Hagen. Die Eltern einer Grundschule in Hagen wollen aus Sorge vor dem Coronavirus Luftreiniger für Klassenzimmer anschaffen. Doch daraus wird nichts.
Nils Levien ist gar nicht mal wütend. „Ich bin enttäuscht, wie wenig sich bewegen lässt. Nicht nur mit Blick auf meinen Sohn, sondern mit Blick auf alle Kinder, deren Verwandte und die Unternehmen, die da womöglich auch dranhängen“, sagt der 40-jährige Hagener. Er ist selbstständiger Unternehmer, einer, der macht also. Umso weniger versteht er, was da gerade passiert.
Luftreiniger: Anschaffung und Wartung kostenlos für die Schule
Sein Sohn Luis geht in die Grundschule Berchum-Garenfeld in Hagen. Maskenpflicht herrscht nicht. Um Luis und seine Klassenkameraden besser vor dem Coronavirus zu schützen, will der Papa zusammen mit anderen Eltern Luftreiniger besorgen. Anschaffung, Wartung – alles privat bezahlt und privat organisiert. Doch Schule und Schulträger lehnen ab. Eine weitere Episode, die zeigt, wie schwerfällig der Kampf gegen die Pandemie sein kann.
Nichts steht derzeit so im Fokus wie die Schulen: Sie haben – anders als gastronomische Betriebe, Fitness- oder Kosmetikstudios – während des Lockdown light weiterhin geöffnet. Doch die Fallzahlen steigen unter den Schülern: Nach den Herbstferien gab es mehr als doppelt so viele Infektionen wie unmittelbar davor. Es ist die zweite Welle, vor der Experten seit einem halben Jahr warnen. Und dem Schulsystem, sagt Levien, falle bislang wenig anderes ein als: Maske und Lüften.
Eigeninitiative der Eltern wird „zunichte gemacht“
Meistens fehlt es am Geld. In diesem Fall nicht. „Es besteht sogar die Bereitschaft einiger Eltern, auch für die Kosten von Luftreinigern der anderen Klassen aufzukommen, damit kein Ungleichgewicht an unserer Schule herrscht“, sagt Levien. Die Grundschule Berchum-Garenfeld ist klein, sie hat vier Klassen. Trotzdem: nein. „Ich kann es nicht verstehen, wie in so einer Notsituation die Eigeninitiative der Eltern zunichte gemacht wird“, sagt Levien. Die Kosten pro anzuschaffendem Gerät schätzt er auf 350 Euro.
Die Schulleitung ist auf Anfrage dieser Redaktion am Dienstag nicht zu erreichen. Levien sagt, sie argumentiere damit, dass die Wirkung der Luftreiniger nicht erwiesen sei und dass elektronische Geräte aus Brandschutzgründen nicht ohne Überprüfung in Klassenzimmern aufgestellt werden dürften.
Mehr als 90 Prozent weniger Aerosole in der Luft
Zwei Studien belegen aber die Wirksamkeit der Luftreiniger: Sowohl Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt als auch die Universität der Bundeswehr in München kommen zu dem Ergebnis, dass Geräte mit einer entsprechenden Filterklasse die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer in kurzer Zeit um mehr als 90 Prozent senken können. Das Umweltbundesamt lässt wissen, dass Luftreiniger „keinen Ersatz für konsequente Lüftungsmaßnahmen“ darstellen, aber „als unterstützende Maßnahme die empfohlenen Maßnahmen ergänzen“ können.
Warum also nicht eine Verbesserung versuchen, die sich auf dem Silbertablett präsentiert? In der Hagener Nachbarschaft – in der Grundschule Breckerfeld im Ennepe-Ruhr-Kreis – sind Luftreiniger angeschafft worden. In Hagen aber bleibt es beim Nein, erklärt der Schulträger: die Stadt Hagen. „Luftreiniger sind im Krisenstab vergangene Woche besprochen worden“, lässt Stadtsprecher Michael Kaub wissen und verweist auf eine vom Land NRW angekündigte Förderrichtlinie für Luftreiniger.
50 Millionen Euro sollen fließen, damit die Geräte im Land angeschafft werden können. „Wir warten jetzt auf diese Förderrichtlinie und so lange wollen wir keine Einzelentscheidung treffen“, heißt es von der Stadt: „Wir kommen aber dann gern auf private Initiativen zurück, weil wir glauben, dass der Betrag vom Land nicht ausreichen wird, um alle Klassenzimmer auszustatten.“ Bis dahin: Sitzen Luis und die anderen ohne Maske nebeneinander.
<<< Hintergrund >>>
m Regierungsbezirk Arnsberg ist nach Auskunft der Bezirksregierung (Stand: 3. November) nur eine Schule wegen Corona-Infektionen im Distanzunterricht. Darüber hinaus gibt es 47 einzelne Klassen, auf die dies zutrifft. 42 Schülerinnen und Schüler sind positiv getestet und befinden sich in Quarantäne. Insgesamt 2614 Schülerinnen und Schüler werden auf Distanz unterrichtet.