Hagen. Die schlimmsten Forderungen wie die Abwrackprämie für Verbrenner sind aus Sicht von Prof. Ada Pellert im Konjunkturpaket verhindert worden.

Das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturprogramm beinhaltet ein „Zukunftspaket“. 50 Milliarden Euro sollen dazu dienen, aus der Krise bei Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine Chance werden zu lassen. Die Westfalenpost sprach dazu mit Professor Dr. Ada Pellert, Rektorin der Fernuniversität Hagen und Mitglied im von der Bundesregierung 2018 ins Leben gerufenen Digitalrat.

Zur Person Prof. Dr. Ada Pellert

Dr. Ada Pellert ist als Professorin für Organisationsentwicklung und Bildungsmanagement tätig. Von 2009 bis 2015 war Ada Pellert Gründungspräsidentin der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin.

Seit März 2016 ist die Wirtschaftswissenschaftlerin Rektorin der Fernuniversität in Hagen, der nach Anzahl der Studierenden mit über 75.000 größten Universität Deutschlands.

Seit September 2016 ist Ada Pellert Vorsitzende der Kooperationsplattform Digitale Hochschule NRW. Seit August 2018 ist sie Mitglied des Digitalrates der Bundesregierung.

Wird das Konjunkturpaket wirken?

Professor Dr. Ada Pellert: Zunächst einmal glaube ich, dass es klug war, ein solches Paket zu schnüren. Ob es wirkt, muss sich zeigen. Das ist jetzt wie eine Art Reallabor.

Enthält das Programm die richtigen Anreize?

Wichtig finde ich, dass die schlimmsten Dinge verhindert wurden.

Was meinen Sie?

Beispielsweise eine konventionelle Autokaufprämie. Dass man da widerstanden hat, finde ich gut, auch wenn viele Arbeitsplätze an der Automobilindustrie hängen. Wir müssen die Situation jetzt einfach nutzen, um die Digitalisierung und den Klimaschutz, also Nachhaltigkeit voranzutreiben. Das wird sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken.

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Bei der Digitalisierung erwartet die Bundesregierung einen deutlichen Schub. Jedenfalls steht es so im Papier. Glauben Sie das auch?

An dieser Stelle hätte ich mir natürlich eine viel deutlichere Handschrift gewünscht. Leider fließt auch viel Geld für Maßnahmen, deren Wirkung sehr fraglich ist.

Welche meinen Sie?

Die Mehrwertsteuersenkung zum Beispiel. Es geht ja akut auch darum, den Konsum anzukurbeln.

Und die Mehrwertsteuersenkung bringt da nichts?

Wir wissen nicht einmal, ob sie rechtssicher ist. Außerdem ist sie mit enormem Aufwand bei der Umstellung verbunden. Und dann bleibt die Frage, ob sie nicht nur den Großen nutzt.

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Also droht eine teure Verpuffung?

Es wäre meines Erachtens besser gewesen, den Menschen konkrete Geldbeträge zu geben, wie es in Dänemark oder meiner Heimatstadt Wien gemacht wird. Das hätte den Konsum schneller in Gang gebracht. Die drei Prozentpunkte spürt man nicht. Das psychologische Moment ist aber wichtig, um Konsum anzuregen.

Über das Zukunftspaket sollen bis zu 50 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Zum Beispiel für weitere Beschleunigung des Infrastrukturausbaus, also 5G, 6G, Breitbandverkabelung. Eine Wasserstoff-Kampagne. Viel Technisches, nichts aus Ihrem Bereich – der Bildung. Dabei liegt hier doch viel im Argen, wenn man bspw. an Homeschooling denkt.

Dazu steht tatsächlich leider nichts im Konjunkturprogramm. Digitalisierung vor und nach Corona ist nicht allein 5G. Es ist ein Transformationsprozess, und zwar ein sehr großer. Und der muss auch in den Köpfen stattfinden. Wir werden viele unserer heutigen Kompetenzen in Zukunft nicht mehr brauchen, benötigen aber neue.

Was meinen Sie damit?

Die vorhandenen Strukturen reichen nicht mehr aus. Wir bräuchten dringend eine TaskForce aus Bildung, Wirtschaft und Politik, damit es hier auch einen großen ,Wumms‘ gibt. Da darf man sich auch nicht davon aufhalten lassen, dass Bildung Ländersache sei. Diese Krise ist eine Chance. Das merken auch manche. Es ist auch kein Thema der Bildungsexperten allein, sondern es geht um einen gesellschaftlichen Umbruch.

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Das klingt etwas erschlagend.

Es gibt aber gute Beispiele. Nehmen Sie einmal die in der Krise ausgezahlten Soforthilfen. Die sind ein gutes Beispiel für neues Querdenken. Wie schnell und unbürokratisch da gehandelt wurde. Wie Verwaltung da über den eigenen Schatten gesprungen ist, war bemerkenswert. Wir brauchen öfter solches Querdenken, wenn wir etwas verändern wollen. In den alten Strukturen wird Digitalisierung nicht funktionieren.

Also braucht es mehr Mut, ganz anders zu denken?

Der Mensch und das Leben liegen meistens quer zu den etablierten Strukturen und Systemen. Die Frage ist, ob die Politik die Kraft hat, diese Herausforderung zu bewältigen. Die Chance ist jetzt da. In der Krise sind die Menschen offen für neue Ideen. Sie sind sozusagen aufgetaut.