Meschede. Es sollte ein Teil eines Zukunfts-Projekts der Bezirksregierung Arnsberg sein, doch es wurde ein Fall fürs Gericht. Die Fronten sind verhärtet.
Die Debatte empfindet Herbert Strasser als scheinheilig. Die um die Energiewende meint er. „Alle wollen saubere Energie für die Zukunft, aber nicht vor ihrer Haustür“, schimpft der Geschäftsführer der Firma AMC Energie in Hückeswagen. „Überall wird von neuen Energieformen geredet und wie schön und sauber sie sind – und dann werden einem solche Steine in den Weg gelegt.“
Er hat in eine Wasserkraft-Anlage in Meschede-Wehrstapel investiert. Das Land NRW bezuschusste dies mit Fördergeldern in Höhe von 80.958 Euro. Die Bezirksregierung Arnsberg erteilte die Betriebsgenehmigung. Aber die Anlage läuft jetzt nur noch unter Auflagen. Auflagen, die viel Geld kosten. Geld, das Strasser nicht in neue Anlagen investieren kann. In neue Energie.
Wasserkraft-Anlage wird von März bis April abgeschaltet
Jedes Jahr am 15. März muss Strasser die Anlage für sechs Wochen komplett abstellen. So sehen es die Auflagen vor, die der Fischereiverband NRW durch seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg erwirkt hat. Der Verband hat unter anderem die Sorge, dass die Fische gerade in der Laichzeit ab März Schaden nehmen könnten, wenn sie durch das Wehr auf- oder absteigen wollen.
Strasser sagt, dass das Unfug sei. „Keinem einzigen Fisch wird auch nur eine Schramme zugefügt.“ Die Anlage sei einem fischfreundlichen Pilotprojekt in Rhede nachempfunden und unter Tierschutzgesichtspunkten noch einmal verbessert worden. Er führt Gutachten ins Feld, die beweisen sollen, dass die Anlage völlig unbedenklich sei.
Freitag: Nächster Termin vor Gericht
Die Firma AMC klagte wegen der Auflagen gegen die Bezirksregierung. Eine Entscheidung gibt es noch nicht. Das erste Verfahren endete in einem Vergleich, die damals beschlossenen Auflagen seien „seinerzeit ausdrücklich im Einvernehmen mit der Betreiberin der Wasserkraftanlage ergangen“, teilt das Verwaltungsgericht in Arnsberg mit.
Am Freitag ist der nächste Termin vor Gericht. Die Parteien werden „über die rechtliche Würdigung der streitentscheidenden Gesichtspunkte (...) informiert“, heißt es vom Gericht. Eine Entscheidung falle nach einem solchen Termin nicht zwingend. Die Anlage in Wehrstapel bleibt damit wohl ein Streitfall, der zeigt, wie schwierig es sein kann, das, was alle wollen, für alle erträglich entstehen zu lassen.
Aktionsprogramm erneuerbare Energie der Bezirksregierung
Denn den Bedarf neuer oder erneuerter Wasserkraftanlagen sah zunächst die Bezirksregierung. Sie flaggte in einem „Aktionsprogramm erneuerbare Energien“ im Jahre 2014 13 Wehre aus, die leicht erschließbares Restpotenzial boten. Darunter waren neben jenem in Meschede u.a. die Vorsperre Eichhagen bei Olpe, das Kanuwehr in Hohenlimburg, die Heilenbecketalsperre bei Ennepetal, das Wehr Messingwerk in Plettenberg, das Wehr in Eslohe, die Obermühle Padberg bei Marsberg.
Scheitert die Energiewende?
„Sehr vorbildlich“, nennt Philipp Hawlitzky dieses Vorgehen, auch wenn der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW weiß, dass von den 13 Standorten bisher nur zwei umgesetzt wurden. „Eine Vielzahl von Wasserkraftprojekten wurde bereits beklagt. Dass der Fischereiverband gerichtlich offensiv vorgeht und eine recht grundsätzliche Ablehnung gegen die Wasserkraft hegt, ist nicht neu“, sagt er. Er sei sicher, dass neben bürokratischen Hindernissen auch „die Klagewut abschreckende Wirkung auf andere Investoren hat. Das ist natürlich fatal.“
Fischereiverband wehrt sich gegen Vorwürfe
Der Fischereiverband NRW verwehrt sich gegen derlei Vorwürfe. „Wir haben in den vergangenen Jahren in NRW höchstens ein halbes Dutzend Klagen angestrengt“, sagt Geschäftsführer Dr. Michael Möhlenkamp. Es sei völlig klar, dass Wasserkraft zum Portfolio der erneuerbaren Energien dazu gehören müsse. Aber „das Verhältnis zwischen Ertrag für die Allgemeinheit und dem ökologischen Schaden muss vertretbar sein. Das ist bei kleineren Anlagen wie der in Meschede-Wehrstapel oft nicht der Fall.“
Strasser investierte in Meschede-Wehrstapel, bezog auch Naturschutzverbände in die Planung mit ein, wie er sagt. 2016 wurde gebaut, 2017 war die Anlage betriebsbereit, 2018 klagten die Kritiker. Seitdem gelten die Auflagen: Neben dem zeitweisen Betriebsverbot musste der Schutzrechen ebenso wie die Fischtreppe nachträglich verändert werden. Das bedeutete: zusätzliche, ungeplante Kosten für die Firma.
Verluste in Höhe von mindestens einer halben Million Euro
„Seit 2017 ist unsere Firma wegen der Sache in Meschede mehr oder weniger stillgelegt. Wir können keine weiteren Anlagen bauen und verzeichnen dadurch Verluste im mittleren bis hohen sechsstelligen Bereich“, sagt Strasser. Auch andere Firmen seien direkt oder indirekt betroffen. Die Anlage will er eigentlich verkaufen, aber die meisten, sagt er, würden aufgrund der juristischen Schwierigkeiten abwinken. „So, wie sie derzeit betrieben wird, ist sie nicht auf Dauer rentabel“, sagt Strasser. „Ich hoffe, dass am Freitag eine Lösung gefunden werden kann.“