Hagen. Der Staatsschutz ermittelt gegen Attila Hildmann. Kunden fordern, den Verkauf seiner Bücher zu stoppen. Was sagen Buchhändler wie Thalia?
Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner Attila Hildmann wird zum Testfall für die Meinungsfreiheit im Buchhandel. Kunden und Buchhändler diskutieren teils kontrovers, ob die Titel Hildmanns angesichts von dessen rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen weiter verkauft werden sollen. Nachdem der Autor zum Mord an dem Grünen-Politiker Volker Beck aufgerufen hat und der Staatsschutz nun gegen ihn ermittelt, fordern Leser, dass Buchläden die Titel aus dem Programm nehmen. Dabei geht es um vegane Kochbücher.
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Die Buchhandelskette Hugendubel hat Hildmanns Bücher stationär und online aus ihrem Sortiment entfernt. Der renommierte Becker Joest Volk-Verlag hat sich von seinem Autoren losgesagt, man findet Hildmann nicht mehr in der Autorenliste und seine Titel nicht mehr im Programm. Beim Filialisten Thalia mit Sitz in Hagen sind die Sachbücher hingegen weiter erhältlich.
Mit Nachdruck distanziert
„Wir distanzieren uns mit allem Nachdruck von einer rechtsradikalen und antisemitischen Weltanschauung, so wie sie u.a. von Herrn Hildmann vertreten wird. Die Diskussion um Attila Hildmann sollte jedoch nicht am Kochbuchregal, sondern gesamtgesellschaftlich geführt werden. Grundsätzlich wollen wir als Buchhändler weder zensieren noch Diskussionen vorwegnehmen, indem wir zum Beispiel Titel, die keinen Anlass für inhaltliche Beanstandungen bieten, aus dem Sortiment nehmen“, so Thalia-Sprecherin Claudia Bachhausen. „Wir beobachten die Diskussion und behalten uns vor, die Situation immer wieder neu zu bewerten.“
Produkte aus dem Sortiment genommen
Entscheidender Punkt in der Debatte bleibt, dass die veganen Kochbücher Hildmanns selbst keine strafrechtlich relevanten Inhalte enthalten, der Corona-Leugner aber bei seinen Auftritten inzwischen nicht nur Adolf Hitler lobt, sondern öffentlich Straftaten androht. Mehrere Drogerie- und Biomärkte haben daher seine Produkte ebenfalls aus dem Sortiment genommen. „Wir hatten noch zwei Bücher von Herrn Hildmann hier stehen, es gab ja diesen Boom vor fünf, sechs Jahren. Die haben wir aber rausgenommen. Jemanden, der Mordaufrufe startet, rassistische Positionen vertritt und Kopfgelder auf Andersdenkende aussetzt, den brauchen wir hier nicht“, sagt Jürgen Breuer von der Buchhandlung Quadrux in Hagen.
Breuer weiter: „Das ist durchaus ein politisches Statement. Jemand, der so durchdreht, dessen Sachen möchte ich nicht hier stehen haben. Aber der Hype ist sowieso vorbei, das waren Ladenhüter.“ Breuer kritisiert, dass Hildmann mit seinen Auftritten der ganzen veganen Szene einen schlechten Ruf verschaffe.
Sich selbst ein Bild machen
Isabell Hoffmann von der Buchhandlung Hoffmann in Attendorn, ist auf Belletristik spezialisiert und verkauft eher weniger Kochbücher. „Deshalb hat mich nicht so interessiert, was Hildmann losgetreten hat. Ans Lager nehme ich solche Autoren nicht, da bin ich rigoros. Aber wenn jetzt ein Kunde das haben will, dann kriegt er die Bücher bestellt.“
Buchhändler Andreas Wallentin von der Buchhandlung Daub in Menden sieht das ähnlich. „Leute, die sich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen und rechtsradikales Gedankengut verbreiten, haben bei mir im Geschäft und bei mir Zuhause nichts zu suchen. Aber wenn Kunden diese Bücher bestellen wollen, sollte man sie ihnen nicht vorenthalten. Man muss sich selbst ein Bild machen können. Den Platz im Laden möchte ich anderen Büchern vorbehalten. Das ist meine Buchhandlung, solche Sachen muss ich den Leuten nicht präsentieren.“
Sperrliste für Online-Shops kommt
Auch wenn sie die Hildmann-Kochbücher nicht im Geschäft führen möchten, über die Online-Shops sind die Titel in allen südwestfälischen Buchhandlungen dennoch erhältlich. Das soll sich noch in den nächsten Tagen ändern, unterstreicht Zwischenbuchhändler Stefan Könemann vom Barsortiment Könemann mit Sitz in Hagen. „Wir verstehen die Klagen der Sortimenter, dass sie solche Titel nicht online anbieten wollen. Deshalb geht in den nächsten Tagen eine Artikelnummer-Sperrliste raus. Mit dieser Funktion können die einzelnen Buchhändler Titel in ihren Online-Shops auslisten.“
An dieser Stelle soll dann eine Alternativ-Empfehlung des Buchhändlers stehen, aber diese Funktion ist technisch noch nicht so weit. Könemann: „Wir Großhändler listen nur diejenigen Titel aktiv aus, die gegen das Gesetz verstoßen oder wo Gesetzesverstöße auch für den Laien offensichtlich sind, zum Beispiel bei Kinderpornographie. Von diesen Dingen trennen wir uns sofort.“
Neue Qualität der Debatte
Branchenkenner Könemann beschreibt die neue Qualität der Hildmann-Debatte. „Es gab schon immer Bücher oder Verlage, die grenzwertig waren. Das haben die Buchhändler dann einfach nicht bestellt. Aber damals gab es keine Online-Shops und keine guten Suchmaschinen. Und das Bewusstsein der Buchhändler, sich um ihre Onlineshops zu kümmern, ist gestiegen. Die Online-Shop ist die zweite Filiale. Deshalb bieten wir die Sperrliste an. Wir diskutieren in der Branche und auch betriebsintern intensiv, wo wir die Grenze ziehen müssen.“