Hagen/Menden/Sauerland. Manuel Trilling hat ein Haus im Sauerland gebaut. Doch von ihm gibt es zu wenige: Warum die Baulust in der Region im NRW-Vergleich so klein ist.
An Manuel Trilling hat es nicht gelegen: Der 35-Jährige hat in Menden gebaut. Ein Einfamilienhaus im Stadtteil Bösperde der 55.000-Einwohnerstadt am Rande des Sauerlands, in dem er seit Juli 2019 mit seiner Freundin wohnt. Für ihn keine große Frage, dass er in seiner Heimatstadt geblieben ist – und das obwohl er fünf Jahre in Münster studiert und gelebt hat.
„Ich finde Münster toll“, sagt Trilling. „Und wenn ich noch mal in eine Großstadt ziehen würde, dann wäre es auch Münster. Aber für das Geld, mit dem ich mir hier in Menden ein Haus mit Garten leisten kann, könnte ich mir in Münster allenfalls eine 70-Quadratmeter-Wohnung kaufen.“ Nun war es nicht nur das Geld, das den 35-Jährigen zur Entscheidung für Menden bewogen hat. Der studierte Lehrer hat mit einem Partner eine PR- und Veranstaltungsagentur aufgebaut, ist dort Geschäftsführer. „Und meine Freunde und meine Familie leben hier, ich bin in der Feuerwehr aktiv.“
Trotz Verdopplung: Im Märkischen Kreis weiter ein niedriger Wert
Manuel Trillings Entscheidung hat mit dazu beigetragen, dass es im Märkischen Kreis, zu dem Menden gehört, im Jahr 2019 zu einem dicken Plus bei neuen Wohnungen gekommen ist. Die Zahl der fertig gestellten Einfamilienhäuser hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Doch das alles kann nicht verhindern, dass die Wohnungsbauquote – also die Zahl der fertig gestellten Wohnungen pro 10.000 Einwohner – in unserer Region so niedrig ist wie nirgends anders in NRW: Bei 26 liegt sie im Landes-Schnitt – im Regierungsbezirk Arnsberg dagegen nur bei 19,2. Kein Vergleich zu den Regierungsbezirken Köln mit 30,5 oder gar Münster mit mehr als 33.
So wie im Märkischen Kreis hat durchaus auch in anderen Kommunen Südwestfalens die Bautätigkeit zugenommen: Etwa im Kreis Siegen-Wittgenstein, wo im Vergleich zum Vorjahr gut 72 Prozent mehr Wohnungen fertig gestellt wurden, oder auch im Hochsauerlandkreis (+16,3 Prozent). Aber das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur der Kreis Soest im gesamten Regierungsbezirk mit einer Wohnungsbauquote von 29,2 über dem NRW-Schnitt liegt.
Hagen mit dem zweitniedrigsten Wert in ganz Nordrhein-Westfalen
Und dass es mit Hagen eine Großstadt gibt, in der zum einen die Bautätigkeit im Vergleich zum Jahr 2018 noch einmal massiv abgenommen hat. Und die zum anderen mit einer Wohnungsbauquote von 6,2 den nach Gelsenkirchen landesweit zweitniedrigsten Wert hat. Und das, wo die etwa gleichgroße Stadt Hamm mit 24,5 fast an den Landesschnitt reicht.
Warum aber gibt es zu wenig Manuel Trillings, die gerade hier in der Region ihre Zukunft sehen und auch in ein Haus investieren? Thorsten Wiechmann ist Professor für Raumplanung und Dekan dieser Fakultät an der Technischen Universität Dortmund. Und er hat Antworten auf diese Fragen. Er schickt voraus, dass man vorsichtig sein muss: Es ist eigentlich ein Blick auf längere Jahresreihen nötig, um tatsächlich einen Trend erkennen zu können. Und es gehört in die Waagschale, dass im ländlichen Gebiet in der Regel mehr Menschen in einer Wohneinheit wohnen, weil es nicht so viele Single-Haushalte gibt wie in einer Großstadt. All das berücksichtigt, kommt der Wissenschaftler dennoch zum Schluss: „Südwestfalen hat da durchaus ein Problem.“
Es würden tatsächlich im Vergleich zu anderen Teilen NRWs wenige Wohnungen fertig gestellt werden. „Das ist eine paradoxe Situation, weil es der Region ja eigentlich wirtschaftlich sehr gut geht“, sagt Wiechmann. „Sie ist ja heute viel mehr der industrielle Kern als das Ruhrgebiet. Dass die Wohnungsbauquote vergleichsweise gering ist, ist eine große Herausforderung. Wenn das Gebiet nicht als attraktive Region zum Leben und Wohnen empfunden wird, dann wird dies den Facharbeiter-Mangel für eben diese starke Industrie verstärken.“
Der „Überschwapp-Effekt“ aus dem Ruhrgebiet fehlt
In vergleichbaren ländlichen Gebieten gibt es positivere Zahlen, etwa im Münsterland, wenn man auf die Kreise Borken, Coesfeld oder Steinfurt schaut. Oder im Rheinland auf die Kreise Heinsberg oder Euskirchen. „Da gibt es die so genannten ‚Überschwapp-Effekte‘ durch sehr gefragte Städte wie Köln und Münster“, weiß Torsten Wiechmann. Dass Köln auch eine leicht unterdurchschnittliche Wohnungsbauquote habe, liege schlichtweg daran, dass es dort nicht mehr so viel Platz gebe. Davon profitiere dann zum Beispiel der Kreis Euskirchen, wo im Umfeld von Köln neuer Wohnraum entstehe. „Für Südwestfalen fehlt eine ähnliche Wirkung durch das Ruhrgebiet“, konstatiert Professor Wiechmann. „Da gibt es zwar eine Stadt wie Dortmund mit Wachstumspotenzial. Aber sie kann selbst noch Bauflächen ausweisen und übt nicht eine solche Sogkraft aus, von der auch Südwestfalen profitieren könnte.“
Die Situation einfach so hinzunehmen sei aber der falsche Weg: „Man sollte nicht die Hände in den Schoß legen, aber das macht die Region ja auch nicht“, sagt Wiechmann. „Die Südwestfalen-Agentur ist da sehr aktiv. Etwa mit ‚Rückholaktionen‘, um junge Leute nach Ausbildung und Studium wieder für ihre Heimat zu begeistern. Das geht in die richtige Richtung, ist auch absolut notwendig.“
Künftigen Bedarf genau ermitteln
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In einem bloßen Ausweisen neuer Wohnbaugebiete sieht der Raumplaner indes keine Strategie: „Ich halte nichts davon, ein Angebot zu schaffen, wo es keine Nachfrage gibt.“ Stattdessen sei es viel wichtiger genau zu schauen, was den potenzielle Interessenten wünschen: „Es geht darum, qualitativ wertvollen Wohnraum zu schaffen. Ein gutes Netz, eine gute Internetversorgung oder gute Kinderbetreuung sind Punkte, die Menschen dazu bringen können, auch verstärkt in Südwestfalen nach Wohnraum zu suchen.“ Und für die müsse man dann gezielt Angebote schaffen.
Auf dass es mehr Manuel Trillings gibt, der vorausschauend geplant hat: „Das Haus kann man teilen und vermieten, wenn man im Alter nicht mehr so viel Platz braucht.“
>> HINTERGRUND: Corona-Effekt unklar
- Ob die Corona-Krise, die steigende Wertschätzung für das Landleben und die Natur während des Lockdowns tatsächlich langfristige Effekte haben oder gar den Trend in die Metropolen stoppen wird, ist nach Ansicht von Professor Wiemann noch völlig unklar.
- „Ich will da nicht spekulieren. Man kann allenfalls allgemeine Erfahrungen aus krisenhaften Vorgängen heranziehen. Die zeigen, dass sich binnen ein bis zwei Jahren danach zeigt, ob sich ein Trend tatsächlich ändert.“