Hagen. Die Weihnachtsmärkte sind der letzte Rettungsanker für die corona-gebeutelten Schausteller. Doch können die Märkte überhaupt stattfinden?

Die Temperaturen derzeit lassen an alles denken, nur nicht an Weihnachtsmarkt. Und doch: In vier Monaten ist Weihnachten und in etwa drei Monaten sollen die Weihnachtsmärkte öffnen. Jetzt im Sommer und im frühen Herbst werden die Weichen gestellt, werden Pläne gemacht und Konzepte erarbeitet. Doch wird es im Jahr der Corona-Pandemie Weihnachtsmärkte geben können? Und wenn ja: Wie sollen die aussehen? Ein Blick in die Region.

Der Markt in Hagen

„Die Schausteller stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Dirk Wagner, seit 24 Jahren Veranstalter des Hagener Weihnachtsmarktes und selbst aus einer Schausteller-Familie stammend. Seine Enkelin führt die Tradition fort, in der sechsten Generation, sagt er. „Viele haben seit acht Monaten kein Einkommen. Ich will den Betrieb wissen, der das überleben kann.“

Wagner ist Präsident des Markt- und Schaustellerverbandes Westfalen – und hat arge Befürchtungen, wenn kommen sollte, was niemand hoffen will.

Ein Drittel des Jahresumsatzes

Ein Drittel des Jahresumsatzes von Schaustellern – aber auch des Einzelhandels – werde auf den Weihnachtsmärkten erwirtschaftet, schätzt Wagner. „Die Weihnachtsmärkte sind der letzte Rettungsanker. Wenn sie abgesagt werden, dann muss die Politik einen Ausgleich besorgen, weil sonst mehr als die Hälfte der Schausteller in die Insolvenz müssen. Auch für viele Einzelhändler wäre das der Todesstoß.“

Wagner selbst lebt von dem, was er sich über die Jahre angespart hat. Geld, das fürs Alter vorgesehen war. Er kämpft für sich und die anderen um den Hagener Weihnachtsmarkt 2020, der Ende November beginnt und am 23. Dezember endet.

Hygienekonzept steht

Im Moment sei alles im Fluss, das Hygienekonzept ist erarbeitet und liegt der Stadt vor: Die Fläche soll ausgeweitet, Menschenansammlungen entzerrt werden. Es soll Nachverfolgungslisten, Anstellbereiche, Plexiglasscheiben und Mundschutz geben. „Das Konzept steht, die Verträge liegen fertig auf dem Schreibtisch.“

Anfang oder Mitte September will er Klarheit haben. „Die Gesundheit“, sagt er, sei oberstes Gebot. Aber wenn doch andere Bereiche des öffentlichen Lebens wieder in eine Art Normalität zurückkehrten, warum soll dann nicht der Weihnachtsmarkt stattfinden, fragt er.

Ist er zuversichtlich? „In Hagen steht man dem Projekt sehr aufgeschlossen gegenüber und man versucht uns zu unterstützen. Es wäre wichtig, für Schausteller, für die Innenstadt, für die Bürgerinnen und Bürger.“

Der Markt in Dortmund

Mehr als zwei Millionen Besucher verzeichnet jedes Jahr der Dortmunder Weihnachtsmarkt mit seiner Attraktion: dem größten Weihnachtsbaum der Welt, der aus 1700 Sauerländer Fichten zusammengesetzt wird.

Ob die mehr als 300 Stände auch dieses Jahr öffnen werden? „Wir erstellen gerade Konzepte und wir sind zuversichtlich, dass wir Lösungen finden, die genehmigt werden können“, sagt Verena Winkelhaus, Geschäftsführerin des veranstaltenden Markthandel- und Schaustellerverbandes Westfalen.

Entscheidung im September

Derzeit werde geprüft, wie die Standorte der Buden weiter aus- einandergezogen­ werden und wie Besucherströme geleitet werden könnten. Es seien mehrere Konzepte in der Erarbeitung.

Danach werde es Gespräche mit den Genehmigungsbehörden geben und eine Entscheidung Mitte oder Ende September. „Uns ist schon klar, dass das Land sein Veto einlegen kann, wenn die Infektionszahlen wieder steigen. Ich denke, dass man in diesem Jahr sehr spontan sein muss, damit etwas stattfinden kann.“

Die Kleinstadt-Märkte

Aber es gibt ja nicht nur die großen Weihnachtsmärkte, die zum Teil vier, fünf, sechs Wochen lang ihre Pforten öffnen, sondern auch die in den kleineren Städten mit kürzeren Öffnungszeiten. Balve (drei Tage), Erndtebrück (zwei Tage) und Bad Berleburg (drei Tage) zum Beispiel haben ihre Märkte bereits abgesagt.

„Nach der Verlängerung des Verbots von Großveranstaltungen bis Ende Oktober waren wir uns schnell einig, den Markt abzusagen“, berichtet Wilhelm Pickhahn aus dem Organisationsteam der Bad Berleburger Weihnachtszeitreise, die jedes Jahr auf dem Hof des Schlosses stattfindet.

Infektionsgeschehen unberechenbar

Zwei Gründe: Das Infektionsgeschehen sei zu unberechenbar, als dass der Weihnachtsmarkt gut zu planen sei. „Wer will hinterher dafür geradestehen, wenn das zu einem Hotspot wird?“, fragt Pickhahn.

Zudem drohe eine abgespeckte Version des Marktes unwirtschaftlich zu sein. „Die Zeitreise hat eine bundesweite Strahlkraft“, sagt Johannes Röhl, Direktor der Wittgenstein Berleburg’schen Rentkammer: Wir geben ein klares Qualitätsversprechen für den Markt und das können wir in diesem Jahr nicht halten.“

Ein reiner Outdoor-Markt

Das Winterberger Winterdorf erfreut Einheimische und Touristen drei Wochen lang von Mitte Dezember an. Wie es dieses Jahr sein wird, ist noch völlig offen. „Unsere nächste Sitzung ist Ende August, danach sehen wir klarer“, sagt Pascal Möhrke von der Veranstaltungen in der Winterberg GmbH.

Wenn der Markt stattfinde, dann bestimmt als reiner Outdoor-Markt. Der Aufbau der hochwertigen Holzhütte, die sonst das Zentrum des behaglichen Treibens bildet, würde wahrscheinlich entfallen.

Zusätzliches Angebot für Gäste

Generell sei die Entscheidung „eine große Herausforderung. Wir wissen nicht, was im November oder Dezember wegen Corona sein wird. Niemand will am Ende was riskieren. Andererseits: Wir fänden es schade, das Winterdorf abzusagen, weil es ein tolles Angebot für die Einheimischen und Gäste ist, weil es außerhalb der Skigebiete ein zusätzliches Angebot in der Kernstadt schafft.“