Hagen. Mehr als 12.000 Schüler und fast 800 Lehrer sind in der Region in Corona-Quarantäne. Wie eine Schule dadurch an ihre Grenzen kommt.
Schaut man auf das ganze Land, dann scheint das Problem noch klein: Rund zwei Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sind laut der jüngsten Erhebung wegen der Corona-Pandemie in Quarantäne und können nicht unterrichten. Schaut man auf einzelne Schulen, dann ist das Problem dort riesengroß. Wie etwa an der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule in Hagen. „Wir sind derzeit bei bis zu 30 Prozent coronabedingtem Ausfall bei den Lehrkräften – Tendenz steigend“, sagt Schulleiter Andreas Mönig. „Ein geordneter Unterrichtsbeginn oder Schulalltag ist kaum möglich.“
Ob die Gesamtschule ein eher seltener Fall ist oder eher zur Regel wird, ist noch unklar. Denn die aktuellen Zahlen, die von einer Lehrer-Fehlerquote von rund zwei Prozent ausgehen, stammen aus der vergangenen Woche. Erst an diesem Mittwoch erfolgt eine neue Anfrage des NRW-Ministeriums bei den Schulen, die Zahlen werden wohl erst Ende der Woche veröffentlicht. Es ist wahrscheinlich, dass sie negativer ausfallen werden. Schon in der vergangenen Woche war der Anteil der Schulen, die komplett regulären Präsenzunterricht geben können, gegenüber der Vorwoche um zehn Prozentpunkte auf rund 98 Prozent gesunken.
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Präsenzunterricht an Berufskollegs eingestellt
Die Fritz-Steinhoff-Gesamtschule ist nicht die einzige Lernanstalt in Hagen mit großen Herausforderungen: So wurde an den Berufskollegen Kaufmannschule I und II bis zum 21. November der Präsenzunterricht ganz eingestellt, weil zu viele Lehrer in Quarantäne sind.
Ganz so schlimm ist es an der Gesamtschule noch nicht. Aber Andreas Mönig sagt: „ Die Organisation des Alltags sowie die Rückverfolgung nimmt einen Großteil der Zeit der Schulleitung in Anspruch. “ Denn wenn ihm und seinen Kollegen bekannt wird, dass eine Lehrkraft in Quarantäne muss, dann handeln sie sofort, welche Kontakte es gab und welche Maßnahmen getroffen werden müssen. „Das wissen wir im Zweifel durch unsere betroffenen Kollegen früher als durch das Gesundheitsamt, das ja derzeit stark belastet ist.“
Gravierende Auswirkungen auf Unterrichtsplanung
Mal sind es positive Tests in der Schülerschaft, wegen derer die Lehrer in Quarantäne müssen, mal sind es aber auch Corona-Fälle im privaten Umfeld. So oder so hat das gravierende Auswirkungen auf die Unterrichtsplanung. „Mal sind nur Teile eines Jahrgangs in Quarantäne“, sagt Andreas Mönig. „Mal ist es auch nur die Lehrkraft.“ Theoretisch könnte auch ein Lehrer, der in Quarantäne ist, virtuell Unterricht im Distanzunterricht geben. Praktisch geht das aber nicht, wenn der Großteil der Schüler aber noch im Präsenzunterricht an der Schule unterrichtet wird.
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Dieses Puzzle muss Schulleiter Andreas Mönnig nun täglich zusammensetzen – und oftmals passt es auch nach vielen Versuchen nicht mehr: „Es ist schon Unterricht ausgefallen und wir mussten ältere Schüler, insbesondere aus der Oberstufe, nach Hause schicken.“ Die Klassen- oder Kursstärke zu vergrößern, um sie von den verbliebenen Lehrkräften zu unterrichten, sei keine Alternative: „Das würde der Corona-Prävention völlig zuwider laufen. Dann könnten Kontakte nicht mehr nachverfolgt werden.“
Andreas Mönnig ist ein Befürworter des Präsenzunterrichts: „Gerade wenn sie neuen Stoff, ein neues Thema einführen, dann ist der persönliche Kontakt extrem wichtig, das bekommen sie auf die Ferne nicht vermittelt. Und gerade auf längere Sicht kann es auch zu sozialen Problemen kommen.“ Aber: „Es wird der Zeitpunkt kommen, wo man sich fragen muss, ob das angesichts der Entwicklung der Pandemie noch möglich ist.“
Das sagen die Eltern
Und was sagen die Eltern? „Die Elternschaft ist gespalten“, sagt Volker Clauberg, Vorstandsmitglied der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW. Doch in diesen Zeiten müssten alle die Zähne zusammenbeißen: „Maske auf, Hauptsache Präsenzunterricht. “ Seine Kinder am Gymnasium Letmathe mussten in den Herbstferien in Quarantäne – „ärgerlich für sie, aber gut, weil es nicht während der Unterrichtszeit war.“
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Clauberg findet, dass Eltern, Lehrer und Schüler inzwischen besser mit solchen Situationen umgehen: „Dank der Maskenpflicht müssen nur noch einzelne Schüler oder Klassen in Quarantäne, zum Beispiel direkte Sitznachbarn. Dass die ganze Schule geschlossen werden muss, ist in der Regel nicht mehr notwendig. In jedem Fall besser als die Alternative, sagt Clauberg: Distanzunterricht.
Denn solange Online-Unterricht nicht an allen Schulen gleichermaßen gut stattfinden könne , sei der keine gute Option. Für eine Klassenteilung fehlten Lehrer und Räume, außerdem werde der Unterricht wohl niemals in allen Gruppen gleichwertig durchgeführt werden können: „Da braucht man doch nur mal einen Schüler, der den Unterricht stört und schnell hat die eine Gruppe der Klasse schlechtere Voraussetzungen als die andere.“
Doch seine Meinung teilten nicht alle Eltern, das sei ihm bewusst. Einige sagten, die Maske sei schädlich für die Kinder, daher solle man sie einfach weglassen, erzählt Clauberg. Andere sorgten sich wegen der Nähe in der Schule und wünschten sich eben den Distanzunterricht zurück. „Es gibt auch viele, die das Thema aufbauschen. Am Ende muss man abwägen, was überwiegt. Aber das ist ein schwieriges Feld.“ Wie die Tendenz in der gesamten Elternschaft ist, könne er nicht sagen, so Clauberg.
>>Hintergrund>>
12.063 Schüler sind nach derzeitigem Stand im Regierungsbezirk Arnsberg in Quarantäne , wie die Pressestelle der Bezirksregierung mitteilt. Infiziert sind demnach 839 Schüler . Außerdem befinden sich 794 Lehrer in Quarantäne, 94 sind infiziert . Fünf Schulen mussten komplett geschlossen werden, außerdem 134 Klassen .
Aufgrund dieser Entwicklung sei es möglich, dass für einen kurzen Zeitraum nicht genügend Lehrer zur Verfügung stünden, so die Bezirksregierung. In dem Fall unterstütze das Schulministerium bei der Gestaltung des Distanzunterrichts .