Hagen. NRW will dem Trinkwasser gesetzlich Vorrang einräumen. Was das in Trockenperioden für Garten, Autowäsche, Industrie und Landwirtschaft heißt.

Die Sache ereignete sich vor ein paar Tagen in Hagen. Mehr als einmal fuhr ein Mann mit einem 1000-Liter-Behälter auf einem Anhänger vor, um im großen Stil Wasser aus der Volme abzupumpen. Der Grund: Er wollte offenbar die kostengünstige Bewässerung seines Gartens sicherstellen. Problem: Das ist illegal. Die Polizei stoppte ihn. Aber wer darf eigentlich wann welches Wasser wofür benutzen?

Gute Fragen in Zeiten, in denen Wasser auch in unserer Region manchmal knapp zu werden droht. Die Sommer werden trockener, die Winter milder, die Regenmengen geringer. Deswegen will das Land Nordrhein-Westfalen das Landeswassergesetz erneuern: Der Vorrang der Trinkwasserversorgung vor anderen Wasserentnahmen soll gesetzlich verankert werden. Am Mittwoch wurde der Gesetzesentwurf im Landtag eingebracht. Die Trockenheit der vergangenen Jahre habe Konflikte zwischen öffentlicher Versorgung, Wirtschaft, Industrie und landwirtschaftlicher Bewässerung „deutlich gemacht und verschärft“, heißt es in dem Entwurf. Es sei zu erwarten, dass diese Konflikte „in den nächsten Jahren wieder auftreten und möglicherweise schärfer werden“.

Es braucht also klare Regelungen und Priorisierungen. Den Garten zu wässern, könnte in Zukunft also immer häufiger verboten sein. Im Kreis Herford in Ostwestfalen-Lippe waren die Bewohner neulich durch den Bürgermeister bereits gebeten worden, ihre Gärten nicht mehr mit Trinkwasser zu gießen. Zudem sollten die Menschen ihre Autos nicht waschen und Pools und Planschbecken nicht befüllen. Im Kreis Gütersloh musste vorübergehend ein Freibad schließen, weil es zu viel Wasser verbrauchte. Weniger Wasser benutzen? Das sagt…

… die Hobby-Gärtnerin: Lang überlegen muss Magdalene Fiebig (64) nicht. „Mein Garten ist mein Leben“, sagt die Esloherin. Zwölf Stunden am Tag verbringe sie an dem Ort, an dem mehr als 150 Rosenarten blühen. Viel Liebe steckt in diesem Garten, viel Hingabe. Viel Wasser auch. Eine Stunde täglich wässert Frau Fiebig mit dem Schlauch. Und wenn das Wasser knapp wird? „Ich würde natürlich aufhören zu gießen“, sagt Magdalene Fiebig beim Gedanken an dieses Szenario, „aber das wäre schon schlimm für mich. Ich bewundere jede Blüte.“ 50 Kubikmeter Wasser habe sie im vergangenen Jahr verbraucht, das sind 50.000 Liter. In diesem Jahr überschreitet sie den Wert noch. Ist halt trocken gewesen mal wieder. Aber, mal ehrlich, sagt sie: „Wissen Sie, was an anderen Stellen für Wasser verbraucht wird? Es wird dann wieder die Kleinen treffen. Und die Großen kommen ungeschoren davon.“

… die Industrie: „Wir als Industrie sind nicht dagegen, dass Wassernutzung priorisiert wird. Es ist doch klar, dass das Trinkwasser von höchster Wichtigkeit ist und dass in Phasen, in denen Wasser knapp zu werden droht, Einschränkungen greifen müssen“, sagt Dr. Peter Kaiser, Technischer Werksleiter von Kabel Premium Pulp & Paper in Hagen, einer Papierfirma, die naturgemäß viel Wasser für die Produktion braucht. 14,5 Kubikmeter Wasser pro Tonne Papier. Macht im Jahr einen Verbrauch von mehr als sechs Milliarden Litern.

„Landwirtschaft und Industrie haben aus meiner Sicht aber Vorrang vor einer privaten Nutzung wie zum Beispiel beim Autowaschen“, sagt Kaiser, denn die Produktion sichere Arbeitsplätze. Aber auch die Industrie müsse sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Es müssten im Falle eines Falles Maßnahmen eingeleitet werden, die „weh tun könnten. Eine stufenweise Reduzierung des Verbrauchs wäre denkbar, bestenfalls bei gleicher Produktivität. Man müsste also schauen, wie man die Lasten verteilt oder inwieweit es einen finanziellen Ausgleich dazu geben kann, damit nicht einzelne Branchen oder Firmen benachteiligt werden.“

… die Landwirtschaft: Auch sie sieht noch reichlich Gesprächsbedarf – und bringt sich gleichfalls in Stellung. „Der Trinkwasserversorgung wird Vorrang vor anderen Entnahmen gewährt. Dies ist unstrittig“, sagt Dr. Jörn Krämer, Fachreferent im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. „Aus Sicht der Landwirtschaft muss aber bei einer möglichen Reihenfolge von Entnahmen die Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen beziehungsweise Viehtränke hoch gewichtet werden. Hier wird es noch intensive Diskussionen geben.“

… der Ruhrverband: Auch in Südwestfalen werden die Wasser-Sicherheiten auf Dauer zurückgehen, sagt Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbandes. Mehr als 800 wasserwirtschaftliche Anlagen, darunter acht Talsperren und fünf Stauseen , betreut der Verband. „Bislang ist die Situation absolut nicht besorgniserregend, wir liegen einigermaßen im Durchschnitt“, weiß Rüdel. Heißt: Zu rund 70 Prozent seien die Talsperren gefüllt, „damit liegen wir circa 10 Prozent unter dem langjährigen Mittel“. Dennoch: „Wir hatten es die letzten zwei Jahre mit sehr trockenen Jahren zu tun, auch in diesem Jahr gibt es deutlich weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel. Das ist ein Zeichen: Der Klimawandel ist ganz deutlich bei uns angekommen.“

Das Landeswassergesetz „kann die Sicherheit deutlich erhöhen. Wasser ist unser Lebenselixier. Akut ist die Situation hier zwar nicht, aber wie das in 20, 30 Jahren sein wird, das kann man nicht sagen“. Bislang seien es vor allem die nassen Winter gewesen, die für ausreichend Wasser sorgten. Knapp werden könnte es, kämen zwei trockene Winter hinzu. Bereits vor vielen Jahren habe man festgestellt, dass das Stauvolumen auf Dauer nicht ausreichen werde. Deshalb spare man schon lange intensiv. „In der Industrie zum Beispiel sind die Kreisläufe inzwischen weitgehend geschlossen, das funktioniert sehr gut. So gut, dass hinsichtlich des Verbrauchs auch nicht mehr viel rauszuholen ist.“

Baldige Verbote von Gartenbewässerung, Poolbefüllung oder Autowäschen vermutet Rüdel aber zumindest in dieser Region erst mal nicht. „In kleineren Versorgungsgebieten könnte das anders sein. Aber hier haben wir ein gutes Gesamtstausystem.“

Dass auf eine mögliche Wasserknappheit mit einer Erneuerung des Gesetzes reagiert werde, sei sinnvoll und richtig. Deutschland sei zwar im weltweiten Vergleich ein sehr wasserreiches Lands, aber „das wandelt sich jetzt ein Stück weit“.