Hagen. Einer Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) ist in Westfalen-Lippe die flächendeckende Versorgung durch Apotheken nicht gesichert.

Die Apotheker in Westfalen-Lippe fordern von der Politik die richtigen Rezepte gegen den zunehmenden Fachärztemangel in ihrem Gesundheitsbereich. Einer am Montag vorgestellten Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) zufolge ist eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung mit Vor-Ort-Apotheken in den kommenden Jahren nicht mehr gesichert. Bis zum Jahr 2040 benötige man in Westfalen-Lippe 500 zusätzliche Apotheker, hieß es.

Nicht sehenden Auges in die Krise

Wir laufen auf einen großen Personalmangel zu und müssen daher jetzt entgegen steuern“, sagte Klaus Michels, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), bei einem Pressegespräch per Video.

Josef Hilbert, ehemaliger IAT-Direktor, pflichtete ihm bei: „Wir sind in den 90er Jahren sehenden Auges in einen Ärztemangel geschlittert. Bei den Apothekern sind wir auf dem Weg in eine ähnliche Situation, insbesondere im ländlichen Raum. Wir dürfen die Entwicklung nicht wie bei den Medizinern verschlafen.“

Das Gespräch von Angesicht zu Angesicht

Verbandschef Michels hat in letzter Zeit an „unzähligen“ Video-Konferenzen teilgenommen, wie er sagt. „Wir müssen die digitalen Möglichkeiten nutzen, aber die Intensität der Kommunikation ist ganz anders, wenn man in ein Mikro spricht gegenüber dem persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht.“

Das gelte besonders, wenn Menschen erkrankt und verunsichert sind. Und hier kommt die Vor-Ort-Apotheke ins Spiel, die sich in der Corona-Krise als besonders leistungsfähig entpuppt habe.

Der Arzneimittelbedarf steigt

Doch die aktuelle IAT-Studie lässt Zweifel an einer flächendeckenden Versorgung auch in Zukunft wachsen. Peter Enste, Direktor des Forschungsschwerpunktes Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität beim IAT, sieht mehrere Faktoren zusammen kommen:

Die Menschen werden älter – jede Person in Westfalen-Lippe wird bis 2040 einer Prognose zufolge 60 Jahre oder älter sein –, sie sind daher auf mehr Arzneimittel angewiesen – der Bedarf an Tagesdosen wird bis 2040 um 12 Prozent steigen –, gleichzeitig werden fast 30 Prozent der Apothekeninhaber (Durchschnittsalter: 54 Jahre) in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen.

Geschlossene Dorf-Apotheke kann sich fatal auswirken

Auch wenn im Untersuchungsgebiet das Apothekensterben derzeit in erster Linie in den Städten des Ruhrgebiets stattfindet, kann sich auf dem Land auch schon eine geschlossene „Dorf-Apotheke“ fatal auswirken. „Dann kann die Fußläufigkeit zur nächsten Apotheke schnell im zweistelligen Kilometer-Bereich sein“, so Enste weiter, „es trifft die mobil eingeschränkten Menschen am härtesten.“

Ein Appell an die Politiker

Die Verfasser der Studie sorgen sich insbesondere um Kreise im Münsterland sowie Olpe und Soest, was die Sicherung der medikamentösen Versorgung angeht. In der Kreisstadt Olpe haben zuletzt innerhalb von drei Monaten zwei Apotheken geschlossen. Peter Enste: „Es muss dringend etwas getan werden.“

Nur was? Klaus Michels vom Apothekerverband Westfalen-Lippe sieht die Politik in der Pflicht: „Es müssen mehr Apotheker an den Hochschulen ausgebildet werden“, fordert er „20 Prozent mehr Studienplätze“.

Pharmazie-Studium nur an der Uni Münster

Derzeit bietet im AVWL-Gebiet nur die Universität Münster einen Studiengang Pharmazie an, mit im Schnitt 100 Absolventen pro Jahr. „Wir brauchen einen zweiten Standort“, sagt Michels und bringt die Uni Bielefeld ins Spiel. Zumal der „Wettbewerb um die Köpfe“ nicht nur zwischen Apotheken zunehmend an Fahrt aufnimmt, sondern auch mit Krankenkassen und Industrie.