Iserlohn. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lässt eine neue Abteilung Gesundheitssicherheit in seinem Ressort aufbauen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) läuft nicht mehr im roten Bereich. Der 40-jährige Münsterländer, der in den vergangenen Monaten vielleicht den schwierigsten Job in der Bundesregierung zu absolvieren hatte, wirkt am Montagnachmittag bei seinem Besuch im Sauerland vergleichsweise entspannt. Ohne aber Leichtsinn zu verbreiten: „Wir sind noch mittendrin in der Pandemie, aber Stand heute haben wir die Dinge gut unter Kontrolle.“
Google und Apple profitieren von App
Der Minister ist auf Einladung der Unternehmervereinigung „Sauerland Initiativ“ nach Iserlohn gekommen. Vor ein paar Wochen musste Spahn noch absagen, weil Corona ihm keine Luft für Grundsatzdebatten über Gesundheitswirtschaft im Allgemeinen oder Versorgungssicherheit im ländlichen Raum ließ.
Mittlerweile kann der Minister wieder etwas durchatmen. Auch wenn er „mit dem Wissen von heute nicht alle Dinge wieder so entscheiden würde“, ist ihm doch vieles gelungen. Die Corona-App – aus seiner Sicht ein großer Erfolg: „In Deutschland haben die App mehr Menschen heruntergeladen als in allen anderen Ländern Europas zusammen.“ Nicht zuletzt wegen relativ gutem Datenschutz und ausgeklügelter Technik. Von deutscher Entwicklung aus dem Hause Fraunhofer hätten selbst die Techgiganten Google und Apple gelernt.
Mit Blick auf die Versorgungssicherheit bemerkt der Minister, dass Deutschland mehr freie Intensivbetten habe als Frankreich und Italien zusammen. Im Nachhinein hätte man noch mehr Menschen aus anderen Ländern aufnehmen können, sagt Spahn. Die Steigerung der Intensiv-Bettenzahlen hat der Bund mit unbürokratischen Mitteln in Form von Geld im Voraus beflügelt. Dass über 7000 mit jeweils 50.000 Euro geförderte Betten aktuell nicht auffindbar sind, werde man klären, verspricht der Politiker.
Zu den Lehren, die in seinem Ministerium bereits heute aus der Krise gezogen werden, gehört die Einrichtung einer Abteilung für Gesundheitssicherheit noch in diesem Herbst – auch, um das Üben von Pandemieplänen zu etablieren.
Ein wichtiges Spahn-Projekt werde die Digitalisierung von Krankenhäusern sein. Dafür soll ein vier Milliarden Euro umfassendes Förderprogramm aufgelegt werden. „Drei Milliarden Euro davon wird der Bund tragen, eine Milliarde tragen die Länder“, kündigt der CDU-Politiker an.
Gesundheitswirtschaft in Südwestfalen
Die Gesundheitswirtschaft hat nach Angaben der Unternehmervereinigung „Sauerland Initiativ“ eine beachtliche Bedeutung. Demnach gebe es rund 200 Hersteller, Zulieferer und Dienstleister in diesem Bereich mit rund 110.000 Beschäftigten.
In Südwestfalen werden aktuell insgesamt 41 Krankenhäuser,
Kliniken und Rehaeinrichtungen sowie rund 1900 niedergelassene
Ärzte gezählt, außerdem
etwa 250 teilstationäre
und stationäre Pflegeeinrichtungen.
Viel Geld in Zeiten, in denen eher über Krankenhausschließungen geredet wird. Oliver Schuster, Vorstandsvorsitzender des Werdohler Bahntechnikkonzerns Vossloh AG und Vorstandsmitglied der gastgebenden Unternehmervereinigung, mahnt „einen Reset im deutschen Gesundheitssystem“ an: „Ländliche Räume brauchen eine flächendeckende ärztliche Versorgung auch, um für Fach- und Führungskräfte attraktiv zu bleiben“, so der Finanzexperte. Er erinnert an die Bertelsmann-Studie aus dem vergangenen Jahr, nach der Zweidrittel aller Krankenhäuser in Deutschland überflüssig seien.
Studie nicht entscheidend
Spahn gelingt es, Befürchtungen über einen Kahlschlag in Südwestfalen zu zerstreuen: „Eine Bertelsmann-Studie entscheidet in Deutschland nicht darüber, was passiert.“ Im Übrigen gehe es viel weniger um den ländlichen Raum als um städtische Ballungsgebiete. Allerdings sei überall Ergänzung und Spezialisierung sinnvoll. Der Gesundheitsminister plädiert dafür, Insellösungen zu erhalten und zu bezuschussen, dafür andere Häuser zu schließen. „Spezialisierung rettet Leben. Ich würde 500, ja 5000 Kilometer fahren, bevor ich zu jemandem gehe, der eine OP nur einmal im Jahr macht“, erklärt Spahn.