Hagen/Olpe. Reiserückkehrer, Lehrer und Erzieher können sich auf Corona testen lassen. Aber viele Ärzte weisen die Patienten ab.
Zu Beginn des Telefonats warnt Stefan S.: „Mein Akku ist gleich leer. Ich telefoniere pausenlos, um einen Arzt zu finden, der mich testet.“ Drei Tage gehe das nun schon so. Ohne Erfolg. „Die Vertretung meines Hausarztes wollte mir keinen Termin geben, ein Corona-Test sei ihm zu aufwändig.“ Das örtliche Gesundheitsamt erklärte, es sei nicht zuständig. „Ich habe sieben oder acht Ärzte in der Umgebung angerufen, keiner wollte mir einen Termin geben“, erzählt der 53-Jährige. „Ich kann doch nicht 50 Praxen abtelefonieren.“ Auch die Info-Hotline 116117 der Kassenärztlichen Vereinigung sei keine Hilfe: „Da ist dauerbesetzt.“
Stefan S. ist Erzieher und zuständig für den offenen Ganztag in einer Grundschule im Kreis Mettmann. Wegen einer Erkältung war er drei Tage krankgeschrieben und ihn quälte die Ungewissheit, ob sein Husten ein Corona-Symptom sein könnte. „Mein Arbeitgeber hätte gerne einen Test, bevor ich wieder mit den Kindern zusammenkomme.“ Er versteht das gut, denn er könnte ja ein Infektionsrisiko sein für die gesamte Schule.
Warteschlangen vor Testzentren
Offenbar ist Stefan S. nicht der Einzige, der diese Probleme hat. Es häufen sich die Klagen. Patienten berichten von langen Warteschlangen vor den Testzentren, oder dass sie von ihrem Arzt an das Gesundheitsamt verwiesen, dort aber wieder zum Hausarzt geschickt werden.
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Seit Montag können alle Erzieher und Kita-Beschäftigte freiwillig und kostenlos bei Hausärzten und in Testzentren einen Abstrich machen lassen. In der kommenden Woche sind sämtliche Schulbeschäftigte an der Reihe. Dann geht es in einem wöchentlichen Wechsel nach diesem Muster weiter. So hat es die Landesregierung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen verabredet. Insgesamt betrifft dies rund 360.000 Beschäftigte in NRW. Zusätzlich bestürmen zahlreiche Reiserückkehrer die Praxen.
„Ausbaden muss es wie immer am Ende der Patient“
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„Das sind Regelungen, die sich Schreibtischtäter ausgedacht haben. Ausbaden muss es wie immer am Ende der Patient“, wettert Dr. Martin Junker vor allem gegen die Testungen der Reiserückkehrer. Der Facharzt für Allgemeinmedizin in Olpe ist Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung in Südwestfalen. „Wir können nicht in jedem Dorf und in jedem Ort garantieren, dass es Praxen gibt, die die Tests anbieten“, sagt Junker.
Gründe dafür: Es habe schon Patienten gegeben, die sich aus Furcht vor Corona-Testungen in ihrer gewohnten Praxis einen neuen Hausarzt suchten. „Zudem müssen die zu testenden Personen gesondert vom laufenden Praxisbetrieb empfangen werden. Meistens kann ich nur einen Termin nach Ende der Sprechstunde gegen 18 Uhr anbieten. Das stößt bei demjenigen dann auch auf Unmut. Vor allem, wenn er noch 15 Kilometer fahren muss für seinen Test, weil in der Nähe keiner angeboten wird“, sagt Junker.
15 Euro pro Test? Zu wenig!
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sprach zum Start der Testungen von Erziehern und Lehrern von einem „einfachen und unbürokratischen Verfahren“ und dankte den Ärztinnen und Ärzten, die sich daran beteiligen. Das Ministerium geht davon aus, dass die Ärzte die nötigen Testkapazitäten abdecken können. In dem Rahmenvertrag mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) werde geregelt, „dass der Anspruch auf Testung durch Vertragsärzte bzw. Testzentren der KVen erfüllt wird“, erklärt das Ministerium.
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Doch offenbar sind etliche Hausärzte bislang nicht dazu bereit, diese Tests anzubieten. Sie haben zum Beispiel Risikopatienten, die wichtige Kontrolluntersuchungen in den vergangenen Monaten zurückgestellt haben und nun die Praxen füllen. Sie haben zum Teil das Gefühl, eine verfehlte Politik ausbaden zu müssen. 15 Euro pro Test? Zu wenig! Und: Infektionsschutz sei eigentlich Aufgabe des öffentlichen Dienstes, sagt Junker, „aber die Gesundheitsämter seien „jahrelang systematisch kaputtgespart“ worden. „Jämmerlich versagt“ habe die Politik in den vergangenen Jahren. Und das Krisen-Management empfindet er nur als wenig besser. „Die Kassenärztliche Vereinigung hat in den vergangenen sieben Tagen drei Mitteilungen verschickt. Man weiß bald wirklich nicht mehr, was man noch machen soll und was nicht.“
Verwirrung bei den Ärzten
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Das Wort „Chaos“ will Vanessa Pudlo, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), nicht in den Mund nehmen. Aber: „Es herrscht derzeit auf verschiedenen Ebenen Verwirrung, wie die Maßgaben umzusetzen sind.“ Sie bestätigt, dass Ärzte nicht verpflichtet werden können, die Tests anzubieten. Und sie bittet um Verständnis, dass einige Mediziner derzeit keine Termine vergeben, schließlich hätten sie kaum Zeit für Vorbereitungen gehabt. „Ich bin sicher, dass es sich um Anlaufschwierigkeiten handelt und sich die Lage entspannen wird“, sagt Pudlo. An eine Aktivierung der Mitte Juni geschlossen Testzentren denke die KVWL derzeit nicht. „Aber wir beobachten die Lage sehr genau.“
Unterdessen arbeitet Stefan S. wieder im offenen Ganztag – ohne Corona-Test. „Ich habe keinen Rückruf von Ärzten bekommen, auch nicht von der KV“, sagt er.