Siegen/Hagen. Die verschärften Regeln für einen Besuch in gastronomischen Betrieben sorgen für Ungewissheit bei den Wirten und Arbeit bei den Ordnungsämtern.
So ganz genau weiß Harry Holz noch nicht, wie das nun werden wird. Vor allem an den Wochenenden sei viel los in der Cosmo-Lounge, seinem Restaurant am Markt in Olpe. Die Gäste würden zahlen, austrinken und dann einfach gehen. „Was sie dann auf das Blatt eingetragen haben, merken wir erst später, wenn wir den Tisch desinfizieren“, sagt Harry Holz. Er hatte, sagt er, deswegen schon die zweifelhafte Ehre, Benjamin Blümchen und Harry Potter zu bewirten. Erst hinterher sei ihm das aufgefallen. Holz begrüßt die Verschärfung der Coronaschutz-Regeln. Aber die Umsetzung? „Ich kann den Gästen nicht hinterherlaufen und sagen: Du heißt niemals Harry Potter.“
Corona: Landesregierung verschärft die Regeln in der Gastronomie
Die Bundesregierung und die NRW-Landesregierung hat am Dienstag und Mittwoch das Regelwerk für einen Besuch in gastronomischen Betrieben noch einmal deutlich verschärft. 250 Euro soll es in NRW nun kosten, einen falschen Namen in die Liste einzutragen, die dem Gesundheitsamt im Falle eines Falles die Rückverfolgung der Kontakte einer mit dem Coronavirus infizierten Person vereinfachen soll. Das sei eine bewusste Täuschung und kein Kavaliersdelikt, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf.
Aber wer überprüft denn dann nun die Richtigkeit oder wenigstens die Plausibilität dieser Einträge? Grundsätzlich sei das eine Aufgabe der Behörden, der Ordnungsämter vor Ort. Diese sollen stichprobenartig Kontrollen durchführen. Aber auch die Wirte will Laumann nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. „Wenn da einer schreibt: ,Ich heiße Hase und wohne in der Höhle’, dann sollte man vielleicht als Wirt mal sagen: ,Haste dir das gut überlegt? Das kann teuer werden.“
Wirtin in Siegen prüft stichprobenartig
Schon jetzt prüft Gastwirtin Angela Rzimski beim Kassieren stichprobenartig, ob die Kontaktdaten auf dem Zettel Sinn ergeben. Zusammen mit ihrem Mann Horst Rzimski bewirtet sie den Gasthof „Schloss Stüberl“ in Siegen. Erscheinen den beiden Gastronomen Name, Adresse und Telefonnummer nicht wie Fantasiegebilde, ist alles ok. Doch Angela Rzimski ist unsicher. Müssen sie jetzt von jedem Gast den Personalausweis zur Kontrolle verlangen? „Wenn wir alles überprüfen müssen und die Bude ist voll, dann haben wir dafür nicht die Zeit.“ Und was passiert, wenn beispielsweise Donald Duck auf der Liste steht? „Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, wenn der Gast die Ausweiskontrolle verweigert. Muss ich dann die Polizei rufen?“
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) begrüßt die neuen Regeln. Die neue Coronaschutzverordnung soll am Donnerstag in Kraft treten, am Mittwochvormittag liegt sie aber noch nicht in schriftlicher Form vor. Lars Martin, stellvertretender DEHOGA-Hauptgeschäftsführer im Bereich Hagen und Siegen, äußert sich daher vorerst nur mit Vorsicht. „Grundsätzlich hat der Wirt ja Hausrecht.“ Soll heißen: Gäste, die sich nicht an die Regeln halten, dürften des Lokals verwiesen werden.
DEHOGA begrüßt hohes Bußgeld und Zuständigkeit der Ordnungsämter
Im Großen und Ganzen sei das, was er bislang über die neuen Maßnahmen und deren Umsetzung gehört habe, zu begrüßen. „Herr Laumann hat aus meiner Sicht sehr deutlich klar gemacht, dass die Gastronomen nicht in der Verantwortung für die Richtigkeit der Listen sind. Ständig werden die Gastronomen ohnehin schon zu Buhmännern, weil sie immer mehr auf Einhaltung von Regeln achten müssen. Die Gastronomen haben genug Probleme, jedes weitere ist eines zu viel“, sagt Martin.
Probleme zum Beispiel auch mit jenen Listen. „Grundsätzlich sind diese Falscheintragungen ein Ärgernis, von dem uns immer wieder berichtet wird“, sagt Martin. Oft sei es auch eine Frage der Zielgruppe: „In einem gestandenen Restaurant mit vornehmlich gesetzterer Kundschaft kommt es seltener dazu als zum Beispiel in einer Kneipe.“ Aber oft fehle es an Zeit und Personal, die Namen zu überprüfen. Kontrollen des Ordnungsamtes, das in vielen Städten nicht mit zu viel Personale gesegnet ist, sieht er skeptisch: „Wir müssen uns nichts vormachen: Das wird schwierig werden.“
Zivilcourage der anderen Gäste ist gefragt
Martin setzt wie Laumann auf eine Art Selbstreinigung. „Selten sitzt jemand allein am Tisch, meistens sind Freunde oder Kollegen dabei, die zum Ausdruck bringen müssen, dass sie derartige Späße – oder was das sein soll – nicht billigen. Da ist wie in vielen anderen Bereichen des Lebens Zivilcourage gefragt. Wir haben immer gesagt, dass das Führen dieser Kontaktlisten wichtig ist und haben an die Gäste appelliert, dieser Pflicht nachzukommen. Wir begrüßen, dass jetzt ein schmerzhaftes Bußgeld erhoben wird.“
Dass es bei der Nachverfolgung eines Corona-Falls wegen falscher Listeneinträge zu Problemen kommen kann, haben die Behörden in der Region schon erlebt: die Stadt Hagen zum Beispiel. Es habe „bislang einen Fall“ gegeben, „in dem eine nicht korrekt ausgefüllte Kontaktliste in einem Gastronomiebetrieb zu einer erschwerten Rückverfolgung der Infektionskette geführt hat“, teilt Stadtsprecherin Clara Treude mit. „Glücklicherweise ließ sich die Situation nach Rücksprache klären.“
Gesundheitsämter der Region melden: bisher kaum Probleme
Im Ennepe-Ruhr-Kreis und im Hochsauerlandkreis habe man noch keinen Fall gehabt, in dem man auf die Listen hätte zurückgreifen müssen. Ähnlich im Kreis Soest, wo man aber Ärger mit andere Listen hat: „Fehlende oder falsche Angaben auf den Arzt- und Labormeldungen machen große Probleme, da nicht rasch Kontakt aufgenommen werden kann, sondern über das Meldeportal NRW oder durch das Ordnungsamt Daten ermittelt werden müssen“, heißt es.
Harry Holz, der Gastronom aus Olpe, ist froh über seine Stammkunden. „Die bleiben sitzen, geben den Zettel persönlich ab und haben ihn auch ordentlich ausgefüllt“, sagt er. So wie es eben sein soll.