ist der Flur schmal. Eine Alu-Leiter, auf der weiße Farbkleckse getrocknet sind, lehnt an der Wand, daneben steht ein Besen auf seinen weichen Haaren und eine Tür, die aus den Angeln gehoben worden ist. In einem der Zimmer liegt noch der abgewetzte, rote Teppichboden, der da überall lag, bevor aus den ungenutzten Räumlichkeiten binnen weniger Wochen das wurde, was es heute ist: ein Corona-Labor . Noch nicht ganz fertig, aber schon in Betrieb. Summe der Tests dort Mitte September: null. Summe der Tests Mitte November: 2500 bis 3000. Am Tag. Ziel bis Ende des Jahres: 5000.

Der Bedarf ist da. Die Infektionszahlen mit dem Coronavirus stiegen in den vergangenen Wochen auf Rekordwerte. Anfang November schlugen die Labore in Deutschland gar Alarm: Es komme bei der Auswertung von Corona-Tests zu Wartezeiten, deutschlandweit seien fast 100.000 Tests an Rückständen aufgelaufen. Im Medizinischen Labor in Iserlohn ist das anders. „Wir sind das kleine gallische Dorf“, sagt Marcus Cholewa. Das ursprüngliche Labor in Iserlohn hat seinen Sitz weiterhin im Erdgeschoss eines unscheinbaren Gebäudes im Schatten des Evangelischen Krankenhauses. In der vierten war eine Etage frei. Dort wird ausgebaut.

Proben vom Märkischen Kreis, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Olpe

Krankenhäuser der Region schicken ihre Tests ein, niedergelassene Ärzte, auch die Gesundheitsämter des Märkischen Kreises sowie der Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe . „Wir haben noch ausreichend Kapazitäten und sind nicht am Ende“, sagt Cholewa. „Als die Labore klagten, dass es zu Rückstaus komme, haben wir den Verbänden angeboten, den Stau anderer Labore mit aufzulösen. Das Angebot wurde teilweise auch angenommen.“

Barbara Schäfer hat alles im Blick. Sie erkennt jene, von denen man nur die Augen sieht, was derzeit gar nicht so selbstverständlich ist. „Seit Oktober haben wir jeden Montag neue Mitarbeiter im Labor, mal zwei, mal fünf, mal zehn. Bis Ende des Jahres wird das so weitergehen“, sagt die Abteilungsleiterin Klinische Chemie, Serologie und Molekulare Diagnostik in Iserlohn.

Proben aus Krankenhäusern genießen oberste Priorität

107 Mitarbeiter arbeiteten in den unterschiedlichen Bereichen des Labors in Iserlohn zu Beginn des Jahres, dank der Einrichtung des Corona-Labors sind es mittlerweile über 150. Viele Neueingestellte sind Studenten der Bio- oder Nanotechnik. Über Nachtdienste wird nachgedacht. „Alle sind im Moment so motiviert, dass ich eher bremsen muss“, sagt Schäfer. Den Mitarbeitern sei klar, „dass es auf sie derzeit ankommt, dass an jedem Test ein Schicksal hängt. Jemand, der vielleicht operiert werden muss, der dringend wieder arbeiten muss oder dessen ganze Familie gerade in Quarantäne ist.“ Nicht, dass präzise und schnelle Laborarbeit nicht sonst auch wichtig wäre. Aber jetzt gerade ist sie unverzichtbar. Proben aus Krankenhäusern werden mit oberster Priorität behandelt.

Einen Raum weiter stehen Kühlschränke und Geräte, die aussehen wie übergroße Küchenhelfer: Extraktionsgeräte, die den jeweils 96 Proben eine bestimmte Information entlocken. Sechs Extraktionsgeräte . „Hier steht der Gegenwert eines ganzen Fahrzeugparks schöner, teurer Autos“, sagt Marcus Cholewa über die Investitionen am Standort. Rund eine Million Euro hat alles zusammen bis jetzt gekostet.

Das Coronavirus wird bleiben

Wieder ein Raum weiter: das Herzstück des Corona-Labors, wie sie hier sagen. Dort, auf den Displays der Geräte entstehen die Linien, die über positiv und negativ entscheiden, über Quarantäne, Kontaktpersonen, Inzidenzen . Begriffe, die mittlerweile Normalität sind. Blaue, rote, violettfarbene Linien auf neulich noch vier, mittlerweile sechs, bald zwölf Geräten. Eine der Linien steigt rasant an. „Das“, sagt Barbara Schäfer und deutet mit dem Finger aufs Display, „könnte ein positiver Fall sein.“ Bei zehn Prozent liegt die Positivquote mittlerweile. Im September waren es 0,5 Prozent. Für 90 Prozent der Proben liegt das Ergebnis binnen 24 Stunden vor.

„Wir verdienen Geld mit den Tests, keine Frage, aber wir reinvestieren auch. Wir bauen weiter aus, um unserem Versorgungsauftrag und dem in uns gesetzten Vertrauen gerecht zu werden“, sagt Marcus Cholewa. Und wenn die Quote wieder nachlässt, wenn Corona mit dem Impfstoff seinen Schrecken verliert und weniger Tests nötig sind? Was wird dann aus diesem Labor, den Geräten, dem Personal? „Corona werden wir nie wieder ganz los werden“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung. „Auch in einem Jahr wird sich kein Krankenhaus unbewusst einen Corona-Patienten auf die Station holen wollen.“

<<< Hintergrund >>>

GeLaMed (Gelsenkirchener Labor-Medizin) ist ein Unternehmen, zu dem in NRW die vier Labor-Standorte Gelsenkirchen, Iserlohn, Siegen und Dortmund gehören. Zu Beginn des Jahres arbeiteten 350 Mitarbeiter in den Laboren, mittlerweile sind es etwa 500. Aufträge pro Tag inklusive Corona-Tests: 12.000 bis 13.500. Seit 2017 gehört GeLaMed zu Eurofins, einer international agierenden Labor-Gruppe mit einem jährlichen Umsatz von 4,56 Milliarden Euro und über 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Konzern stellt die Corona-Test-Kits , die auf dem Markt sehr begehrt und bisweilen ebenso rar sind, selber her.