Die Dunkelheit ist da, die Kälte kommt noch - und Corona beschwert das Leben. Was also tun? Diese Experten-Tipps helfen gegen den Schwermut.
Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon November ? Es wird früh dunkel, die Sonne kommt eher selten hinter den Wolken hervor, die Füße werden nicht richtig warm. Eigentlich gute Gründe, in eine Sinneskrise zu geraten. Aber so weit wollen wir es nicht kommen lassen. Denn die kalte Jahreszeit hat ihren Reiz. Viele Schönheiten, die man nur erkennen muss . Sechs Redakteure und sechs Experten geben Tipps, wie Sie Herbst und Winter zu goldenen Monaten machen können.
-> Rudi Pistilli und die Bretter, die die Welt bedeuten
Der besseren Hälfte graut es vor dem November. Jahr für Jahr schleiche ich mich auf den Dachboden und finde immer wieder aufs Neue das von ihr gut versteckte Brettspiel . Es weckt so viele schöne Erinnerungen in mir. An Zeiten, in denen ich noch ungebunden und frei war und mit den Freunden aus der wilden Clique „Risiko“ spielte – und meistens als Sieger hervorging. Allein der Gedanke an das klassische Strategiespiel, an all die eroberten, Pardon, befreiten Länder, an die taktischen Meisterleistungen, an Diplomatie und einer Prise Glück, lassen den Adrenalinpegel steigen. Bis tief in die Nacht ließen wir die Würfel fallen, zückten Karten und stellten Armeen auf.
Das ist 40 Jahre her. Sobald ich den brüchigen Deckel des Spiels abnehme, fühle ich mich jung. Und Frau? Die spielt mit. Mir zuliebe. Ein Spiel, dass man zu zweit spielen kann, aber eigentlich erst mit vier Wettkämpfern so richtig Freude macht. Dann ist Frau für zwei bis vier Stunden auch noch Michael, Andreas und Hans-Jörg zugleich...
Experten-Tipp vom Hagener Spiele-Erfinder Helmut Ortlepp: „Ich empfehle Chakra . Das taktische Denkspiel für zwei bis vier Spieler ab acht Jahren ist faszinierend anders. Es ist ein edel anmutendes Spiel, japanisch angehaucht. Es geht darum, eine Tafel mit sieben Edelsteinen zu füllen, welche die Energien repräsentieren, die im Körper fließen. Um Punkte zu erzielen, muss ein Spieler jedes seiner Chakren optimal aufeinander abstimmen. Es gewinnt derjenige, der als erster absolute Harmonie findet.“
-> Christine Lanwehr geht ein Licht auf - oder doch ein paar mehr
Egal ob November, April, Februar, August. In jedem Monat gibt es Hochs und Tiefs. Genau dafür wurden sie erfunden: Lichterketten helfen im Schlechten wie im Guten, im Hellen und im Dunkeln.
Das private Lichterketten-Regal fände Aufnahme in jedem Deko-Shop und Chichi-Laden; so gut sortiert, so ordentlich abgelegt, immer griffbereit. Lichterketten haben in jedem Monat ihre Berechtigung. Und ich, glauben Sie mir, habe sie alle. Oder fast. Zu jedem Anlass, in jeder Betriebsform, mit einfacher, mit zweifacher Zeitschaltuhr , mit Sicherheitsstandards versehen.
Im Frühjahr vertreiben sie den Winter durch ihre Unbeschwertheit. Im Sommer verleihen sie dem Leichten etwas Schwereloses. Und Winter ist einzig zu dem Zweck, Lichterketten zu installieren. Und doch, in diesem dunklen Monat, der mit seiner kalendarischen Schwere das Gemüt bedrückt, strahlen sie einmal heller, leuchten der Traurigkeit trotzig ins Gesicht.
Danke, Thomas Alva Edison . Der soll sie erfunden haben. Vor 130 Jahren. Ein Jubiläum. Der nächste Grund, eine Lichtlein zu entzünden.
Experten-Tipp von Leonard Lueg vom Internationalen Lichtzentrum Unna : „In diesen unsteten Zeiten, hat sich ein Kunstwerk unserer Wechselausstellung „Neon Delight“ als Gedankenstütze entpuppt: Den Neonschriftzug „Never move far from Color“ (Bewege dich nicht weit weg von der Farbe) hat der italienische Künstler Maurizio Nannucci in großen, bunten Lettern in unseren Museumskeller gebracht. Ein Bekenntnis zur Farbe, das mir hilft, durch die Zeit zu kommen.“
-> Daniel Berg schnappt nach Luft
Nur wer den Zustand der Kargheit erlebt, weiß die Üppigkeit zu schätzen. Deswegen ist der Herbst ein Geschenk. Die Natur opfert uns ihre Reichtümer, die Blätter an den Bäumen , die gelb sind und rot und orange und zusammen golden, und sich dann im Oktober oder November auf den Weg zu uns machen, um uns beim Spaziergang raschelnd zu Füßen zu liegen als Zeugnis, dass selbst das Schönste einmal endet, aber doch wiederkommen mag.
Es zieht mich nach draußen im Herbst, noch mehr als sonst schon, weil die manchmal anstrengende Hitze des Sommers fort ist, aber die bissige Kälte des Winters noch nicht da.
Die Luft im Wald ist satt vor Feuchtigkeit und wunderbar kühl. Beim tiefen Einatmen ist zu spüren, wie sie den Körper wohlig von innen flutet. Es riecht nach Erde, nach Bodenständigkeit. All das macht die Natur im Herbst aus. Sie ruft einem immer und immer wieder zu: Geh’ hinaus, nutze die Zeit. Auch das ist wie eine Metapher auf das Leben .
Experten-Tipp von Anneli Noack, Betriebsleiterin Wildwald Vosswinkel in Arnsberg: „Im Herbst wird vieles sichtbar, was sonst hinter Blättern und Gräsern im Verborgenen bleibt: Von bunten Flechten an Steinen, über Nester in Bäumen bis hin zu den Waldvögeln , die sich nie besser beobachten lassen als jetzt, weil sie auf Nahrungssuche sind und sich dem Menschen nähern. Einfach mal am Vormittag mit dem Fernglas an den Waldrand setzen, die Vögel beobachten und mit einem Buch in der Hand bestimmen!“
-> Dana Mester probiert’s mal mit Gemütlichkeit
Gemütlichkeit kann man kaufen. In Form von Kerzen, hübschen Dekorationen und flauschigen Kissen . Aber vor allem muss man sie spüren: Das kann die bequeme Jogginghose auf der Haut sein, deren Bund nicht am Bauch drückt, oder die Wärme einer Kuscheldecke. Für mich ist es auch der Anblick reichlich sündhafter Leckereien auf dem Couchtisch.
Warum das alles jetzt besonders schön ist? Weil man sich zu keiner Jahreszeit häufiger darauf freut, endlich nach Hause zu kommen. Es ist toll, wenn einem die kühle Herbstluft zusetzt, das Gesicht ganz rot vor Kälte ist – und dann kommt man heim, verfroren, und deshalb umso dankbarer über die Heizkörper, durch die hörbar das warme Wasser strömt.
Die schweren Wintersachen abgelegt, lege ich am liebsten nur noch die Beine lang. Schalte das viel zu helle Deckenlicht aus, knipse die Stehlampe in der Ecke des Wohnzimmers an und genieße die stützende Sofalehne an meinem Rücken. Aufstehen mag ich dann nur noch für den netten Lieferdienst, der mir reichlich Fritten mit warmer Käsesoße zum Tunken bringt.
Experten-Tipp von Heike Gaumann, Inhaberin „Rosemarie – wohnen und genießen“ in Siegen : „Wir haben drei Empfehlungen, mit denen man die nordische Gemütlichkeit in jedes Zuhause holt: Kuschelige Stoffe , wie ein Schaf-Fell, ein hübsches Kerzentablett und eine Tasse unseres Lieblingstees dürfen in dieser Jahreszeit nicht fehlen. Gerade jetzt, wo wir mehr Zeit zu Hause verbringen, ist es umso wichtiger, es sich heimelig und schön zu machen.“
-> Rolf Hansmann kocht wie wild
Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Bestanden lange Zeit meine hausmännlichen Fähigkeiten darin, andere zum Kochen zu bringen (der alte Kalauer musste mal wieder sein!), fühle ich mich an Topf und Pfanne zunehmend wohl. Auch wenn ich den Rauchmelder in der Küche vor meinen Koch-Exzessen (oder besser: Experimenten) gerne vorsorglich außer Betrieb setze.
Ich habe mich lange nicht an Wildgerichte gewagt, dabei sind sie genauso einfach zuzubereiten wie Rind, Hähnchen oder Tofu . Es begann mit butterweichen Reh-Steaks mit Feldsalat und gipfelte jetzt in Hirschgulasch mit nur äußerlich verunglückten Spätzle und einem Gedicht von dunkler Sauce – dank kräftigem Rotwein (alternativ Traubensaft), einem Esslöffel Kirschmarmelade (es war nichts anderes da) und einem guten Schuss Agaven-Dicksaft (mein todsicherer Tipp für viele Saucen).
Also: Wagen Sie sich ruhig an Wildgerichte. Werfen Sie nicht vorher schon die Flinte ins Korn!
Experten-Tipp von Sebastian Buchner, Sauerländer BBCrew: „Probieren Sie Wild auf dem Grill . Sie werden angesichts der wunderbar zarten Stücke begeistert sein. Die Sorge vor trockenem Fleisch ist unbegründet. Braten Sie bei hohen Temperaturen scharf an und garen dann mit geschlossenem Deckel schonend nach. Mein Favorit ist der Hirschrücken . Aber auch Hirsch-Spareribs und Wildschwein-Pulled-Pork sind sehr lecker. Für die süße Note können Sie Birnen mit Preiselbeerfüllung kurz angrillen.“
-> Ina Carolin Lisiewicz freut sich auf die guten Seiten
Die dunkle Jahreszeit ist perfekt, um zu einem guten Buch zu greifen und sich einmal Zeit für sich zu nehmen. Erscheinen im Sommer die Alternativen draußen viel reizvoller, ist im Kalten und Dunklen mein Zuhause mein Rückzugsort . Für mich heißt es dann: Füße hoch, Kerzen an und in aller Ruhe ein paar Seiten lesen. Ganz schnell finde ich mich so in fremden Welten wieder und kann einmal eine Verschnaufpause vom Alltag einlegen.
Mein Vorsatz für diesen Winter: Michelle Obamas „Becoming“ . Seit einem Jahr steht das Buch schon in meinem Schrank. Das Interesse ist da, doch die Zeit bisher nicht. In diesem Winter freue ich mich, dass ich es endlich lesen werde. Komme, was wolle. Auch für dickere Bücher muss schließlich mal Zeit sein – nicht nur für die dünnen. Wann, wenn nicht jetzt?
Das Schöne: Vergeht mir die Lust am Lesen, muss ich nicht auf ein gutes Buch verzichten. Alles ist nur einen Klick weit entfernt. Und warum nicht einmal ein Hörbuch laufen lassen und dabei Plätzchen backen ? Dann werden doch gleich zwei schöne Dinge vereint.
Experten-Tipp von Eva Maria Graß, Inhaberin des Buchladens „Bücher buy Eva“ in Hilchenbach: „Ich empfehle den Roman „Bergsalz“ von Karin Kalisa . Der holt einen gerade in dieser Jahreszeit ab. Dort geht es um eine Frau, die in einer einsamen Berghütte lebt. Dann klingelt es an der Tür und die Nachbarin will etwas leihen. So ergibt sich eine schöne Freundschaftsgeschichte. Es geht um Mitmenschlichkeit, das Zusammenhocken und Pläne schmieden. Der Roman ist auch sprachlich sehr schön geschrieben.“